Die Flucht aus Köln

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Die Flucht aus Köln

Köln                Tag: 7

Ardys Magen krampfte sich zusammen, als er die Schritte hörte. Es würde nicht mehr, als 2 Zombies brauchen und einige von ihnen würden die Stadt nicht lebend verlassen- zumindest nicht lebend in ihrem Sinne. Caty krallte sich ängstlich an Simons Arm, Annika krampfte beide Hände um die Räder ihres Rollstuhls und Herr Bergmann machte einen ängstlichen Schritt zurück. Doch was um die Häuserecke bog waren keine Zombies. "Andre? Victor?" Ardy rieb sich die Augen. Nein, er musste träumen. Das war unmöglich! Und doch kamen die beiden Jungs vor ihnen zum stehen. "Was macht ihr dann hier?" Victor holte schwerfällig Luft. "Wir... wir haben uns getroffen, als die Stadt abgeriegelt wurde. Unsere erste Idee war... Nun ja... Zu überleben. Warum seid ihr nicht in eurer Wohnung?" Simon drehte sich um, um sich zu vergewissern, dass keine Zombies in der Nähe waren. "Wir verschwinden heute Nacht aus Köln. Taddl hat eine undichte Stelle gefunden. Kommt ihr mit?" "Und das fragst du noch?" flüsterte Andre aufgeregt. "Die letzten Tage habe ich mir nichts mehr gewünscht, als einfach nur aus dieser Hölle raus zu kommen!"

Die undichte Stelle lag in einem Haus am Rand von Köln. Zwar waren nirgendwo Polizisten, oder Militär zu sehen, aber zwischen ihnen und der Freiheit lag etwas viel schlimmeres. Ardy stolperte in Simon hinein so abrupt blieb sein Kumpel stehen. Als er schon Luft holte, um zu fragen was los sei presste Simon ihm hastig die Hand auf den Mund und schüttelte eindringlich den Kopf. In seinen Augen glänzte die Angst. Vorsichtig schielte Ardy an Simons breiten Schultern vorbei und schnappte erschrocken nach Luft. Auf der letzten Straße, die zwischen ihnen und dem Haus lag, befand sich eine ganze Horde Untoter. Sie lagen einfach nur auf dem Asphalt und es sah beinah so aus, als würden sie... schlafen? Schliefen Zombies? Verzweifelt sahen sie sich an. Es gab keinen anderen Weg. Annika rollte langsam zu Simon und flüsterte ihm etwas zu. Dieser überlegte kurz und nickte dann. "Wir müssen an ihnen vorbei." "Was? Bist du Wahnsinnig?" "Es gibt keinen anderen Weg... Solange wir still sind und keinen von ihnen berühren dürften sie auch nicht aufwachen..." "Du kannst dir doch nicht mal sicher sein, ob sie schlafen!" Simon ignorierte ihn "...Allerdings müssen wir einzeln gehen. Einer nach dem anderen." Simon nahm Catys Hand. "Ich gehe zuerst und wenn es für dich in Ordnung ist, Schatz, nehme ich Annika." Der Kopf des Mädchens im Rollstuhl fuhr hoch und wieder glänzte Überraschung in ihren Augen. "Ja. Natürlich." sagte Caty leise. Zärtlich nahm er ihr Gesicht in beide Hände. "Sollte ich das nicht schaffen... Ich liebe dich, Caty." Simon küsste Caty und eine schillernde Träne lief über ihre weiße Haut. Dann hob Simon Annika aus ihrem Rollstuhl, nahm sie wie ein kleines Kind auf den Arm und lief los. So sehr hatten Simons Hände noch nie gezittert. Er spürte Annikas rasenden Puls unter seinen Fingern, als er den ersten Fuß zwischen die schlafenden Zombies setzte. Im Grunde genommen war es wie ein Kindergeburtstag mit Übernachtungsparty. Wenn sich der ganze Boden in ein einziges Deckenlager verwandelte und, wenn man früher als alle anderen aufwachte musste man versuchen aus dem Zimmer zu kommen und irgendwie versuchen niemanden zu wecken. Nur, dass kleine Kinder einen nicht auffraßen, wenn man ihnen nicht ausversehen auf die Hand trat. Ein Körper, direkt neben ihm begann sich zu bewegen. Er zuckte, drehte den Kopf in ihre Richtung... Simon erstarrte. Das getrocknete Blut unter dem Kinn des Untoten bröckelte etwas ab, als er den Mund öffnete. Ein tiefes, gequältes Murmeln, das in ein heißeres Röcheln überging. In diesem Moment stand es fest. Sie würden sterben. Alle beide. Der Zombie brauchte nur die Augen zu öffnen. Sein Frühstück stand direkt vor ihm. Annika schloss die Augen und legte verzweifelt die Stirn auf seine Schulter. Ihre Tränen sickerten durch den Stoff seines T-Shirts und ließen ihn frösteln, obwohl die untergehende Sonne unerbittlich heiß auf den Asphalt schien. Simon hätte die Augen auch gern geschlossen. Er wollte die milchig- weißen Augen nicht sehen. Er wollte die von Blut beschmierten Zähne nicht sehen, die ihm das Fleisch von den Knochen nagen würden und doch gehorchten seine Augenlieder ihm nicht. Mit rasendem Herzen konnte er nur auf die Flocken getrockneten Blutes starren, die von der Haut des Zombies rieselten. Dann kehrte plötzlich wieder Ruhe ein. Kein Untoter öffnete die Augen. Niemand starb. Simon zitterte am ganzen Körper. Sein Haarband rutschte ihm ins Gesicht, doch er hatte Annika auf dem Arm und hatte daher keine Hand frei es wieder in die richtige Position zu rücken. Schritt für Schritt kämpfte er sich weiter, stieg über Körper, deren Herz längst aufgehört hatte zu schlagen und stand schließlich im Türrahmen des Hauses. Er hatte es geschafft. Er hatte überlebt. Einer nach dem anderen schlichen sie zwischen dem schlafenden Tod hindurch, bis schließlich nur noch Caty übrig war. Simons Herz schlug genauso schnell, wie als er den ersten Fuß zwischen die Zombies gesetzt hatte. Ihr Gesicht war weiß, wie ein Blatt Papier und selbst aus dieser Entfernung sah er, wie sehr ihre Hände zitterten. Catys Haare fielen ihr in die Augen und sie blieb ruckartig stehen, vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sie hatte Angst. Vorsichtig wollte Simon Annika, die er immer noch trug Izzi geben, um zu Caty gehen zu können und sie zu beruhigen, da versuchte sie einen weiteren Schritt zu machen und stolperte. Caty landete der Länge nach neben einem Untoten, der keuchend die Augen öffnete. Simon sog scharf die Luft ein und wiederstand dem Drang zu ihr zu rennen, weil er Annika immer noch trug. Was dann kam trieb ihm Tränen in die Augen. Der Untote neben ihr hob den Kopf, öffnete den Mund, doch als er schon zubeißen wollte spuckte sie einen Mund voll Blut auf die Straße. "Nein... Caty... Caty!"

