Twenty-eight

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POV Rye

Um Punkt 16.48 Uhr stand ich wie vereinbart an dem Fenster des Buchladens von Doris. In der einen Hand hielt ich Waldfruchttee, in der anderen, eine Tasche mit einem Fotoalbum. Doris lächelte mich durch die Scheibe freundlich an und ich winkte ihr zu.

Nachdem ich noch ein paar Sekunden dort stand, ging ich rein und schaute verwirrt zu Doris, die zwei Stühle in den Raum trug. Sie stellte sie auf den Fleck, an dem die Sonne auf den Holzboden schien und ließ sich in einen der Beiden sinken.

Hallo Ryan." begrüßte sie mich und deutete auf den Stuhl neben sich. Ich setzte mich und stellte die Tüte neben das Stuhlbein.

Wie geht es dir? Hast du schon geschrieben?" fragte sie und ich nickte.

Ja, ich hab schon 11 Seiten voll. Mir geht es deutlich besser als gestern. Es reinigt die Seele." sagte ich, ohne groß darüber nachzudenken, dass es sich lächerlich anhören könnte.

Das sagen viele. Obwohl ich die Bücher verkaufe, habe ich selbst nie geschrieben. Ich hatte einfach nicht das Bedürfnis danach. Ich habe immer lieber mit Jemandem geredet, sodass später nichts wieder gefunden und gegen mich verwendet werden kann." sie kicherte leise.

Wer sollte sich denn für ein altes Tagebuch interessieren? Also nicht, dass es uninteressant wäre, aber es sucht nicht unbedingt jemand explizit nach deinem Tagebuch, oder?" fragte ich nachdenklich.

Es besteht ja die Möglichkeit, dass ich etwas wusste, was kein Anderer wusste und auch niemand erfahren durfte." sie zwinkerte verschwörerisch.

Also warst du ein Spion?" ich grinste sie an und zog die Augenbrauen hoch.

Nein nein, so spannend war es dann doch nicht. Ich war nur die beste Freundin eines Mädchens, dass unfassbar schüchtern war und es sollte einfach nie Jemand etwas über sie erfahren. Ich war ihre einzige Freundin und sie hat mir alles anvertraut. Und wenn ich sage alles, dann meine ich auch alles. Es gab nichts, was ich nicht von ihr oder über sie wusste. Aber ich habe damals Stillschweigen geschworen und habe es bis heute nicht gebrochen. Bis auf eine Ausnahme. Sie stand auf einen Jungen aus der Klasse unter uns. Michel hieß er. Ich wusste, dass er ganz viele Freundinnen hatte und er immer gemein zu uns Beiden war, solange er bei seinen Freunden war.

Aber ich habe einmal einen Nachmittag mit ihm verbracht. Wir wollten mit ein paar Freunden mit dem Fahrrad ins Freibad fahren. Wir waren 5 Leute, also Michel, ich und drei Andere. Aber alle Anderen waren nur ca. 2 Stunden mit uns da und deshalb waren wir am Ende nur noch zu zweit. Und er war keineswegs unhöflich, oder so ein Macho, wie er in der Schule zu sein schien. Und dann ist er kurz zur Toilette gegangen und sein Portemonnaie lag noch auf dem Handtuch. Ich wollte es in seine Tasche legen, damit es nicht geklaut wird. Und dabei ist mir ein Bild aufgefallen. Es war eines dieser Schulfotos vom Schulfotografen. Aber es war nicht sein eigenes, sondern das meiner besten Freundin.

Ich war nie schüchtern und mir war nichts peinlich, also habe ich ihn darauf angesprochen. Erst wollte er nicht darauf antworten, aber letztendlich hat er geredet. Er mochte sie und er hat gedacht, dass sie nie mit ihm reden würde, weil sie so schüchtern war und weil ich sie vor ihm beschützen würde.

Ich wusste nicht, dass ich so rüber kam, aber ich habe meine Freundin quasi verraten. Ich hab ihm erzählt, dass sie ihn sehr mag und dass ich nichts gegen ihn unternehmen würde, solange sie nicht verletzt wird.

Dann hat er sie angesprochen, als sie alleine an ihrem Spind stand. Ich stand abseits und habe ihm zugewunken und ihn ermutigt. Die Beiden waren 5 Jahre zusammen und dann ist er von den Folgen einer Operation gestorben.

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