Die Luna

Kapitel 4

Miranda weint. Sie hat ihren Kopf in Mikes Schulter vergraben und schluchzt hemmungslos. Mike hat einen Arm um sie gelegt und weint auch. Jade und Mikes Mate, Luís, stehen bei ihnen und versuchen, sie zu trösten. Keiner von ihnen kümmert sich um Jack.

Dieser wiederum steht ein paar Schritte entfernt von ihnen und unterhält sich mit seinem besten Freund, als wäre nichts passiert. Ich schaue ein paar Mal zwischen den beiden Gruppen hin und her. Dann balle ich meine Fäuste und gehe, sehr wütend, auf Jack zu.

Er bemerkt mich, als ich zu ihm komme. Sobald ich direkt vor ihm stehe, stämme ich meine Fäuste in die Hüfte und blaffe ihn an: "DU KRANKES, BESCHEUERTES ARSCHLOCH!!! WIE KONNTEST DU ES WAGEN, IHN EINFACH UMZUBRINGEN! Du hast deine Mate gerade mal VOR ZEHN MINUTEN GEFUNDEN! Und da ermordest du gleich mal, so nebenbei, ihren BESTEN FREUND?!? Ich habe keine Ahnung, wer dir gesagt hat, die Freunde deiner Mate zu töten, würde einen guten Eindruck auf sie machen, ABER DERJENIGE HAT DICH ANGELOGEN!!!!"

Jack sieht mich völlig perplex an. Er hatte offenbar nicht im Traum damit gerechnet, dass jemand auf die Idee kommen könnte, ihm direkt hier, wegen irgendeinem nebensächlichen Menschen, eine Szene macht.

Und er ist nicht der einzige, der so denkt. Um uns herum ist es mucksmäuschenstill geworden. Alle starren mich fassungslos an. Sogar Miranda und Mike haben aufgehört zu heulen und machen große Augen. In Jades Gesicht kann ich auch Sorge ablesen. Sie kennt mich gut. Daher weiß sie, dass ich noch nicht fertig bin. Und dass die Sache vermutlich nicht gut für mich enden wird. Aber mich aufhalten kann sie auch nicht. Denn sie weiß genauso gut wie ich: Ich habe mit meinen Anschuldigungen - mal wieder - Recht.

Jacks Gesicht verdunkelt sich. Er kommt einen Schritt auf mich zu und spricht, leise und bedrohlich:"Der Kerl, von dem du redest, hat meine Mate angefasst.", an dieser Stelle hält Jack kurz inne um gefährlich nahe an mich heran zu treten und von oben auf mich herab zu starren. Als er weiterspricht ist seine Stimme nur noch ein Flüstern. "Niemand. Ich wiederhole, niemand rührt meine Mate an und kommt damit ungestraft davon. Sie gehört nur mir! Und du hälst jetzt sofort die Klappe, sonst kannst du was erleben!". Er betont jedes Wort und funkelt mich aus seinen grünen Augen wütend an.

Trotzig recke ich mein Kinn nach vorne. Er hat kein Recht dazu, mich zu verletzen für meine Worte. Nicht nach dem, was er getan hat!
"Ach, ist das etwa deine Art, Probleme zu lösen? Verprügelst oder ermordest du die Leute dann immer? Wie charmant! Ich bin mir sicher, Miranda wird dir nicht widerstehen können.", sage ich höhnisch. Dann werde ich wieder ernst und funkele ihn wütend zurück an. "Ganz ehrlich? Du bist ein riesiger Scheißkerl! Wenn du mein Mate wärst, dürftest du noch nicht mal meine Tasche tragen, geschweige denn in die Nähe meiner Freunde kommen!" zische ich ihn an. "Merry!" gibt Miranda neben mir erschrocken von sich.

"Hey! Was geht hier vor?" ertönt plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich drehe mich um und sehe unseren Alpha, der unseren Streit wohl mitbekommen hat und jetzt kommt um nach dem Rechten zu sehen. Ich sehe ihm stur ins Gesicht. "Wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist, hat dieser bekloppte Typ hier gerade meinen Kumpel ermordet. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde das nicht in Ordnung! Deswegen habe ich ihn zur Rede gestellt." beantworte ich seine Frage.

Unser Alpha wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu. "Ich hatte doch bereits gesagt, dass ich mich darum kümmere. Der Tod deines Freundes war ein Unfall. Wenn ein Alpha seine Mate findet, ist er danach für einige Zeit sehr anfällig für .." er sucht einen Moment nach den richtigen Worten.
"Eifersuchtsgesteuerte Tobsuchtanfälle?" schlage ich vor. Und ernte dafür wütende Blicke, sowohl von unserem Alpha, als auch von Jack.

"Wie dem auch sei, jedenfalls ist es einem Alpha in so einer Situation nicht immer möglich, sich zu beherrschen. Solche Unfälle passieren also manchmal. Aber du, wie kommst du darauf, dich in Dinge einzumischen, von denen du keine Ahnung hast. Außerdem ist Alpha Jack unser Gast. Ich schätze es nicht, wenn man meine Gäste beleidigt. Du entschuldigst dich sofort. Und wenn du das nicht tust, kriegst du für drei Tage Aufenthaltsverbot an der Universität." meldet sich unser Alpha wieder zu Wort. Er hat also doch noch ein Machtwort gesprochen. Dumm nur, dass die Betroffene nicht der Mörder, sondern die Protestierende ist. Und dabei finde ich immernoch, dass ich Recht habe.

Ich überlege eine Sekunde. Dann weiß ich, was ich tun werde. Ich wende mich zuerst zu unserem Alpha und sage respektvoll: "Okay, ich werde mich entschuldigen.".
Dann wende ich mich Jack zu, der mit spöttisch erhobener Augenbraue auf meine Entschuldigung wartet. Ich hole tief Luft.

"Es tut mir leid, dass du so ein Scheißkerl bist und deine Eifersuchtskomplexe nicht kontrollieren kannst."

Und nach diesen Worten verpasse ich ihm noch eine Schelle ins Gesicht, drehe mich um und gehe.