Kapitel 25

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Hatte ich mir vorhin nicht vorgenommen, nicht zu starren? Tja, diesem Vorsatz werde ich gerade definitiv untreu. Aber: glücklicherweise ist Blake als Wolf nicht in der Lage mich selbstgefällig anzugrinsen, also kann ich starren, soviel ich will. Und das tue ich!

Allerdings habe ich nach etwa einer Minute das Bedürfnis etwas zu sagen. Ich weiß aber nicht, was ich sagen soll. Ich meine, was würdet ihr sagen, wenn euer Freund plötzlich als Riesenwolf vor euch stehen würde?
"Ähh..", beginne ich elegant, "na? Hallo, du... äh.. pferdegroßer Wolf.".
Schweigen.
"Äh.. also in dieser Form fällt der Altersunterschied gar nicht auf!"

Hinter mir höre ich plötzlich lautes, mehrstimmiges Lachen. Ich drehe mich um und sehe fünf junge Männer, etwa in meinem Alter, die gerade um die Hausecke gekommen sind. Lachen tun allerdings nur drei von ihnen, und zwei davon haben damit auch schon wieder aufgehört. Sie sehen mich an, so wie ich in diesem Ort immer angesehen werde. Auch wenn ein paar von ihnen jetzt leicht neugierig wirken.

Ich beschließe, dass es gut wäre, neue Bekanntschaften zu machen. Da ich doch jetzt hier wohne und so. Also spreche ich die Jungs an: "Hi. Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Ich bin Mercedes."
Die Jungs mustern mich abschätzend. Dann beginnt der, der am meisten gelacht hat, zu reden. Er hat schwarze Haare und braune Augen. "Hey Mercedes. Ich bin Philipp. Und das sind Aidan, Ryan, Christopher und Tom." Während er seine Kumpels vorstellt, zeigt er immer auf den, den er meint. Macht einen netten Eindruck, dieser Philipp.
Was man von seinen Freunden nur bedingt sagen kann. Christopher und Tom nicken mir kurz zu. Sie sind die, die vorhin kurz mitgelacht haben. Aber Aidan und Ryan verziehen keine Miene und mustern mich nur weiter schweigend.

Philipp sieht neugierig zwischen mir und meinem riesigen Fellknäul von Mate hin und her. "Macht ihr beide einen Ausflug? Ja? Na dann, viel Spaß  ihr zwei! Vielleicht sehen wir uns ja später noch.". Damit wendet sich Philipp seinem Spind zu. Die Anderen haben das längst getan und beginnen, sich ebenfalls zu entkleiden. Okay, bei Blake hat mich das weniger verunsichert, obwohl ich da noch nicht wusste, was er vorhat. Aber jetzt finde ich wäre das der perfekte Zeitpunkt, um den Ausflug zu beginnen und loszugehen. Ich drehe mich zu Blake und sage: "Okay, Riesenwolf, wo soll's langgehen?"
Blake kommt auf mich zu und geht an mir vorbei. Als sein Körper auf meiner Höhe ist, hält er allerdings an. Er deutet mit einer Kopfbewegung auf seinen Rücken.
Fassungslos starre ich ihn an. Meint der das ernst?
"Willst du mich verarschen?" frage ich, völlig irritiert.

"Nö, will er nicht. Wenn er dahin will, wo ich denke, dass er hinwill, könntest du das nicht im Laufen schaffen. Zumindest nicht, wenn du vor morgen Nachmittag wieder zurück sein willst." ertönt es hinter mir. Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass Tom derjenige ist, der gesprochen hat. Philipp steht grinsend daneben und nickt mir ermutigend zu.
Also gut, das schaffe ich! Ich nehme den Rucksack auf den Rücken und gehe ein paar Schritte auf Abstand. Dann nehme ich Anlauf, stoße mich vom Boden ab und schwinge mich auf Blakes Rücken. Wow, ganz schön wackelig hier oben. Und fellig! Ich greife schnell in das dichte Fell um nicht runter zu fallen.
Blake steht auf. Oh Gott, jetzt ist das Ganze auch noch hoch! Na super! Ich hoffe, das geht gut. Ich halte mich an seinem Fell fest und er läuft in langsamen Tempo los, Richtung Wald.

Im Wald ist es wunderschön. Die Blätter der Bäume sind noch großteils grün, fangen aber schon an, sich zu verfärben. Frühherbst. Ein paar wenige Blätter liegen sogar schon auf dem Waldboden.
Es geht bergauf. Zwischen dem ganzen Waldigen wird es langsam auch felsig. Ich halte mich mit meinen Händen im Fell fest und drücke gleichzeitig meine Beine leicht gegen Blakes Seiten. Ich habe früher mal von Miranda gehört, dass einem das Halt gibt auf einem Pferderücken. Nun, ich bin zwar noch nie auf einem Pferd geritten, aber wie ich so hier auf meinem Wolf sitze, verstehe ich, was Miranda gemeint hat. Allerdings drücke ich nicht zu fest, weil ich Angst habe, ich könnte Blake wehtun.

Nach der ersten Bergauftour geht es den Hügel auf der anderen Seite wieder bergab. Dabei ist es noch schwieriger sich festzuhalten, als beim bergauf laufen. Aber ich schaffe es, nicht runter zu fallen.
Danach ist die Strecke eine Zeit lang eben. Jetzt gibt Blake ein Fauchen von sich, legt die Ohren an und beginnt, schneller zu laufen. Ich ducke mich in sein Fell und halte mich fest. Er fängt an zu rennen und der Wald rauscht an uns vorbei. Meine Haare flattern hinter meinem Kopf im Laufwind und unter meinen Händen und Beinen spüre ich Blakes Muskeln. Ich spüre, wie sein ohnehin schon sehr warmer Körper sich beim rennen noch mehr erhitzt und er leicht zu schwitzen anfängt. Er rennt in höllischem Tempo durch den Wald.

Irgendwann verlangsamt er das Tempo und die Gegend wird wieder bergig. Nach fast zwei Stunden des Reitens spüre ich meine Beine und meinen Hintern, die sich über die langen Unannehmlichkeiten beschweren. Es geht gerade bergauf. Ich lehne meinen Kopf etwas zur Seite und sage: "Könnten wir vielleicht mal eine Pause machen? Das würde ich sehr zu schätzen wissen."
Blake reagiert nicht und läuft einfach weiter. "Na schön, ignorier' mich halt. Aber wunder dich nicht, wenn ich dir die Leviten lese, sobald du doch mal anhälst."
Daraufhin gibt er eine  Art Bellen von sich, wobei sein Körper unter mir zuckt. Ich verstehe, dass er lacht. Meine Laune sinkt noch mehr. Vermutlich ist diese lange Tour für ihn auch nicht gerade leicht; er muss mich schließlich tragen. Aber richtig blöd wird es für ihn erst werden, wenn er anhält.

Was er etwa 5 Minuten später auch tut. Zu dem Zeitpunkt sind wir oben auf einem Berg angekommen. Als ich absteige, vergesse ich für einen Moment, dass ich ihn ja jetzt beschimpfen wollte. Himmel, ist DAS ein schöner Anblick! Die Aussicht hier oben ist einfach nur unbezahlbar! So eine schöne Aussicht habe ich bisher nur auf Postkarten gesehen.

Für einen Moment verliere ich mich in dem Anblick. Dann stubst mich mein Mate von der Seite an und deutet auf den Rucksack. Ich nehme ihn von meinem Rücken und öffne ihn. Darin finde ich eine Decke, Muffins und einen Thermosbecher mit meinem Lieblingstee.

Okay, vielleicht könnte ich das Beschimpfen doch auf später verlegen.

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