Kapitel 63

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Mit einer geistigen Schimpftirade an Jamie lege ich den Hörer wieder auf. Der alte Säufer ist eben nicht in die Klinik gegangen! Vermutlich denkt er, ich würde ihn ja doch nicht zwingen. Tja, dann wird es wohl Zeit ihm zu zeigen, was eine Harke ist!

Heute morgen konnte ich mich nur mit größter Mühe davon abhalten, laut loszujubeln und Ashley und Eve um den Hals zu fallen. Aber ich habe es geschafft! Die beiden hatten niemandem von ihrer Verlobung erzählt, aber Blake ist mit dem örtlichen Juwelier befreundet und hatte von ihm erfahren, dass Ashley einen Ring für Eve gekauft hatte. Durch ein Gespräch mit ihr erfuhr er auch über ihren Plan mit dem Antrag beim Frühstück in ihrem Lieblingshotel. Allerdings musste er versprechen, es niemandem zu sagen, nicht einmal mir. Und er hatte ja auch nichts gesagt! Er hatte mich nur um 7 Uhr am Sonntag aus dem Bett gezogen und zum Hotel gebracht, damit ich es selbst sehen konnte.

Lange Rede, kurzer Sinn: da Ashley und Eve noch denken, dass niemand von ihrer Verlobung weiß, können Julia, Jade, die Jungs und ich heimlich eine Verlobungsparty für sie organisieren. Die wird morgen stattfinden.

Aber vorher muss ich mich um den örtlichen Säufer kümmern!
Ich fahre mit Blakes Auto bis zu dem Haus, in dem Jamie wohnt. Es ist das Haus seines Bruders. Jamie war im Grunde nie nüchtern genug um sich eine eigene Bleibe zu besorgen. Dort angekommen steige ich aus, gehe zur Haustür und klingele mehrmals. Ein junger Mann, etwa 30, öffnet mir. Das muss Jared sein, Jamies Bruder. Als er mich sieht, seufzt er und tritt beiseite. Ich gehe ins Haus. Wortlos führt Jared mich zu Jamie. Letzterer sieht furchtbar aus! Seine blonden Haare hängen ihm wirr im Gesicht, seine eisblauen Augen sind blutunterlaufen und seine Haut wirkt irgendwie fahl. Er sieht mich träge an.

"Hab mich gegen den Entzugsknast entschieden, Luna. Kann man nichts machen." sagt er, halb lallend.

Ich sage nichts. Stattdessen nehme ich wortlos sein linkes Ohr zwischen den Zeigefinger und den Daumen meiner rechten Hand und ziehe. "Au!" protestiert Jamie. Ich ignoriere ihn und zerre ihn hinter mir her.

"Luna, was machen Sie da?" fragt Jared halb entsetzt.
Ich drehe mich kurz zu ihm um ihm zu antworten. "Ich hatte ihm gestern gesagt, dass ich ihn persönlich an den Ohren zur Klinik zerren werde, wenn er nicht selbst hingeht. Wenn er mir das nicht geglaubt hat, dann ist das ja wohl nicht mein Problem."

Als wir fast bei Blakes Auto angekommen sind, jault Jamie: "Lass mich los! Bei Gott, jetzt sei doch nicht so! Sehe ich aus wie jemand, der in eine Klinik will?"

"Sehe ich aus wie jemand, den das interessiert?" antworte ich knapp. Als wir beim Auto angekommen sind, lasse ich ihn los und sehe ihn an.
"Aber gut, eine Chance kriegst du noch. Wenn du es schaffst, mir hier und jetzt zu erklären, wieso du die Klinik nicht nötig hast, ohne dabei zu schwanken oder zu lallen, kannst du hier bleiben." sage ich.

"Okay." sagt Jamie schwankend. Und besigelt damit sein Schicksal bevor die Erklärung überhaupt angefangen hat.
Als er gerade Luft holt zum reden, deute ich schon ins Auto und sage: "Sorry, Jamie, aber du schwankst jetzt schon und bist damit durchgefallen! Ab ins Auto mit dir! Oder muss ich dich auch dahin noch an den Ohren ziehen?" sage ich entschlossen.

Nach einigem Gejammer, welches mir endgültig den Eindruck vermittelt, gerade mit einem verwöhnten Kleinkind zum Arzt zu gehen, sitzt Jamie endlich auf dem Beifahrersitz und ich bringe ihn in die Klinik.
Ich bitte den Doktor dort, mich über Jamies Zustand auf dem Laufenden zu halten. Dann drehe ich eine Runde durch sämtliche Bars und Geschäfte der Stadt und bitte die Verkäufer dort, Jamie keinen Alkohol mehr zu verkaufen, wenn er zurück kommt. Die meisten erklären sich sofort damit einverstanden.

So weit, so gut. Jetzt muss ich nur noch das Abendessen mit Johanna und Russell hinter mich bringen. Gedanklich habe ich mich schon dafür gewappnet als sie klingeln. Ich öffne ihnen die Tür.

Sowohl Johanna als auch Russell bemühen sich während der ersten paar Minuten, zivilisiert zu bleiben und keinen Ärger zu verursachen. Ich bemühe mich genauso. Und Blake lenkt das Thema der Unterhaltung auf seine Kindheit. Das ist eine sichere Zone über die man ruhig reden kann. Dann erzähle  ich ein bisschen über meine Kindheit. Das ist bestimmt auch sicheres Gelände, denke ich. Bis ich erzähle, wie mein Vater mir beigebracht hat Autoreifen zu wechseln. An diesem Punkt lacht Russell kurz und sagt dann: "Dass ein Mädchen so eine Arbeit gelernt hat! Das ist in meiner Familie noch nie passiert! Bei uns kümmern die Männer sich um die Arbeit im Freien und in der Garage. Die Frauen bleiben im Haus. So, wie sich das gehört! Und wo wir gerade dabei sind: Mercedes, wann wirst du denn nun endlich dein Studium abbrechen, damit du hier  bleiben kannst und dich um das Haus und die Kinder zu kümmern?"

Ich wurde schon oft als Hitzkopf bezeichnet. Aber diesmal war das folgende Disaster doch mal wirklich nicht meine Schuld!

Die LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt