Kapitel 20

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Blake schmunzelt amüsiert. "Da hatte dein Ausraster zumindest einen guten Effekt. Hast du sie damals davor bewahrt, verprügelt zu werden?"
Ich verdrehe die Augen. "Nee, diese Faschisten haben uns anschließend einfach beide verprügelt. Aber immerhin konnten wir uns gegenseitig beim Kratzer zupflastern helfen."
Jetzt schüttelt er den Kopf und seufzt leise. Das klingt zuerst ein wenig missbilligend, aber die Art, wie er mich ansieht, ist warm. "Konsequent auf einer völlig hoffnungslosen Mission. Sehr edel von dir."
Ich sehe ihn überrascht an. "Meinst du das ernst?" frage ich. Ich wage nämlich zu bezweifeln, dass er das tut. Er lächelt so seltsam. Aber sicher bin ich mir nicht.
"Ja, das meine ich ernst. Versteh mich nicht falsch, es war schon ein bisschen dumm von dir, dich immer wieder zu verprügeln lassen, wegen Dingen, die teilweise gar nichts mit dir zu tun hatten. Aber trotzdem! Du bist ein sehr edel denkendes, liebes und süßes Dummerchen."

Ich verenge die Augen. Dummerchen? Na, der kann was erleben!
"Du hälst mich also für dumm? Weil ich mich mit allen möglichen und unmöglichen Typen in meinem ehemaligen Rudel geprügelt habe? Dann lass mich dir mal was sagen: ja, ich hatte dauernd blaue Flecken, ja, die meisten Werwölfe im Rudel mochten mich nicht, aber immerhin respektierten sie mich! Andere Menschen, die einfach nur den Kopf einzogen, wurden respektlos behandelt oder sogar ganz übersehen! Aber ich wurde nicht übersehen!! Und egal wie oft er mich vermöbelt hat, sogar Kyle hat irgendwann aufgehört, mich auszulachen!" Blake hat offenbar gemerkt, dass er einen Fehler gemacht hat und versucht, mich zu beruhigen. Er nimmt meine Hand und setzt dazu an, etwas zu sagen. Ungünstigerweise für ihn, bin ich aber noch nicht fertig. So ist das nun mal bei mir. Wenn ich mich erstmal in Rage geredet habe...

"Wenn du also unbedingt denken willst, dass ich dumm bin, weil ich respektiert werden will, dann tu das halt! Und weißt du was? ES IST MIR EGAL!! Es ist mir egal was du denkst!"

Bei meinen letzten Sätzen verändert sich sein Gesichtsausdruck. Jetzt sieht er mich nicht mehr beschwichtigend und beruhigend an, sondern... verletzt. Ich habe ihm mit meinen Worten wehgetan. Aber das wollte ich doch gar nicht! Ich will doch nur nicht für dumm gehalten werden.

Ich drehe mich auf dem Absatz um und renne weg. Der erste Ort, der mir einfällt, ist das Schlafzimmer. Also renne ich dahin. Nachdem ich die Tür hinter mir zugeknallt habe, lehne ich mich dagegen und rutsche daran runter, bis ich auf dem Boden sitze. Jetzt ist es still. Das bedeutet, ich habe Zeit zum Denken. Und das tue ich.
Warum bin ich so ausgerastet? Blake hatte seine Worte sicher nicht negativ gemeint. Er hat mich völlig gedankenlos ein Dummerchen genannt, genau wie mein Vater das früher auch immer getan hat. Und in dem Moment fällt es mir auf: mein Vater! Ich habe ihn erst seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen, aber mit seiner Art mit mir zu sprechen hat Blake mich an ihn erinnert. Und jetzt, wo ich an ihn denke, kommt mir natürlich sofort wieder in den Sinn, dass er jetzt viele tausend Kilometer weit entfernt wohnt. Ich kann ihn und Mom nicht mehr einfach mal eben so nebenbei besuchen, wenn ich sie sehen möchte. Plötzlich bin ich einfach nur noch traurig. Ich verschränke die Arme auf meinen Knien und lege den Kopf drauf.

Es klopft leise an der Tür. Blake. "Mercedes? Darf ich reinkommen?" fragt er. Seine Stimme klingt besänftigend und geduldig. Sehr gut! Ein bisschen Trost könnte ich gerade gut gebrauchen. Und eine Moralpredigt hatte ich ihm ja schon gegeben.
Also stehe ich auf und öffne die Tür.

Jetzt stehe ich ihm gegenüber.

Wir sehen uns ein paar Sekunden lang wortlos an.

Dann streckt er die Arme nach mir aus und ich gehe schnell zu ihm hin und lasse mich in seine Arme sinken. Die Umarmung tut mir gut. Blakes Körperwärme und sein mittlerweile gewohnter Duft haben eine sehr tröstliche Wirkung auf mich. Dazu kommt noch die Tatsache, dass er immernoch so verdammt gut umarmen kann, dass mir sofort die Knie weich werden und sich ein wohliges warmes Gefühl in meinem Bauch ausbreitet.

Er flüstert mir sanft ins Ohr:"Es tut mir leid.". Er geht einen Schritt zurück und sieht mir in die Augen. "Ich möchte dir gerne erklären, was ich gemeint habe. Dass du dich für deine Freunde und dich selbst eingesetzt hast, bewundere ich sehr. Aber was war mit dem Mann, der wegen seiner geringeren körperlichen Kraft gepiesackt wurde? Er betraf dich nicht. Hat er sich hinterher dafür bedankt, dass du ihm geholfen hast? Und haben seine Mobber danach aufgehört, ihn respektlos zu behandeln?"
Ich schüttele den Kopf und knabbere auf meiner Unterlippe herum. Nein, es ist nichts dergleichen geschehen. Der Kerl ist kopfschüttelnd weggegangen und die Typen haben mich einfach vermöbelt.

Ich sehe Blake in die Augen. Er fährt fort. "Natürlich ist es trotzdem löblich, dass du dich für deine Überzeugungen einsetzt. Aber in so einem Fall gewinnst du damit leider nichts. Außerdem muss ich gestehen, dass ich dich sehr gerne davon abhalten würde, so etwas nochmal zu tun. Aus einem einfachen Grund", er lächelt mich an und streichelt liebevoll meine Wange,"Ich will nicht, dass dir jemand Schmerzen zufügt."

Jetzt muss ich auch wieder lächeln. Und ich spüre, wie dieses Gefühl der Wärme in mir sich verstärkt und immer mehr einer Hitze ähnelt.

Ich werde gleich mit ihm wieder runter gehen und zu Ende mit ihm essen. Währenddessen werde ich ihm erzählen, warum ich ausgerastet bin und ihn fragen, wann ich meinen Vater mal besuchen könnte. Und danach werden wir uns noch einen schönen Abend machen, nur wir zwei.
Aber jetzt versinke ich zuerst nochmal in seiner Umarmung und kuschele mich an ihn. Einfach weil es so schön ist.

Die LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt