Don't forget - it's fiction!
....................................................................................................................
Puh. Jimin hat Muskelkater. Und wie! Die paar Muskeln, die seinen Hungerkurs überlebt haben, haben definitiv in den letzten Wochen zu wenig zu tun gehabt, und der Tag gestern war ein echter Senkrechtstart. Aber alle ziehenden Muskeln und knackenden Knie können ihm seine gute Laune wegen des gelungenen Neustarts und seine Vorfreude auf London nicht vermiesen. Er kann manchmal immer noch nicht glauben, dass aus all der Angst und Hoffnungslosigkeit, mit der er in Seoul abgeflogen ist, nun so viel innere Kraft, Perspektive und Lebensfreude gewachsen sind. Wenn doch nur auch Jeongguk bald diese Lebensfreude wieder spüren könnte!
Ausschlafen können die Jungs heute nicht. Es geht bald wieder in die Halle. Durchlauf, London-Special, Stellprobe. Ab und zu Pause, Essen, Schlafen. Wie gehabt. Die Routine hat sie endgültig eingeholt. Vorher nehmen sie sich jedoch die Zeit, die mentalen Stolperfallen des Vortages in den Focus zu nehmen.
„Jimin, Jeongguk? Wie geht es euch heute Morgen?"
Namjoon schaut die beiden an.
„Muskelkater!"
Promt antwortet Jimin mit einem leisen Aufstöhnen.
„Seelenkater ..."
Ziemlich kleinlaut kommt das direkt darauf von Jeongguk. Kurz müssen alle grinsen, aber eigentlich ist die Sorge um Jeongguk überhaupt nicht lustig. Also kümmern sie sich um den zuerst.„Guk, ich bin total unsicher, wie ich mich jetzt verhalten, was ich entscheiden soll. Ich weiß nicht mal, wie intensiv dieses Gespräch werden darf, ohne dir zu viel Kraft zu rauben. Kannst du mir als erstes dazu was sagen?"
Jeongguk seufzt. Es ist ja nicht so, dass er selbst nicht schon darüber nachgedacht hat. DIE Antwort hat er auch nicht gefunden. „Joonie, ich weiß es selbst nicht. Aber ich würde sagen: Nicht reden verunsichert uns alle. Also reden wir jetzt, und ich schaue in mich rein dabei. Schlimmer kann das nicht enden, als wenn wir die Probleme jetzt totschweigen. Ich spreche also einfach mal mein Gedankenkarussell aus:
Ich habe im März erfahren und begriffen, dass ich Schwierigkeiten habe, meine und anderer Leute Gefühle zu identifizieren. Das habe ich von Anfang an fürs Tanzen und Singen gesagt bekommen. Dass das auch fürs Zwischenmenschliche gilt, habe ich offensichtlich gleich mit den Ängsten zusammen verdrängt. Ich habe nun Werkzeuge bekommen, das zu üben und besser zu erkennen, und Beispiele wie der Eiffelturm oder die Entscheidungshilfe für Hobi, ob er nach Moskau geht, die Nähe, die zwischen Hobi und mir gewachsen ist – das zeigt, dass ich mich schon gut auf den Weg gemacht habe. Tina hat mir die Augen geöffnet, und am letzten Montag konnte ich es endlich auch formulieren: Ich bin viel zu früh von zu Hause weg und habe Ängste, Einsamkeit, Unsicherheit, Zukunftsängste und Co. nicht ausgesprochen, abgearbeitet, ausgeschwitzt oder rausgeheult – sondern verdrängt und abgeschnitten.
Jimins intensives 'Lie' hat in mir eine Ahnung wachgekitzelt. Und das genaue Hinschauen auf 'Begin' hat die Mauer eingerissen, hinter der all die alten Gefühle verborgen waren. Jimin hat mit mir mein inneres Bild meiner Gefühlswelt gefunden. Wir haben einen sicheren Ort identifiziert – den Schutzturm – und mein Werkzeug gegen die Flut der Ängste entdeckt – das Singen. Aber weder der Schlüssel in meiner Hand noch das Bild vom Turm in mir drin noch das Singen ansich haben gestern Abend gereicht, um die Flut in Schach zu halten. Und deshalb fühle ich mich grade wie eine Rakete mit brennender Lunte und habe keine Ahnung, wohin diese Rakete sausen wird, wenn sie denn saust ... Hab ich was vergessen?"„Leider nein."
Namjoon ist ziemlich erschrocken über diese monotone, präzise Auflistung, und blickt in die Runde, ob irgendjemand schlauer ist als er. In das unangenehme Schweigen hinein meldet sich schließlich Yoongi zu Wort.
