Kapitel 29

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In Situationen wie dieser ist Nachdenken bevor ich handele nicht unbedingt meine Stärke. Ich stämme die Fäuste in die Hüften und strecke die Brust raus. Dabei fixiere ich Ryan mit zusammengekniffenen Augen. "Hör mal zu, Kleiner! Bisher hast du meine Existenz in diesem Rudel gekonnt ignoriert! Wenn du das hier kannst, kannst du das auch in der Uni! Außerdem ist eine Luna dazu da, um Streit zu schlichten und sich um Welpen zu kümmern, wenn es nötig ist. Dass du noch ein Welpe bist, scheint mental gesehen zwar völlig zu stimmen, ist aber auf realistischer Ebene nicht mehr gültig!"
An dieser Stelle höre ich Philipp und Tom kichern, während Christopher versucht, sich ein Grinsen zu verkneifen. Ich ignoriere sie vorübergehend, da ich noch nicht fertig mit Ryan bin.

"Was ich hier zu sagen versuche: um eine gute Luna zu sein, ist es wichtig, dass man fair ist und mit Kindern auskommt! Ob man außerdem auch noch eine Faible dafür entwickelt hat, den Mond anzujaulen, spielt überhaupt keine Rolle!
Davon abgesehen wirst du wahrscheinlich sowieso nicht viel mit mir zu tun haben. Es ist total bescheuert, dass du trotzdem so jammerst! Ernsthaft! Krieg dich mal wieder ein, du Riesenbaby!!" beende ich meine Tirade schnippisch. Ryan ist sichtlich wütend. Und seine Freunde wirken mittlerweile irgendwie auch nicht mehr belustigt. Philipp sieht mich vorwurfsvoll an und sagt: "Den Mond anjaulen? Das war gemein von dir. Wenn du was gegen Werwölfe hast, solltest du nicht unsere Luna werden.". Er wirkt beleidigt. Was ich gut verstehen kann. Deshalb versuche ich, es ihm zu erklären.

"Ich habe nichts gegen Werwölfe, Philipp! Ich habe nur ein Problem damit, wenn jemand sich selbst für was Besseres hält, weil er ein Werwolf ist! Und ich finde es uncool, wenn dieser jemand sich dann abfällig über mich äußert, weil ich ein Mensch bin. Daher habe ich es mir in meinem alten Rudel zur Gewohnheit gemacht, denjenigen dann genauso zu behandeln! Ich meine: wieso ist es okay, wenn sich ein Werwolf darüber lustig macht, dass ein Mensch kein Pferd stämmen kann, wenn es doch angeblich nicht okay ist, wenn ein Mensch über einen Werwolf behauptet, er würde den Mond anjaulen?"

Philipp und die Anderen sehen sich ein paar Sekunden lang an. Dann sagt Christopher: "Das ist, ehrlich gesagt, ein guter Punkt. Ich vermute zwar, dass du deshalb in deinem ehemaligen Rudel oft Ärger gekriegt hast, aber deine Einstellung klingt, als sei sie in Ordnung.". Philipp und Tom nicken. Ich lächele sie erleichtert an.

"Sagt mal, spinnt ihr?" meldet sich jetzt wieder ein immernoch wütender Ryan zu Wort. Aber Aidan, der bisher geschwiegen hat, kommt ihm zu Hilfe. "Ihre Einstellung ist doch scheißegal! Sie ist ein Mensch! Vielleicht können wir sie nicht davon abhalten, die Luna zu sein, aber niemand kann uns dazu zwingen, sie zu akzeptieren.". Er kommt näher zu mir hin und sagt mit leiser, kalter Stimme: "Verpiss dich lieber von hier! Du gehörst hier nicht hin! Du bist keine von uns! Und wir werden dich niemals akzeptieren!". Während er das sagt, sieht er mir ununterbrochen mit seinen hellblauen Augen in meine. Ich halte seinem Blick stand.

"Was ist hier los?" höre ich plötzlich eine bekannte Stimme von links. Wir drehen uns alle in die Richtung, aus der die Stimme kam und sehen uns ihrem Besitzer gegenüber: Blake!
Die Jungs werden sofort unruhig. Christopher versucht schnell, die Sache weg zu kehren. "Das hier ist wirklich nicht der Rede wert, Alpha! Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit, nichts Größeres!". Blake zieht die Augenbrauen hoch. Er glaubt ihm offensichtlich nicht. Philipp tritt nervös vor und will auch etwas sagen, aber diesmal komme ich ihm zuvor.

"Es ist sehr nett von dir, dass du dich sorgst, Blake. Aber ich fürchte, hierzu kannst du nicht viel sagen. Es sei denn, du kannst mir ein absolut logisches und allumfassendes Spitzenargument dafür geben, warum Geschichte das beste Studienfach von allen ist. Darüber haben wir nämlich gerade debattiert." sage ich. Egal, wie ekelig Ryan zu mir ist, petzen mache ich nicht!
Blake kommt auf mich zu und legt mir eine Hand auf die Wange. Dabei schüttelt er bedauernd lächelnd den Kopf. "Meine liebe, süße Mercedes, es ist wirklich edel von dir, dass du dich für diese Jungs einsetzt. Leider bist du meine Mate; und das bedeutet, ich merke es, wenn du lügst." Jetzt wird seine Miene ernst, beinahe drohend. "Ich verstehe, dass du diese Jungs nicht in Schwierigkeiten bringen willst, aber ich mag es nicht, wenn man mich anlügt. Also frage ich nochmal: was ist hier los?"

Ich seufze. Gut, dann eben keine Ausreden. Aber das heißt nicht, dass ich ihm alles sagen muss! Also sage ich: "Es stimmt, was Christopher gesagt hat. Wir haben eine Meinungsverschiedenheit. Aber die werden wir unter uns regeln! Wenn ich dir sagen würde, was genau passiert ist, wäre das gegen die Regeln! Und wenn du dich einmischen würdest und jemandem befehlen würdest, sich zu benehmen, würden sie nach wie vor nur dich respektieren. Ich wäre dadurch nur noch dein Schatten. Das kommt für eine Luna nicht infrage. Ich kann meine Meinungsverschiedenheiten auch selber klären, ohne dass mir jemand die Hand hält.
Ich könnte dir sagen, was los ist, aber ich werde es nicht."

Okay Leute, ich bin neugierig: was haltet ihr von Merrys Einstellung? Und was denkt ihr von den Jungs? Über Bemerkungen und sonstige Kommentare würde ich mich jederzeit freuen. :)

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