Ashley steht im Türrahmen zwischen Flur und Wohnzimmer und sieht mich fragend an. Ich bin aber leider gerade ein bisschen zu verdattert um zu antworten.Und da bin ich nicht die Einzige.
"Ashley? Was machst du denn hier? Ich dachte, du wolltest heute zum Golfclub. Verstehe mich nicht falsch, ich freue mich natürlich, dass du uns besuchen kommst, aber normalerweise kündigst du deine Besuche doch an?" sagt Geoffrey überrascht."Grandma hat mir eine SMS geschrieben, dass ich bitte herkommen soll." antwortet Ashley ihrem Großvater.
Jetzt drehen sowohl Geoffrey als auch ich unsere Köpfe zu Pamela. Diese schenkt uns ein schelmisches Lächeln. Ich muss grinsen. Die Frau ist der Hammer!"Ich rede gerade mit deinen Großeltern über dich und Eve." antworte ich der immernoch im Türrahmen stehenden Ashley. Diese reißt kurz die Augen auf; aber der Ausdruck des Erstaunens weicht schnell einem Ausdruck großem Kummer.
"Wenn du findest, dass wir nicht zusammen gehören, dann musst du das nicht extra sagen. Das haben mir meine Eltern schon klar genug zu verstehen gegeben." sagt sie bedrückt.Entschlossen stehe ich auf und gehe auf sie zu. "Das wäre so ziemlich das Letzte was ich sagen würde! Nein, Ashley! Ich finde, wenn zwei Mates sich finden und zusammen sein wollen, dann sollten sie das verdammt nochmal auch dürfen! Tatsächlich glaube ich, das Recht dazu, mit dem oder der Mate zusammen sein zu können, ist sogar ein fester Bestandteil der ungeschriebenen Werwolfregeln. Als Luna halte ich es für meine Pflicht, dafür zu sorgen, das dieses Recht auch gegeben ist! Außerdem ist Eve eine Freundin von mir und diese Misere zwischen euch schadet euch beiden!" stelle ich meine Position klar.
Ashley sieht mir einen Moment in die Augen. Dann seufzt sie und kommt ins Wohnzimmer. Sie setzt sich auf einen der Sessel und wendet sich an mich. "Ich weiß deine Bemühungen zu schätzen, Luna. Wirklich. Und vielleicht werden meine Eltern irgendwann etwas nachsichtiger werden. Zumindest hoffe ich das fest. Aber ich bin mir sehr sicher, dass es bis dahin noch Jahre dauern wird. Viele Jahre." sagt sie schließlich.
Ich bin baff. "Du willst also einfach dasitzen und hoffen, dass sich das Problem in zehn oder zwanzig Jahren von alleine löst? Wenn deine Eltern dann plötzlich keine Lust mehr haben, dich unglücklich zu sehen?"
Ich merke, dass meine Stimme ungläubig und vorwurfsvoll klingt. Möglicherweise ist die Anklagenummer aber keine gute Taktik, denke ich mir.Mit größter Mühe bremse ich mich und sage, etwas versöhnlicher: "Ich verstehe es, wenn du denkst, dass es schwierig sein würde, aber ich denke, deine Methode könnte genauso gut nach hinten losgehen. Wenn deine Eltern jetzt ihren Willen kriegen und über die nächsten Jahre hinweg eine Familie genau nach ihrem Geschmack haben, werden sie vielleicht immer unwilliger werden, das zu ändern, je länger es nach ihnen geht."
"Da könntest du Recht haben, Mercedes. Aber das macht die Möglichkeit, dass sie ihre Meinung ändern leider auch nicht wahrscheinlicher." meint Geoffrey, der es irgendwie schafft, immernoch ruhig und freundlich zu sein.
Frustriert lasse ich mich zurück auf das Sofa sinken. "Möchtest du vielleicht wenigstens mit mir mitkommen und versuchen auf sie einzureden?"
***
"Was ein Feigling!!" grummele ich wenig später. Auf dem Weg zu Ashleys Eltern. Ohne Ashley. Sie meinte, im Grunde würde sie gerne, aber es sei sinnlos und sie wolle es sich gerade nicht unnötig mit ihren Eltern vergrätzen. So etwas Feiges aber auch! Aber gut, dann gehe ich eben allein!
Als ich bei Ashleys Eltern anklopfe, wird die Tür fast augenblicklich geöffnet. Vor mir steht ein arrogant wirkender Mann Anfang 40, der mir ohne großes Interesse ins Gesicht sieht. Er sagt kein Wort, kein Gruß, nichts.
"Hi. Ich bin Mercedes Taylor, die Luna. Ich würde gerne mit ihnen über ihre Tochter Ashley und deren Mate, Evangeline, reden. Habe nämlich festgestellt, dass dieses Nicht-zusammen-sein-dürfen den beiden nicht bekommt." sage ich möglichst bestimmt.
Leider sieht Don Houston das offenbar anders. Er lacht nur kurz und humorlos auf. Dann erwidert er verächtlich: "So ein Unsinn! Meine Familie ist eine gute, katholische Familie. Lesben, Schwule und so haben bei uns nichts verloren! Und eine Frau braucht einen anständigen Mann an ihrer Seite! So ist das schon immer gewesen. Meine Tochter hat sich an diese Tradition zu halten! Und wenn sie wieder die Widerspenstige spielen will, kann sie gerne zurück ins Kloster. Vielleicht findet sie da endlich mal einen passenden Mann." Er hält kurz inne. Dann tritt er einen Schritt nach vorne und bleibt dicht vor mir stehen. Seine nächsten Worte sind noch kälter als die davor. "Und du! Ich finde es zwar unpassend, dass ein Mensch Luna sein sollte, aber gut, ich akzeptiere es. Das heißt aber nicht, dass du dich in meine Familienangelegenheiten einmischen kannst! Steck deine vorlaute Nase gefälligst nicht in Dinge, die dich nichts angehen."
Damit schlägt er mir die Tür vor der Nase zu.Arschloch!
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Die Luna
WerwolfAls Mensch inmitten eines Werwolfsrudels hat man es wirklich nicht leicht. Aber ich komme damit klar. Und das werde ich auch in Zukunft. Zumindest hatte ich das geplant. Und außerdem noch echt gut durchdacht! Aber dann hat einer dieser Wölfe festges...