"Ich kann dir nur sagen, was ich mache, wenn mich die Trigger überfallen: die Trigger sind ungefilterte Ängste, die sich im Moment ihrer Wirkung dem Verstand entziehen, ja, den Verstand aushebeln. Ein getriggerter Mensch hat keinen Zugriff auf seine Vernunft mehr. Gleichwohl passen diese Trigger ganz oft gar nicht zur Realität. Und ich mache immer, sobald ich wieder Herr über mich selbst bin, diesen Realitätsabgleich.
Beispiel: Ich bin in der Stadt, weil ich es nun wirklich nicht mehr verhindern kann, mir mal wieder ein Paar Schuhe kaufen zu müssen. Ich werde erkannt, es sind viele, es wird enger um mich, die Geräuschkulisse steigt, mir brennt die Birne durch. Ich flüchte in den nächsten Laden und verstecke mich in einer Umkleide. Da bleibe ich dann hocken, ignoriere Termine und Pflichten und warte. Als erstes setzt die Wahrnehmung meines eigenen Körpers wieder ein, das nutze ich, um intensiv zu atmen und ein paar Entspannungsübungen zu machen. Als nächstes nehme ich meine Umgebung wieder wahr und richte es mir gemütlicher ein, sofern das geht, weil der Wohlfühlfaktor echt wichtig ist. Und erst als drittes kommt dann die Erinnerung, was grade passiert ist. Und dann 'spiele' ich durch, normal zu sein. Ich schaue mir in meinem Kopf die Situation von oben an, ich fliege sozusagen drüber weg, da oben bin ich nämlich alleine und sicher. Ich mache mir bewusst, dass Menschen keine Hyänen sind und mich weder tot trampeln noch zerquetschen noch entführen noch erschießen werden. Sie wollen ein Autogramm, sie wollen ein Selfie, sie wollen meine Stimme hören und selbst ein bisschen rumquietschen. Manche wollen mich anfassen, selten tun sie das auch. Nichts davon ist eine echte Gefahr! Ich bagatellisiere die Situation nicht, meine Seele darf mit Angst reagieren. Ich verurteile mich auch nicht für meine überzogene Reaktion, meine Seele kann nicht anders. Aber ich kann wieder sehen, dass ich in Sicherheit bin, auch wenn ich jetzt da raus und auf die Straße und nach Hause gehe. Ich habe dann zwar immer noch keine Schuhe, aber wenigstens meine Nerven wieder unter Kontrolle. Und ich weiß mit dem Kopf, dass mir nichts passieren wird."Alle atmen hörbar durch. Keiner – außer vielleicht Namjoon – hat bisher gewusst, was eigentlich in Yoongi abgeht, wenn ihn die Phobie überfällt. Sie ahnen alle, dass das keineswegs so einfach ist, wie es klingt. Aber es klingt nach einem gangbaren Weg!
Also überlegt Guk, was das für ihn heißen kann. Etwas zögerlich, aber mutig sortiert er also seine Gedanken.
"Für mich bedeutet das dann: ich habe mich furchtbar einsam gefühlt, ich hatte Angst vor der ungewissen Zukunft, ich hatte das Gefühl, nicht mithalten zu können. Und all diese Gefühle waren absolut berechtigt. Aber ich darf diesen alten Gefühlen entgegen stellen, dass meine Zukunft inzwischen absolut in trockenen Tüchern ist, dass ich nun genauso wie ihr körperlich und einigermaßen auch geistig erwachsen bin -"
Allgemeines, unterdrücktes Kichern.
„Ei! wer lacht, muss dreimal mit mir Bunjee springen! - und dass ich neu schauen darf, ob ich noch einsam bin. Wahrscheinlich nicht, dann sollte ich mir bewusst machen, wen ich alles habe gegen die Einsamkeit. Wenn doch, bin ich alt und kompetent genug, um Menschen zu suchen und zu finden, die mir helfen, die Einsamkeit zu vertreiben. Ist es das, was du meinst, Yoongi?"Der lächelt ihn an.
„Ja und nein. Ich hatte nämlich noch gar nicht so weit gedacht, und darum ist es gut, dass du das selbst hingekriegt hast. Das ist wertvoller als alles andere. Aber ich stelle fest, dass das doch meine unbewusste Ahnung und Motivation gewesen sein muss, euch so tief blicken zu lassen. Der Kontrollverlust lässt sich nur sehr schwer und nur mit viel Übung und nur manchmal in den Griff kriegen. Aber der Realitätsabgleich hinterher ist etwas, was dir keiner nehmen kann, was an jedem Ort der Welt funktioniert und was dir die Kontrolle über dich selbst wiedergibt."Tae schüttelt den Kopf.
„Und was heißt das jetzt für heute und heute Abend? Guk muss doch irgendeine Chance, eine Perspektive bekommen, dass es besser wird!"
Auch Hobi wird energisch.
"Wollen wir Guk jetzt wochenlang rumprobieren lassen, wie viel er aushalten kann? Und ihn – uuups – schon wieder nicht! Abend für Abend ins offene Messer laufen lassen?"
Alle schütteln den Kopf.
„Natürlich nicht, das kanns nicht sein."
Erschrocken stimmt Namjoon Hoseok zu.
„Aber genau wie bei Jimin mit dem Wiederessenkönnen kann auch Jeongguk nur einen Schritt nach dem nächsten tun. Das ist ein Marathonlauf und kein Sprint."Hobi wendet sich direkt an Jeongguk.
„Welche Songs sind es nochmal, die dir so zu schaffen machen?"
Der überlegt kurz.
„'Fake Love' hat natürlich ganz viel mit mir zu tun. Aber ich konnte es mit dem Schlüssel in der Hand in meinem Kopf irgendwie positiv drehen. Nach dem Motto 'nichts ist unabänderlich, ich schaff das!' Bei 'Magic Shop' war es schon schwieriger, aber da hat mir eure Unterstützung auch gereicht. Nur bei 'the truth untold' – da hab ich echt keine Phantasie, wie ich DAS ohne Heulen überstehen soll."
Stille.
„Vielleicht muss ich bei dem Song auch einmal alles durchspielen und dann so richtig nach Strich und Faden abkacken ..."
Die anderen schnappen entsetzt nach Luft. Hoseok protestiert.
„Aber nach dem, was da Dienstag Morgen bei 'Begin' passiert ist, auf gar keinen Fall heute! Sonst bist du außer Gefecht für den Rest des Tages und quälst dich noch mit schlechtem Gewissen obendrauf!"Leise meldet sich Yoongi nochmal zu Wort.
„Ich überlege grade, ob es dich eher belastet oder eher erleichtert, jetzt schon zu wissen, dass du heute Abend um 21.tüt Uhr mit diesem Song und deinen Ängsten konfrontiert sein wirst. Das Problem ist: der Song ist einfach viel zu beliebt! Den müssen wir bringen. Du kannst wegbleiben, sogar deine Sexy Öhrchen aufsetzen, wenn du das willst. Dann gibt es aber Fragen und Gerüchte. Oder wie gestern mit den anderen dicht an deiner Seite durchhalten, so gut es geht. Oder uns fällt im Laufe des Tages noch was ein, was es dir erleichtern könnte. Aber eines will ich dir noch zur Beruhigung sagen: Du hast alte Ängste wieder ausgegraben und fühlst dich dem sehr ausgeliefert. Aber du bist nicht so schwer wie ich traumatisiert. Deine Ängste erschrecken dich, aber es ist in dem Sinne kein Kontrollverlust. Und damit wirst du das auch leichter abarbeiten und hinter dir lassen können als ich. Hilft das etwas?"
Jeongguk nickt ihm dankbar zu, kommt aber nicht mehr zum Antworten.Denn in dem Moment geht die Tür auf, und Sung-Deuk streckt seinen Kopf rein.
„Jungs, wo bleibt ihr? Es ist längst Zeit. Und heute soll doch das ganztägige Backstage-Shooting sein."
Wie auf Kommando schütteln alle Sieben den Kopf.
"Auf keinen Fall!"
Und Namjoon ergänzt das etwas ruhiger.
"Für das Leben unter der Lupe ist Guk grade nicht zu brauchen. Und das geht echt vor. Wir kommen sofort runter, aber die Herrschaften dürfen ihre Kameras wieder wegpacken. Ich hoffe mal, dass es dann in Am*dam möglich ist. Oder – wenn sie zur Sicherheit zwei Tage haben wollen – in Berlin. Aber heute definitiv nicht!"...................................................................
3.3.2019 - 8.6.2019 - 2.11.2019
13.4.2020
DU LIEST GERADE
Wake Up (BTS FF)
FanfictionYoongi wuschelt ihm grinsend durch die verschwitzten Haare und lästert:"Klingt, als wärst du hinter mein Geheimnis gekommen, Kleiner. Herzlichen Glückwunsch!" Jimin ist empört! „Eh, ich bin nicht kleiner als du!" Yoongi grinst breit. „Dooooch, bist...