-16- Mit Taktgefühl

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,,Fili, was machst du hier?" Es war Thorins herrscherliche Stimme, die in unsere Richtung schwang. Oh, wir sind erledigt. Im Gegensatz zu mir wirkte Fili gelassen und lächelte kokett.
,,Ich bin hier mit-", er zog mich hinter der Säule hervor, ,,unserem Meisterdieb, der jede Besprechung mitbekommen sollte, schließlich ist er ein bedeutender Teil unserer Gemeinschaft." Als ich strauchelnd zum Stehen kam, setzte ich ein betretenes Lächeln auf und wischte Filis Hand von meinem Arm. Thorin sah mich mit unerfreulicher Miene an und ich nahm eilig meinen Blick von ihm.
,,E-ehrlich gesagt kann ich auch wieder gehen...", sagte ich bemüht und sah auf mein Hemd herab, das dank Fili wieder verrutscht war. Gandalf winkte meinen Vorschlag ab.
,,Nein, nein, Fili hat schon recht, ihr beide dürft anwesend sein. Oder gäbe es da jemanden, der Einspruch erheben möchte?", fragte er und sah ausdrücklich zu Thorin. Dieser ließ seine Augen über mein Gesicht wandern. Unruhig hielt ich seinen forschenden Augen stand.
,,Solange er seinen Mund halten kann", knurrte er dann und wandte sich ab. Ich spürte ein Ziehen in meinem Bauch und sah kleinlaut zu Boden. Gandalf seufzte und fasste sich an die Stirn. Fili ging näher auf die vier zu und ich folgte ihm, doch da schob er mich sehr unauffällig genau neben den Zwergenkönig. Ich drehte mich furios zu Fili um und er grinste mir nur zu. Vorsichtig schielte ich nach rechts, doch Thorin beachtete mich ohnehin nicht.
,,Nun, lasst uns Herrn Elrond berichten, weshalb wir auf der Großen Oststraße unterwegs waren und ungünstiger Weise die Aufmerksamkeit der Orks auf uns gezogen haben", fing Gandalf an und sah auffordernd zu Thorin. Dieser hob sein Haupt und sah herablassend zu Elrond.
,,Unsere Angelegenheiten gehen die Elben nichts an. Ich sage kein Wort", stieß er unter zusammengebissenen Zähnen hervor. Gandalf setzte einen verärgerten Ausdruck auf.
,,Du meine Güte, Thorin! Du bist ohne Anstand. Dieses Gespräch führten wir schon zu oft. Zeig ihm die Karte!", forderte er entrüstet. Balin ging kopflos umher, während ich immer wieder zu meiner Rechten sah und mich dabei bemühte, still wie ein Stein zu stehen.
,,Und du kennst meine Antwort: Nein. Die Karte ist das Vermächtnis meines Volkes. Es ist an mir, sie zu schützen,  genau wie ihre Geheimnisse. Ein Elb hat kein Recht, sie auch nur zu erblicken", erwiderte Thorin unbeirrt und seine Miene verhärtete sich. Gandalf ging einen energischen Schritt auf ihn zu und hielt erzürnt seinen Zeigefinger auf seine Brust.
,,Thorin Eichenschild! Bewahre mich jemand vor deiner Sturheit, nein, der Sturheit aller Zwerge! Euer Stolz wird noch einmal euer Untergang sein, merk dir meine Worte. Behaupte nicht, ich hätte dich nicht gewarnt, wenn dieser Tag eintrifft", sagte er und ich musste zugeben, ich hatte Gandalf noch nie so aufgebracht gesehen. Thorin sah weiterhin unbeeindruckt auf Elrond und Balin lächelte trotz Gandalfs Worten freundlich.
