Kapitel 48

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Als Blake gestern nach Hause kam, war er zuerst nicht begeistert davon, mich mit einer Horde Typen vorzufinden. Aber dann habe ich ihm die Situation erklärt. Er hat mir gesagt, er fände es gut, dass die Jungs mich jetzt akzeptieren und offenbar sogar mögen. Und er versteht es, dass ich jetzt für ein paar Tage zurück nach Idaho fliegen würde. Er hat mir dafür sogar bereitwillig seinen Privatjet zur Verfügung gestellt.

Und jetzt stehen wir beide am Flughafen und mein Freund will mich nicht loslassen. Oder ich ihn nicht. Egal, eins von beiden. Jedenfalls stehen wir bestimmt schon seit einer halben Stunde eng umschlungen am Flughafen. Erst als der Pilot sagt, er wäre soweit, lösen wir uns halb voneinander. Blake sieht mir in die Augen und küsst mich. Dann streicht er mir eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr und sagt: "Hab einen guten Flug und eine möglichst schöne Zeit bei deiner Familie. Ich hoffe, dass es deinem Vater schnell wieder besser gehen wird. Und ich hoffe, dass du bald wieder zurück kommst." Sanft küsst er mich auf die Stirn. "Ich liebe dich." sagt er.

Sein letzter Satz bringt mich völlig aus der Fassung. Das hat er noch nie zuvor gesagt. Mir wird ganz heiß. Und ich weiß nicht, was ich jetzt sagen soll. Die natürliche Antwort wäre 'Ich liebe dich auch', aber tue ich das denn? Nicht falsch verstehen, ich habe definitiv Gefühle für Blake, aber ich weiß nicht, ob ich in ihn verliebt bin. Es klingt in meinen Ohren komplett nachlässig, aber ich habe tatsächlich noch  nie darüber nachgedacht, wie ich meine Gefühle für Blake beschreiben würde. Bisher hatte ich dazu auch keinen Anlass. Bisher habe ich das Gefühl einfach genossen. Falls meine Gefühle also noch keine Liebe wären, dann wäre es doch unfair gegenüber Blake, zu behaupten, ihn zu lieben. Ich will ihn nicht anlügen. Soweit kommt es noch, ich lüge nie!

Aber glücklicherweise muss ich gar nicht antworten. Nachdem Blake seinen letzten Satz gesagt hat und mir dabei ein letztes Mal tief in die Augen gesehen hat, ist er zurückgetreten, damit ich ins Flugzeug steigen und losfliegen kann. Ich könnte gar nicht antworten, selbst wenn ich es wollte.

Während das Flugzeug abhebt, sehe ich durchs Fenster zu meinem Mate und denke, dass ich ihn vermissen werde. Ich wünschte, er könnte mitkommen.

Als ich in Idaho wieder aus dem Flugzeug steige, kommt es mir vor, als wäre ich jahrelang weg gewesen. Dabei sind es noch nicht mal zwei Monate gewesen. Und dann sehe ich die Person, die mich vom Flughafen abholt und das Gefühl der Fremdheit wandelt sich sofort in riesige, fette Freude.
"Jade!!" rufe ich begeistert und renne ihr ohne Umschweife in die Arme. "O mein Gott, ich freu mich so, dich zu sehen! Wie geht es dir?" rede ich freudig auf sie ein.

Jade erwiedert meine Umarmung und lacht ein bisschen. Dann sagt sie: "Hey Merry, ich freue mich auch, dass du wieder da bist! Und mir geht es gut, danke!" Ich schaue in ihr Gesicht. Sie ist noch genau so, wie ich sie in Erinnerung hatte. Dunkelblonde Haare, blaue Augen und fast genauso groß wie ich. Oder besser gesagt: fast genauso klein wie ich. Aber dazu muss man hier nicht ins Detail gehen.

Auf der Fahrt zum Rudel reden wir über dieses und jenes. Was mit meinem Vater passiert ist wolle er mir selber erzählen, also reden wir zunächst über andere Dinge. Über Whattsapp sind wir während der letzten Wochen stetig in Kontakt geblieben, also sind wir über die jeweils andere ganz gut informiert. Trotzdem gibt es noch ein paar Neuigkeiten, die mich aus den Socken hauen. Neuigkeiten von zwei uns wohlbekannten Geschwistern zum Beispiel. Dass Mike sich mit Luís in Portugal gut einlebt und jetzt eine Ausbildung auf einem vornehmen Weingut macht, wundert mich nicht. Und es freut mich für die beiden! Es sind eher die zweiten Neuigkeiten, die mich prompt auf die Palme bringen.

"Was? Miranda hat ihr Studium in Tennessee nicht fortgesetzt, sondern ABGEBROCHEN? Weil ihr Mate will, dass sie Zuhause bleibt? Damit sie keinen anderen Männern begegnet? Sie hat sich ALLEN ERNSTES dazu bereit erklärt, ein HAUSWEIBCHEN zu werden? Ich meine, es wäre ja vollkommen in Ordnung, wenn sie gesagt hätte, gut, ich bleibe halt Zuhause und kümmere mich um Haus und Hof während mein Kerl arbeitet. Wenn es denn IHRE ENTSCHEIDUNG WÄRE!! Aber sie liebte ihr Studium! Sie könnte es doch wenigstens beenden! Vor allem, da sie ihren Kerl doch noch kaum kennt! Was uns zum Hauptaspekt führt: WAS ZUR HÖLLE HAT SIE ÜBERHAUPT NOCH BEI JACK ZU SUCHEN??? Der Scheisskerl hat ihren besten Freund getötet! Also wieso hat sie ihn nicht längst sitzen gelassen?"

Jade muss schmunzeln. "Weißt du, Merry, ich habe deine Wutausbrüche wirklich vermisst." sagt sie. Ich schüttle nur missbilligend den Kopf. Miranda ist eine hoffnungslose Romantikerin, viel zu sehr auf ihren Kerl fokussiert. Sie wird es nie lernen!

Als wir endlich am Krankenhaus ankommen, gehe ich sofort zu meinem Vater. Meine Mutter ist schon da. Dad liegt im Bett und hat einen Gips um den rechten Arm. Ein weiterer Gips befindet sich an seinem Kopf und er hat scheinbar überall blaue Flecken.

"Dad! Was ist denn passiert?" sage ich, während ich ihn vorsichtig umarme.
"Merry, mein Schatz! Schön, dass du kommen konntest." sagt Dad. Als er meinen auffordernden Blick sieht, fügt er hinzu: "Ein paar junge Leute haben in der Uni randaliert. An dem Tag, an dem wir da Flohmarkt hatten. Ich habe versucht sie aufzuhalten. Bin schließlich für die Ausrüstung verantwortlich. Da haben sie mich zusammengeschlagen.". Er wirkt schwach. Er weiß, dass ich keine Ruhe gegeben hätte, bevor er mir antwortet.

Wütend balle ich meine Fäuste. Hier hat sich offenbar nichts verändert. Mein altes Zuhause!

"Diese bekloppten Arschlöcher!" zische ich.

Die LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt