Blake seufzt und verdreht die Augen. Dann sieht er mich an und antwortet. "Wie ich dir bereits erklärt hatte, bin ich früher in der Regel hauptsächlich Zweckehen eingegangen, weil mein Rudel eine Luna braucht. Elena ist im Rudel sehr beliebt. Außerdem verstehen sie und ich uns sehr gut. Vor zwei Wochen hat sie mir gesagt, dass sie, um die neue Luna zu werden, mich gerne heiraten würde. Und dass sie noch keine spontane Entscheidung von mir erwartet, ich es mir aber überlegen soll. Vor ein paar Tagen habe ich mit meiner Familie darüber geredet und wir kamen zu dem Schluss, dass sie eine gute Luna wäre. Dieses Gespräch hat im Rudel irgendwie die Runde gemacht. Deswegen betrachteten uns alle schon als so gut wie verheiratet. Aber ich hatte ihr noch keinen Antrag gemacht! Und sie und ich sind auch kein Paar. Und weil ich dich gefunden habe, wird das auch nie passieren. Von jetzt an bist du die Frau an meiner Seite."Also ist sie doch nicht seine Verlobte. Ich schließe die Augen und seufze erleichtert. Ich war sehr aufgewühlt von dem Gespräch mit Elena, weswegen ich meine Erleichterung jetzt nicht zurückhalten kann. Blake lächelt und umarmt mich. "Shh, ist ja gut, Süße! Keine Sorge, von jetzt an bist du die einzige Frau für mich."
Ich schlinge die Arme um seine Taille und vergrabe mein Gesicht in seiner Brust. Er fährt mit einer Hand durch meine Haare.
Als es mir wieder etwas besser geht, löse ich mich von ihm und sehe ihn erwartungsvoll an. "Also gut, du Ehefanatiker. Hast du für den Rest des Tages irgendwelche Pläne?"
Blake grinst. "Ja, die habe ich. Es gibt ein paar Kilometer den Fluss runter ein großes Aquarium. Das würde ich dir gerne zeigen. Und danach lade ich dich zum Essen ein. Klingt das als ein erstes Date akzeptabel?"
Ich lächele schief. "Es fühlt sich zwar ein bisschen komisch an, mit dir jetzt auf ein erstes Date zu gehen. Ich meine ja nur, wir schlafen seit zwei Tagen im selben Bett. Aber ich mag Aquarien, also ja, gerne."Das Aquarium ist klasse! Es gibt kleine Fische, Haie, Rochen und in einem großen Außenbecken auch Seehunde. Und Blake, der so einiges an Fachwissen über Meeresgetier gesammelt hat, nutzt die Gelegenheit, mich ein bisschen belehren zu können. Ich lasse ihn gewähren. Schließlich bezahlt er mein Abendessen.
Aber irgendwann habe ich genug von Fischgerede und stelle ihm stattdessen eine ganz andere Frage, die mir schon seit einiger Zeit auf der Seele brennt. "Sag mal, Blake, wieso heißt dein Rudel eigentlich 'die Silvermen'? Stammt ihr ursprünglich alle von Minenarbeitern ab oder so?"
Meine Frage trifft ihn unvorbereitet, er ist unverkennbar überrascht. Aber als er antwortet, umspielt ein Lächeln sein Gesicht, aus dem ich so etwas wie Stolz zu erahnen meine.
"So etwas Ähnliches. Vor etwa 300 Jahren wurden Werwölfe in vielen Regionen Amerikas von Menschen gejagt. Damals hat eine Gruppe junger Männer entschieden, dass es wohl das Beste wäre, sich ein neues Zuhause zu suchen. Sie hatten gehört, dass es in den Bergen im Norden noch einiges an Rohstoffen zu finden gibt. Also kamen sie, zusammen mit ihren Frauen und Kindern, hierher und begannen das Gebirge zu durchsuchen. Natürlich nicht alle, das wäre unmöglich gewesen. Ein paar mussten oft beim Jagen helfen, oder was es sonst noch zu tun gab. Aber irgendwann stießen sie, in einem Berg hier in der Nähe, auf Silber.
Was soll ich sagen! Die nächsten paar Jahrzehnte waren wohl die wichtigsten für unser Rudel. Wir benutzten die Mittel, die wir uns durch das Silber beschaffen konnten, und bauten diese Stadt auf. Andere Werwölfe, die von uns gehört hatten, kamen zu uns, um sich unserer Gruppe anzuschließen. Bis wir schließlich so groß in der Zahl waren, dass aus einer Gruppe ein Rudel geworden ist. Und der Anführer der damaligen Gruppe, der mit seinen Freunden zuerst hierher gekommen war, wurde der erste Alpha des neuen Rudels. Sein Name war Thomas Arterton.""Ein Verwandter von dir?" werfe ich ein.
"Ja, ein direkter Vorfahre. Aber, um deine Frage zu beantworten: das Rudel einigte sich auf den Namen 'die Silvermen', weil sie Männer waren, die Silber gefunden hatten und damit ihre neue Existenz aufbauten."
Ich schaue zu ihm hoch. Zu meiner Überraschung stelle ich fest, dass ich ihn gerne küssen würde. Aber das tue ich nicht. Stattdessen sage ich:"Das ist eine schöne Geschichte. Überhaupt, ich kriege langsam das Gefühl, dass du gerne lange Geschichten erzählst. Und das am liebsten an Stellen, wo Andere nur ein paar Worte benutzen würden." Er sieht mich leicht überrascht an. "Meinst du?"
"Ja, meine ich. Zum Beispiel, als ich dich gefragt habe, ob Elena wirklich deine Verlobte ist. Statt deiner langen Erklärung hättest du auch einfach Nein sagen können."
Sein Gesichtsausdruck wird ernst. "Ich finde, dass eine Erklärung angebracht war. Immerhin ist Elena eine Freundin von mir. Also will ich sie nicht als komplette Lügnerin darstellen." Jetzt lächelt er wieder und nimmt meine Hand. "Hunger?"Das Restaurant ist supergemütlich! Eine mittelgroße Pizzeria mit sanfter Beleuchtung, freundlichem Kellner und leckerem Essen. Daran könnte ich mich gewöhnen. Während des Essens versucht Blake, mich über meine Hobbies auszuquetschen, aber ich bin die meiste Zeit zu beschäftigt mit meiner Pasta. Trotzdem ein tolles Gespräch. Ich merke dabei ab und zu wie Blake ungeduldig wird, aber versucht, es sich nicht anmerken zu lassen. Und ich, der Ursprung seiner Ungeduld, kann seelenruhig danebensitzen und ihm beim Ungeduldig-sein zusehen. Durchaus unterhaltsam!
Es ist schon dunkel, als wir nach Hause gehen. Die Sterne sind klar und zahlreich am Himmel zu sehen. Kurz vor seinem Haus bleibt Blake stehen und zieht mich in seine Arme. Mit einer Hand streicht er mir eine Haarsträhne hinters Ohr und lässt die Hand anschließend auf meiner Wange liegen. Sein Gesicht ist meinem sehr nahe gekommen. Trotzdem weiß ich, dass er mich nicht einfach küssen wird. Weil er es mir überlässt, zu entscheiden, ob ich das möchte. Und das tue ich. Deswegen komme ich ihm auf die letzten paar Zentimeter entgegen und im nächsten Augenblick treffen sich unsere Lippen. Seine sind weich und warm. Sein Kuss ist so sanft, dass ich spüre, wie ich innerlich zerschmelze.
So könnte ich ewig hier stehen bleiben.
DU LIEST GERADE
Die Luna
WerewolfAls Mensch inmitten eines Werwolfsrudels hat man es wirklich nicht leicht. Aber ich komme damit klar. Und das werde ich auch in Zukunft. Zumindest hatte ich das geplant. Und außerdem noch echt gut durchdacht! Aber dann hat einer dieser Wölfe festges...