Irgendwie hatte Caty es gewusst. Sie hatte es nur nicht wahrhaben wollen, doch jetzt stand es fest. Sie war infiziert. Eine einsame Träne aus Blut lief über ihre Wange. So konnte sie nicht sterben! So wollte sie nicht sterben! Krampfhaft versuchte Caty sich aufzurappeln, doch ihre Hände gaben unter ihr nach und ihr Blickfeld begann immer dunkler zu werden. Sie war müde... So müde. Nein, sie durfte nicht die Augen schließen! Verzweifelt zwang Caty sich Luft zu holen, auch wenn der Sauerstoff in ihren Lungen brannte, wie Feuer. Sie. Würde. Nicht. Hier. Sterben. Langsam wurde ihr Sichtfeld klarer. Mit letzter Kraft kämpfte sie sich erst auf die Knie, stand dann auf und schleppte sich zu den anderen hinüber, weg von den Zombies. Ein erleichtertes Schluchzen schlich sich aus ihrer Kehle, als sie endlich mit ihnen im Hauseingang stand. "Es tut mir so Leid, Simon..." flüsterte sie und fiel erschöpft in Ohnmacht.

Ardy war der Erste von ihnen, der sich wieder bewegen konnte. Vorsichtig nahm er Simon Annika ab, damit er zu seiner Freundin konnte. Caty war infiziert, aber noch lebte sie! Er kannte Simon gut genug, um zu wissen, dass er sie nicht töten würde. Schweigend, mit Tränen auf den Wangen, hob Simon seine Freundin hoch und trug sie aus Köln heraus. Taddl wartete draußen auf sie und irgendwie hatte er es geschafft einen Rollstuhl zu besorgen. Es kam Ardy vor, als würde die Welt um ihn herum zusammen brechen, als Taddl ihnen erzählte, dass der Virus auch außerhalb von Köln war. Für die Nacht suchten sie sich einen stillen Platz im Wald. Sonst konnten sie nirgendwo hin, da es purer Selbstmord wäre in eine Stadt zu gehen. Simon saß, etwas weiter weg von ihnen, bei Caty. Sie war immer noch nicht aufgewacht, aber ihre Brust hob und senkte sich stetig und noch machte ihr Herz keine Anstalten das Schlagen einzustellen. Niemand wagte es, etwas zu sagen, nur Annika drehte gedankenverloren an dem Regler eines Funkgeräts herum. Ardy war schon halb eingeschlafen, als das leise rauschen plötzlich verschwand und tatsächlich eine Stimme aus dem Lautsprecher drang. "...Wir befinden uns am Bodensee. Hier haben wir eunen sicheren Platz, Nahrung und Medikamente. An alle Überlebende! Wir arbeiten an einem Heilmittel und für alle, die sich nicht sofort verwandelt haben gibt es Hoffnung! Vermeidet nur jeglichen Körperkontakt mit ihnen! Ich wiederhole: Vermeidet JEGLICHEN Körperkontakt!" Dann wiederholte der Funkspruch sich. Simon hob träge seinen Kopf, die Tränen auf seinen Wangen waren getrocknet und er sagte nur monoton "Wir gehen zum Bodensee."

Bis zum letzten Tropfen BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt