Kapitel 34

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Eins muss man diesen reichen Spießern vom Silvermen-Rudel ja lassen: sie haben verdammt geilen Kuchen! Ich sitze an einem der zwei großen Tische, die im Raum stehen. Neben mir sitzt Blake, uns gegenüber sitzen Geoffrey und seine Frau. Und neben besagter Frau sitzt Elena! Die ist, wie ich gerade erfahren habe, Geoffreys Nichte. Die anderen Leute am Tisch kenne ich alle nicht. Ich habe mich zuerst ein paar Minuten lang bemüht, mich an der Konversation zu beteiligen. Aber alle um mich herum reden nur über Leute, die ich nicht kenne, Traditionen, die ich scheisse finde und Golf. Also konzentriere ich mich mittlerweile fast nur noch auf meinen Kuchen.

Mit seinen alten, hellen Holzbalken und der ansonsten modernen, weißen Einrichtung ist der Saal im Golfclub eigentlich klasse. Nur leider ist die versammelte Gesellschaft gerade langweilig und, wie schon erwähnt, spießig. Naja, irgendwann wird auch dieser Nachmittag vorbei sein.

Blake stupst mich von der Seite an. Ich sehe zu ihm. Er deutet mit seinem Kopf wortlos auf einen Mann, der uns schräg gegenüber sitzt. Ich schätze selbigen auf Mitte 40. Er sieht mich erwartungsvoll an.
Fuck! Vermutlich hat er mir gerade eine Frage gestellt und ich war mit meinem Kuchen beschäftigt. Sehr blöde Situation!
Aber es hilft ja nichts. "Tut mir leid, ich habe Sie nicht richtig verstanden. Könnten Sie das bitte noch einmal wiederholen?" sage ich also höflich.

Der Mann schnaubt belustigt. "Ich sagte gerade, dass es mich wundert, dass du nicht nach den ersten paar Tagen gleich wieder zurück nach Hause gegangen bist. Es ist doch offensichtlich, dass du es wohl kaum schaffen wirst, eine passable Luna für das Rudel zu sein. Also warum bist du noch hier?" seine Worte klingen herablassend. Im ersten Augenblick verspüre ich das Bedürfnis ihm eine Szene zu machen, aber blöderweise hatte ich Dad ja versprochen, vorsichtig zu sein. Und Blake würde ich damit weiter in Verzweiflung treiben. Also entscheide ich mich stattdessen für die Ironie-Tour.

"Nach ein paar Tagen wieder abzuhauen war tatsächlich der ursprüngliche Plan." beginne ich meine Erläuterung entspannt.

"Moment, wie bitte?"
Das kam von Blake. Ich beachte ihn nicht und fahre fort: "Aber dann habe ich meinen Plan geändert. Weil ich es hier schön finde. Ach ja, und der hier", dabei zeige ich auf Blake, "ist auch gar nicht mal so übel, wie ich festgestellt habe. Außerdem war ich davor noch nie irgendwo außerhalb Idaho. Da bin ich ja geradezu zur Neugierde verpflichtet.". Ich weiß ja nicht, wie der Typ vor mir das sieht, aber ich finde meine Begründung hier zu bleiben absolut einleuchtend und plausibel.
Seltsamerweise scheint der Typ das anders zu sehen. "Du siehst das hier also nur als... Urlaub?" fragt er jetzt, in ärgerlichem Tonfall.

Gott, dass Leute wie er immer so verstockt sein müssen... lästig. Aber naja, lässt sich nicht ändern. Sagen wir ihm doch erstmal, was wir denken.
"Wenn Sie damit andeuten wollen, ich würde die Verantwortung, die mit dem Posten der Luna einhergehen, nicht ernst nehmen, dann irren Sie sich. Ich meine, ja, am Anfang war es schwer, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Gerade noch Studentin und dann plötzlich Mate. Aber die gute Nachricht ist: da ich der Luna in meinem ehemaligen Rudel bei oft bei der Arbeit zugesehen habe, weiß ich schon mal ganz genau, wie man das auf jeden Fall nicht machen darf. Das ist doch schon mal ein Anfang, stimmt's?"

Der Typ mir gegenüber schüttelt leicht den Kopf und wendet sich dann wieder an seine Sitznachbarin.
Ich wiederum wende mich an Blake, der, wie ich gerade feststelle, ebenfalls leicht den Kopf schüttelt. Allerdings hat er dabei ein Lächeln auf den Lippen. Oder nein, doch eher ein Schmunzeln. Er wird jedoch schnell wieder ernst und sieht mich mit unergründlichem Gesichtsausdruck an.

"Hast du wirklich vorgehabt, sofort wieder zu verschwinden?" fragt er mich. Ich nehme seine Hand.
"Ganz am Anfang, ja. Ich meine, ich kannte dich nicht, ich bin noch nie zuvor hier gewesen und ich sollte vom einen Tag auf den anderen plötzlich die hiesige Luna werden. Das ist schon eine Menge, weißt du?"

Meine Erklärung scheint ihm zu genügen. Er drückt meine Hand.
"Ja, das verstehe ich." Er macht eine kurze Pause, dann fährt er fort: "Entschuldige mich einen Moment, ich bin gleich wieder da.".
Er steht auf und geht.

"Also, ich finde es ja immer noch schwer zu glauben, dass eine wie sie unsere Luna wird. Ich meine, seht sie euch doch mal an." Diese Worte kamen von einer Frau, die ich auf Anfang 20 schätze und welche in der Nähe von Elena sitzt. Ich wende mich zu ihr.

"Wenn du ein Problem mit mir hast, dann sag es mir bitte ins Gesicht und rede nicht hinter meinem Rücken über mich." sage ich zu ihr. Sie erwidert meinen Blick, unbeeindruckt.

"Den Gefallen kann ich dir tun. Du hast offenbar keine Ahnung. Weder von Werwölfen noch von uns. Das, was du über Benehmen in der höheren Gesellschaft weißt, ist bestenfalls dürftig. Mir ist es egal, ob du die Mate vom Alpha bist. Elena sollte unsere neue Luna werden."

Ich lächle verbindlich. "Das klingt nach einer guten und löblichen Idee." sage ich. Sie sieht mich aus zusammengekniffenen Augen misstrauisch an. Unbeirrt fahre ich fort: "Warum erzählst du Blake nicht davon wenn er zurück kommt? Da er der Alpha ist, ist das schließlich seine Entscheidung. Ich bin mir sicher, er wird sich sehr über deinen Vorschlag freuen."

Sie kneift die Lippen zusammen. Sieht so aus, als würde sie einen ordentlichen Streit haben wollen.

Und ich hatte schon befürchtet, der Nachmittag könnte zu langweilig werden.

Die LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt