Lillys Entscheidung

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Lillys Entscheidung

Lilly schluckte schwer, als sie den heulenden Motor des Motorrades abschaltet, dem fiebrigen Manu von der Maschine half.

„Lilly?“

Sie hörte Jack, bevor sie ihn sah und ihre Muskeln verkrampften sich allein bei dem Klang seiner Stimme. Doch sie hatte sich entschlossen und jetzt gab es kein Zurück mehr.

„Bist du etwa schon so früh wieder da…“

Er verstummte, als der Blick seiner kalten Augen Manuel traf.

„Wer ist das, Lilly?“

„Sein Name ist Manuel und bevor du weiterfragst, Jack. Er hat mir das Leben gerettet. Er hat eine Infektion und braucht nichts weiter, als etwas Antibiotika und ein bis zwei Tage Ruhe, dann ist er wieder weg.“

„Spar dir die Erklärungen, Lilly! Du kennst die Regeln! Ich habe dich und deine Schwester von der Straße aufgesammelt, euch das Leben gerettet und du dankst es mir, indem du die Regeln brichst?“

Bleiche, ängstliche Gesichter schoben sich aus ihrem vorübergehenden Unterschlupf, angelockt von nahendem Unheil, doch ein einziger Blick von Jack ließ sie erschrocken wieder zurück an das wärmende Lagerfeuer flüchten.

„Ich sage es dir jedes Mal, bevor du losfährst, Lilly.“

Jack hatte seine Stimme zu einem bedrohlichen zischen gesenkt.

„ Wenn du dich nicht an die Regeln hältst kann ich auch nicht für die Sicherheit deiner Schwester garantieren!“

Plötzlich wurde seine Miene wieder weicher, wie damals, als er Lilly und seine Schwester geködert hatte.

„Außer… du tötest ihn. Sofort. Dann kann ich ein letztes Mal ein Auge zudrücken…“

„Das werde ich nicht, Jack.“

Lilly war stolz, dass ihre Stimme fest klang und um einiges mutiger, als sie sich fühlte und Jacks erstauntes Schweigen trug noch ein gutes Stück zu ihrem Selbstvertrauen bei, sodass sie, ohne dem Mann auch nur einen weiteren Blick zu widmen, mit dem fiebrigen Manu an ihm vorbei, zu den anderen ins Lager ging.

Mittlerweile war das Fieber des Jungen wieder gestiegen, seine sonst so stechend grünen Augen glasig und der Biss an seiner Schulter war angeschwollen und entzündet. Lilly bezweifelte, dass er überhaupt etwas mitbekam, was sich in seiner Umgebung abspielte, bis sie ihm half sich neben das flackernde Lagerfeuer zu setzten.

„Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben. Stell dir einfach vor er wäre ein Zombie, gefährlicher ist er auch nicht.“

Flüsterte der junge Mann mit schwerer Zunge und schloss dann die Augen zu einem weiteren, wirren Fiebertraum. Bei dem plötzlichen Klang seiner Stimme zuckte Lilly zunächst erschrocken zusammen, doch dann begann die Bedeutung seiner Worte langsam in ihren Verstand zu sickern.

Ein Zombie. Mehr nicht.

„Das würde heißen, dass du ihn töten musst, Lilly, damit du und deine Schwerster in Sicherheit sind. Bist du dazu in der Lage?“

Soweit hatte sie noch gar nicht gedacht, doch indem sie Manuel hierher gebracht hat, hatte sie zwangsläufig eine Kettenreaktion von Ereignissen ausgelöst. Am Ende dieser Ereigniskette stand jedoch ein Toter.

Es war Lillys Entscheidung, wer das sein würde.

Bis zum letzten Tropfen BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt