Kapitel 3

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Vorsicht: Dieses Kapitel beinhaltet Gewalt!

Es ist etwa 19 Uhr als der erste Alpha eintrifft. Theoretisch ist es so vorgesehen, dass alle in angemessenem Abstand stehen und sich ruhig verhalten, während die Alphas umhergehen. Aber in der Realität funktioniert das natürlich nicht. Kaum kommt der erste Alpha an, stecken fast alle die Köpfe zusammen und tuscheln über ihn. Einige ganz Mutige sprechen ihn sogar an und versuchen, mehr über ihn herauszufinden. Aber er ignoriert sie geflissentlich. So erfahren wir über ihn und die anderen Alphas nur das, was über die Lautsprecher verkündet wird.
Glücklicherweise wird jeder Alpha kurz vorgestellt, mit Namen und Herkunftsort. Letzteres finde ich sogar ziemlich spannend. Da meine Familie mit sehr bescheidenen Mitteln lebt, habe ich Idaho bisher noch nie verlassen. Aber ich würde gerne mal reisen und mehr von der Welt sehen. Daher höre ich gebannt zu, woher die Alphas heute alle kommen. Und die Auswahl ist groß! Einige kommen aus Kanada, Argentinien, Frankreich, Südafrika oder auch Israel. Buchstäblich aus der ganzen Welt.

Die erste Dreiviertelstunde passiert, zumindest was unsere Fünfergruppe betrifft, nichts besonderes. Aber dann tut sich was. Ein junger Alpha, etwa in  meinem Alter (also Anfang 20) kommt auf uns zu und geht direkt zu Mike. Dieser macht große Augen. Die beiden starren sich ein paar Sekunden lang an. Dann beginnt Mike, glücklich zu strahlen und fällt seinem neugefundenen Mate freudig um den Hals. Dieser ist zuerst etwas überrascht, lächelt dann aber und erwiedert die Umarmung. Die beiden sind ein süßes Paar, finde ich sofort. Der Alpha hat dunkle Haare und leicht gebräunte Haut, ist gut gebaut und etwa einen halben Kopf größer als Mike. Und Mike bildet, mit seinen roten Haaren und seiner schlanken Figur neben seinem Mate einen Kontrast, der angenehm ins Auge fällt. Außerdem lächeln die beiden so glücklich!

Und da sind sie nicht die Einzigen. Zwar werden viele Alphas enttäuscht und finden ihre Mates nicht, aber die, die fündig werden, feiern ihren Erfolg in vollen Zügen. Und Mike ist nicht der einzige Ausgewählte. Weniger als zehn Minuten nachdem Mikes Mate ihn gefunden hat, kommt ein weiterer Alpha zu uns und erkennt Miranda als seine Mate. Sie ist genauso begeistert wie Mike. Okay, ich persönlich finde, dass Mikes Mate sehr freundlich wirkt und Mirandas Mate eher arrogant und irgendwie besitzergreifend. Aber er ist ja auch nicht mein Mate. Und wenn sie glücklich ist... bitteschön.

Und dann passiert es. Als Mirandas Mate sie gefunden hat, war Jacob gerade auf der Toilette. Gerade kommt  er wieder zurück. Mirandas Mate, Jack heißt er, ruft gerade seinen besten Freund zu sich, um ihm seine Mate vorzustellen. Miranda rennt Jacob entgegen um ihm die frohe Botschaft zu verkünden. Er hört sie sich an, gratuliert ihr und umarmt sie anschließend. Zumindest bin ich mir ziemlich sicher, dass ihr Gespräch so verlaufen ist, weil, ist ja irgendwie selbsterklärend. Allerdings befinden sich die beiden außerhalb meiner Hörweite, weil Miranda ja zu Jacob hingerannt ist. Daher sehe ich nur die Lippenbewegungen, das Lächeln  und die darauf folgende Umarmung.

Dann passiert alles sehr schnell. Jack, dessen Kumpel mittlerweile bei ihm angekommen ist, dreht sich um und sucht mit den Augen nach seiner Mate. Und er findet sie. In Jacobs Armen. Ich sehe, wie er bei dem Anblick von einer Sekunde zur nächsten rasend wütend wird. Ich habe gerade noch genug Zeit, um zu verstehen, dass er die Situation falsch interpretieren könnte und mache luftholend einen Schritt auf ihn zu, um ihm zu erklären, dass Miranda und Jacob nur Freunde sind, da ist es auch schon zu spät. Binnen weniger Augenblicke hat Jack den Abstand zwischen Jacob und Miranda und sich überwunden und trennt die beiden. Dann packt er Jacob am Kragen und schreit ihn an. "WAS FÄLLT DIR EIN SIE ANZUFASSEN, DU VERDAMMTES SCHWEIN! SIE GEHÖRT MIR!!"
Er schüttelt Jacob dabei. Jade, Mike und ich haben uns vom ersten Schock erholt und versuchen, ihn von Jacob wegzuziehen. Aber es klappt nicht. Jack ist zu stark. Er stößt uns von sich, scheinbar ohne uns überhaupt wahrzunehmen. Er ist rasend vor  Eifersucht und hat komplett die Kontrolle verloren. Völlig in Rage, schlägt er Jacobs Kopf mehrmals so heftig wie möglich gegen den Baum, der neben uns steht. Als er ihn danach fallen lässt, ist Jacob tot.

Alle sind einen Moment lang geschockt und starren tonlos auf die Szene. Dann fängt Miranda an zu kreischen und zu weinen. Sie stürzt zu Jacob und bricht damit die Schockstarre. Betroffenes Getuschel setzt ein. Jade, Mike und ich gehen ebenfalls rüber. Sanft nehme ich Jacobs Hände und falte sie über seinem Bauch zusammen. Mir laufen Tränen das Gesicht runter, auch wenn ich nicht so sehr weinen muss wie Miranda und Mike. Ich kannte ihn einfach kaum und wir mochten einander auch nicht besonders.

Jack hat Miranda von uns weggezogen und sie zur Rede gestellt. Sie erklärt ihm zitternd, dass Jacob ihr bester Freund war.

Der Alpha unseres Rudels kommt durch die Menge und besieht sich das Disaster. Nach einigen Sekunden des Nachdenkens befiehlt er seinen Angestellten, Jacobs Leiche fortzubringen. Dann hebt er die Hände und bittet alle, sich zu beruhigen. Es habe einen Unfall gegeben, um den er sich kümmern würde, die Feier könne weitergehen. Ich wende mich zu Jack.

Unser Alpha redet tatsächlich mit Jack, hört sich dessen Erklärung an. Als Jack geendet hat, nickt unser Alpha verständnisvoll und geht wieder. Ich weiß, was das heißt. Keine Strafe! Der Kerl hat gerade jemanden getötet! Und trotzdem scheint niemand darüber erzürnt zu sein. Miranda und Mike weinen gemeinsam und Jade steht traurig daneben, aber sie trauern nur um Jacob und kümmern sich nicht um seinen Mörder.

Die Sache wurde als Unfall abgestempelt und vergessen.

Es gibt nur eine Person, die gerade richtig wütend wird.

Eine Person, der es nicht egal ist, wenn jemand mit so etwas davonkommt.

Und das bin ich.

Die LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt