Kapitel 7

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Fassungslos starre ich ihn an. Seine Mate? Ich? Und dann ist der auch noch ein Alpha? Das kann doch nicht sein. Die Zeremonie, bei der Alphas ihre Mates finden konnten, war am Dienstag. Sie ist vorbei. Mich jetzt noch auszuwählen, fünf Tage später, ist total unfair. Außerdem ist er, dem Augenmaß zu urteilen, um einiges älter als ich. Ich schätze ihn auf Ende Dreißig.

Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Doch schließlich reiße ich mich zusammen und versuche das, was ich in ungewöhnlichen Situationen immer versuche. Vernünftig zu sein. "Sind Sie sich da wirklich sicher?" frage ich. Etwas Besseres fällt mir gerade nicht ein. Er schmunzelt amüsiert. "Natürlich bin ich mir sicher. Glaub mir, kein Werwolf könnte sich irren, wenn es darum geht, seine Mate zu finden. Nein, du bist meine Mate, daran gibt es keine Zweifel. Wie heißt du?"
Seine letzten Worte erscheinen mir sehr vernünftig. Sich vorzustellen wäre wohl ein guter Anfang. Allerdings graut mir ein bisschen davor, was danach passiert.

Ich hole kurz Luft. "Ich bin Mercedes. Mercedes Taylor. Ich studiere Geschichte hier an der Uni.". Während ich spreche, merke ich, dass mein Schock nachlässt und ich wieder klar denken kann.
Also komme ich gleich zur Hauptfrage: "Wie kommt es, dass Sie jetzt erst herkommen? Die Zeremonie war vor fünf Tagen. Wenn Sie also auf der Suche nach Ihrer Mate sind, warum waren Sie dann nicht am Dienstag hier? Ich war schon echt erleichtert darüber, nicht ausgewählt worden zu sein. Und jetzt kommen Sie und sagen, zu früh gefreut?"

Für einen Moment zieht er ungläubig die Augenbrauen zusammen. Dann lacht er los. Und er ist nicht der einzige; Jade, die immernoch etwa einen Meter entfernt von mir steht, kann sich ebenfalls ein Kichern nicht verkneifen. Aber Blake Arterton wird schnell wieder ernst. Sein Blick ist jetzt ein wenig bedauernd. Er überlegt einen Moment, dann antwortet er mir. "Ich befinde mich schon seit neun Jahren nicht mehr auf der Suche nach meiner Mate. Ich hatte damals die Hoffnung verloren dich zu finden, also habe ich eine Andere geheiratet. Ich kann dir versichern, es ist nicht schlimm, die Mate eines Alphas zu sein. Ich werde immer für dich sorgen. Als Luna wirst du in meinem Rudel respektiert und geachtet werden. Es wird dir an nichts fehlen.", er hält kurz inne und zieht leicht belustigt einen Mundwinkel hoch. Dann fügt er hinzu: "Außerdem brauchst du mich nicht zu siezen. Ich bin ab jetzt immerhin dein Gefährte. Du kannst also ruhig du sagen und mich Blake nennen."

Okay, tief Luft holen. Ich vermute, dass er mich mit seinen Worten beruhigen will. Allerdings hatte er seine Beschwichtigungen mit einem Detail geschmückt, das mich mehr stört, als die Tatsache, dass er ein Alpha ist. "Du bist also verheiratet?"
Blake erkennt meine Verärgerung und  erwiedert beschwichtigend: "Nein, das bin ich nicht. Die Ehe hat nur vier Jahre gehalten. Ich bin mittlerweile wieder geschieden."

Wenn er weiter so ruhig und logisch auf meine Einwände abwendet, gehen mir langsam die Argumente aus. Aber zum Glück habe ich noch ein Ablenksmanöver in petto. "Das ist übrigens Jade Kross, meine beste Freundin.", weiche ich ihm aus. Blake hebt die Augenbrauen und wendet sich zu Jade. Dabei legt er einen Arm um mich, wie um zu verhindern, dass ich weglaufe. "Guten Abend, Jade. Freut mich sehr, dich kennen zu lernen." Jade lächelt gezwungen und nickt. Dann wendet sie sich wieder mir zu, genau wie Blake. Meine Ablenkung hat ja nicht lange gehalten.

Da mir die Situation immer unangenehmer wird, fällt mir die Entscheidung, was ich als nächstes sagen werde, leicht. "Ähm, also, ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich bin müde. Ich werde dann mal gehen.". Mit einem etwas künstlichen Lächeln umarme ich Jade und wende mich dann Blake zu. "Wir sehen uns dann morgen?" frage ich ihn. Die Konsequenzen seiner neuesten Feststellung erstmal eine Nacht lang verdauen zu können, klingt richtig beruhigend.

Allerdings habe ich die Rechnung ohne Blake gemacht. Dieser lacht jetzt, ein wenig spöttisch diesmal. Dann sagt er: "Vergiss es! Du wirst von jetzt an bei mir, in meinem Bett schlafen. Also, wenn du gehen möchtest, können wir das gerne tun. Die einzige Frage, die da übrig bleibt ist die: gehen wir zu dir nach Hause oder in mein Hotelzimmer?"
Mir wird gleichzeitig kalt und siedend heiß. Ich kenne ihn kaum. Und trotzdem erwartet er, dass ich ein Bett mit ihm teile? Ich verenge die Augen und starre ihn an. "Abgelehnt!"

Blake scheint meine Reaktion nicht zu gefallen. Er steckt leicht verärgert eine Hand in die Tasche seiner Anzughose und überlegt einen Moment. Dann schleicht sich ein listiges Lächeln auf sein Gesicht und er sagt: "Also gut, dann eben auf die umständliche Tour. Folgendes: ich behaupte, dass du heute Nacht, wenn du ohne mich im Bett liegst, nicht schlafen kannst. Und dass du dann das Bedürfnis verspüren wirst, zu mir zu kommen. Du denkst, das ist lächerlich? Dann beweise mir, dass ich mich irre. Verbringe die Nacht in meiner Hotelsuite. Ich werde das Zimmer neben dir nehmen. Und wenn du während der Nacht nicht zu mir kommst und mir morgen früh sagen kannst, dass du gut geschlafen hast, werde ich mich für die nächsten sechs Monate nur nach dir richten, was uns betrifft."

Eigentlich wollte ich ja Zeit, um die Neuigkeiten zu verdauen. Aber Blakes Angebot klang zu herausfordernd und der in Aussicht gestellte Gewinn zu gut, um Nein zu sagen. Also liege ich jetzt in Blakes Hotelsuite im Bett und versuche zu schlafen. Aber aus irgendeinem Grund will das einfach nicht klappen. Eine Weile wälze ich mich hin und her. Dann versuche ich meinen emotionalen Zustand zu analysieren, um herauszufinden, warum ich nicht schlafen kann. Es ist schwer zu beschreiben. Ich fühle irgendwie eine Art Leere in mir drin. Und immer wieder  erwische ich mich dabei, an Blake zu denken. Ich werde immer unruhiger.

Um kurz nach zwei Uhr morgens halte ich es schließlich nicht mehr aus. Ich stehe auf und gehe ins Zimmer nebenan, zu Blake.
Als ich reinkomme, sieht Blake mich direkt an. Ich sage nichts. Er hatte Recht gehabt. Ich kann ohne ihn nicht schlafen. Und er kann es auch nicht, weil ich nicht da bin. Wortlos hebt er die Decke seines großen Bettes an und ich schlüpfe darunter.

Er küsst mich auf sie Stirn. "Hat ja ganz schön lange gedauert. Ich dachte schon, du kommst nie." höre ich ihn noch flüstern. Aber ich bin plötzlich zu müde zum Antworten. Und Blake ist so schön warm! Also kuschele ich mich an seine Brust und schlummere kurz darauf friedlich ein.

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