You are everything

Fifty-four

POV Andy

Tja, da saß ich nun. Wütend, enttäuscht, unfähig, meine Gefühle zu sortieren. Ich hatte ihm versprochen, nicht wütend zu werden, aber ich konnte nicht anders. Ich wusste, dass es ihm selber nicht gut ging, aber ich konnte ihm momentan trotzdem nicht in die Augen blicken.

Wie lange ich schon hier draußen auf der Eingangstreppe saß, wusste ich nicht, aber es fühlte sich an wie eine halbe Ewigkeit. Dann beschloss ich die einzige Person anzurufen, die mir jetzt helfen konnte.

„Fowler? Wieso rufst du so spät noch an? Alles okay?" hörte ich die verschlafene Stimme von Michelle am anderen Ende. Ich warf einen Blick auf die Uhr und bekam direkt ein schlechtes Gewissen. 23.38 Uhr.

„Hey Kurze, sorry. Hab ich dich aus dem Bett geklingelt?" fragte ich und ich hörte, wie sie sich streckte.

„Ja, aber ist schon in Ordnung. Wie gesagt, ich bin immer für dich da. Also, was ist los?" fragte sie erneut und ich holte tief Luft, bevor ich ihr ehrlich antwortete.

„Rye wird Vater." Stille. Ich hörte sie nicht mal atmen. „Bist du noch dran?" fragte ich vorsichtig.

„Ja, ähm- ich musste mich gerade beherrschen, nicht mein Handy durch den Raum zu werfen. Ich... weiß nicht, was ich sagen soll, außer, dass er ein VERSCHISSENES DRECKSSCHWEIN IST." ich hielt mein Handy ein Stück weg von meinem Ohr, da sie die letzten Wörter aus voller Kehle gebrüllt hatte.

„Mein Fräulein, wenn du nicht endlich den Mund hältst, zumindest nachts, dann schmeiß ich dich raus! Du wohnst hier nicht alleine!" hörte ich im Hintergrund die Stimme ihrer Mutter und sie schrie ein 'ist mir egal' zurück, bevor sie sich wieder mir zuwandte und ihre Predigt fortsetzte.

„Das darf doch nicht wahr sein. Was erlaubt er sich denn? Wohnt nicht mal Zuhause, sondern in einem Hotel, weil er eine Auszeit braucht, und vögelt sich dann durch halb London oder was? Die arme Frau, die sein Kind austragen muss. Er hat keine Spur von Feingefühl oder Verständnis für andere. So ein Scheißdreck." fluchte sie vor sich hin und ich kicherte leicht.

„Hey, beruhig dich, du Furie." sagte ich ins Handy und sie schnaubte.

„Wie kannst du dabei so ruhig bleiben? Ich hätte ihm direkt eine geknallt. Was ein arroganter Schnösel!" fuhr sie fort.

„Das ist der Unterschied zwischen uns Beiden. Ich habe ihm vorher versprochen, dass ich nicht sauer werde, aber ich musste trotzdem den Raum verlassen, weil ich für nichts garantieren konnte. Aber versprochen ist versprochen." erwiderte ich und seufzte leise.

„In diesem Falle darfst du aber gerne auf das Versprechen scheißen, schließlich hat er seins auch gebrochen." sagte sie und ich runzelte die Stirn.

„Er hat mir nichts versprochen." sagte ich und sie grunzte leise.

„Wie auch immer. Trotzdem verstehe ich nicht, wie du so ruhig sein kannst." wiederholte sie.

„Das liegt daran, dass ich mich schon ausgeheult habe, bevor ich dich angerufen habe. Es geht langsam wieder." sagte ich und lehnte den Kopf an die Hauswand.

„Was hast du jetzt vor?" fragte sie und ich antwortete ehrlich, als ich sagte: „Ich habe keine Ahnung. Ehrlich nicht. Ich weiß, dass er unsere Hilfe braucht, weil er gerade selbst total fertig ist, aber andererseits bin ich mehr als enttäuscht. Ich hätte niemals gedacht, dass er so einer ist.".

Ich hörte, wie sie tief Luft holte und die Luft dann lautstark wieder auspustete.

„Du bist zu gut für diese Welt, Fowler." sagte sie und ich lachte leise.

„Manchmal... aber er ist mein bester Freund. Und wir waren immer füreinander da, egal wie sauer wir aufeinander waren. Und ich will diesmal auch wieder für ihn da sein. Er braucht mich. Und ich liebe ihn. Ich kann ihn nicht einfach im Stich lassen." antwortete ich.

„Es ist deine Entscheidung... wenn du Hilfe brauchst oder Wut rauslassen willst, ruf mich an. Allerdings nächstes Mal vielleicht etwas eher, weil ich in der Woche Schule habe und ab halb 10 im Bett bin." sagte sie und ich nickte.

„Mach ich. Danke, Kurze. Dann schlaf mal gut. Ich melde mich morgen nochmal." verabschiedete ich mich von ihr.

„Okay. Ich hab dich lieb. Und bau keinen Scheiß. Es reicht wenn das einer von euch 5 übernimmt." sagte sie und ich verdrehte die Augen.

„Ich hab dich auch lieb. Bye." sagte ich und ich hörte, wie sie in den Hörer küsste, bevor sie auflegte und ich aufstand, um wieder rein zu gehen.

Bevor ich allerdings zurück in den Raum zu den Anderen ging, machte ich einen Abstecher zur Toilette, in der ich jedoch einen total fertigen Rye vor fand.

Er saß auf dem Boden, den Rücken an die Wand gelehnt, den Kopf auf den Knien und laut am schluchzen.

Ich kniete mich vorsichtig vor ihn und nahm seine Hände in meine. Er schaute kurz auf und ich konnte die Überraschung in seinen Augen sehen.

„Hey Rye. Hör auf zu weinen, dadurch wird es nicht besser. Steh mal auf." sagte ich, doch er schüttelte den Kopf.

„Ich kann nicht aufstehen." flüsterte er und ich glaubte ihm sogar.

„Wir versuchen es trotzdem. Ich helfe dir. Komm." sagte ich und legte einen Arm um ihn, sodass er sich an mir abstützen konnte. Als er aufrecht stand, lehnte er weiterhin an der Wand.

Ich nahm ihn ohne ein weiteres Wort in den Arm und lehnte den Kopf an seine Brust. Dadurch, dass er so viel größer war als ich, konnte er seinen Kopf auf meinem Kopf ablegen.

„Pass auf, Rye. Du weißt sicherlich, dass ich ziemlich enttäuscht von dir bin und ich bin auch sauer auf dich, aber ich bin für dich da, okay? Wir schaffen das zusammen. Wir 5. Wir waren immer füreinander da und ich werde das auch nicht ändern. Du wirst ein toller Vater." versprach ich ihm und er löste sich von mir.

„Du musst das nicht tun. Ich habe riesigen Mist gebaut. Und ich hab es verdient-" widersprach er, doch ich legte meine Hand auf seinen Mund und stoppte ihn somit.

„Ist mir egal. Ich werde dir helfen, basta." sagte ich, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und verließ den kleinen stickigen Raum.

Als ich zurück in den Raum kam, lagen direkt alle Blicke auf mir. Ich lächelte leicht und setzte mich dann neben Mikey auf das Sofa, während Brooklyn und Jack mich weiterhin prüfend ansahen.

„Wisst ihr vielleicht, wann Blair kommt?" fragte ich in die Runde.

„Er war gerade da und meinte, dass er in 5 Minuten kommt und wir dann fahren können. Wo ist Rye eigentlich? Er wollte nur aufs Klo." sagte Jack und schaute zur Tür.

„Ich denke, er kommt sofort. Er brauchte nur einen Moment, hab gerade noch mit ihm gesprochen." antwortete ich und ignorierte die überraschten Blicke der Anderen.

In dem Moment kam der eben genannte rein und setzte sich auf seinen alten Platz neben Brook. Kurz nach ihm folgte Blair, der uns kurz nacheinander anblickte und uns dann mit einer Armbewegung aufforderte, uns zum Auto zu begeben.

Also packten wir unsere Sachen und liefen zusammen zum Auto.

„Blair, können wir uns gleich am Hotel kurz unterhalten?" fragte er und Blair nickte.

Naja, dass es so 'kurz' sein würde, bezweifelte ich.