,,Ihr steht hier vor einem der wenigen in Mittelerde, der diese Karte lesen kann. Ohne ihre wahre Botschaft ist die Karte nutzlos! Das Vermächtnis deines Volkes wird zu einem bedeutungslosen Fetzen Papier. Thorin, wir brauchen seine Hilfe. Wir wollen doch diese Reise bestreiten und unser Unterfangen mit einer Chance auf Erfolg angehen. Es liegt an dir, nun aufzugeben oder aus deinem Stolz hinauszugehen und richtig zu handeln. Ich werde mich nicht noch einmal wiederholen. Zeig sie Herrn Elrond!", forderte der Zauberer mit erhobener Stimme und umfasste fest seinen Holzstab. Bestimmt hetzt er Thorin einen Zauber auf, wenn er sich weiter weigert, überlegte ich. Elrond sah von Gandalf zu mir und musterte meine Erscheinung. Unsere Blicke trafen sich und ich sah rasch zu Thorin. Dieser sah dem Elben eingehend in die Augen, der nun auch ihn musterte, und schien alle Möglichkeiten abzuwägen, bis er seinen Mantel zur Seite schob und die Karte hervornahm.
,,Thorin, tu das nicht!", warnte Balin und fasste ihn am Arm, doch Thorin drückte ihn richtungsweisend zurück. Er blickte starr zu Elrond, während er ihm die Karte überreichte. Dieser klappte sie mit Bedacht auf und studierte sie für einen kurzen Augenblick.
,,Erebor? Das gefallene Königreich. Welches Interesse habt ihr an dieser Karte?", fragte er und seine leuchtenden Augen durchbohrten unserer aller Gedanken. Thorin öffnete den Mund, da sprang Gandalf für ihn ein, bevor er noch eine ungehobelte Antwort von sich geben konnte.
,,Keine, es sind hauptsächlich Gedankenspiele. Akademisches Interesse, zumal Thorin der Thronfolger ist. Wir möchten wissen, ob die Karte uns etwas offenbaren kann, das wir noch nicht wissen." Herr Elrond sah ihn prüfend an und ich war mir sicher, er wusste von unseren eigentlichen Absichten Bescheid, sagte aber nichts dazu. Er drehte sich von uns weg und hielt den Blick auf der Karte. Thorin schloss den Mund und sah zu dem Zauberer.
,,Wie Ihr wisst, enthalten solche Stücke bisweilen verborgene Texte...", warf Gandalf hinterher und nahm Thorins Blick auf. Dieser nickte ihm dankend zu, dafür, dass Gandalf nicht ihre wahre Absicht verraten hatte. Gandalf gab ihm ein verärgertes Lächeln und wandte sich wieder an Elrond:
,,Leider konnten wir das Verborgene noch nicht ausfindig machen. Ich bin mir sicher, Ihr werdet es finden. Ihr könnt doch noch das Alte Zwergisch lesen oder trübt mich mein altes Gedächtnis?" Elrond strich vorsichtig über die Eingravierungen der Karte und hielt sie dann behutsam gegen das Kerzenlicht.
,,Dein Gedächtnis ist hervorragend, Mithrandir. Siehe her: Cirth ithil", sprach er auf Elbisch und Thorin neben mir atmete verbissen aus. Als ich meinen Blick wieder zu ihm schweifen ließ, nahm er ihn zu meinem Schreck auf. Er sah auf meine Stirn, meine Wangen, meinen Hals und zog minimal die Augenbrauen zusammen. Dann blickten seine blau glimmenden Augen genau in meine und ich hielt die Luft an.
,,Mondrunen!", rief Gandalf aus und Thorin sah sofort zu ihm.
,,Natürlich! Leicht zu übersehen, doch ein geübtes Auge wie Eures entkommt ihnen nicht." Ich atmete die angehaltene Luft wieder aus und legte fragend meinen Kopf schief.
,,Mithrandir, du schmeichelst mir. Doch Mondrunen können nur in dem Licht eines Mondes gelesen werden, der der Phase und Jahreszeit entspricht, zu der sie geschrieben wurden, wie du dich erinnern magst", sprach Herr Elrond mit weiser Stimme und drehte sich elegant zu uns um. Balin sah erstaunt zu ihm und selbst Thorins harte Gesichtszüge wurden sanfter. Er ging einen Schritt auf den Elben zu.
,,Vermögt Ihr sie zu lesen?", fragte er. Elrond setzte ein ehrliches Lächeln auf und nickte ihm gewandt zu.
,,Folgt mir." Wir gingen aus der Halle und wurden eine schmale Steintreppe hinunter in eine kleine Höhle mit offener Sicht auf den Sternenhimmel geführt. Es war ein herrlicher Anblick, Wasserfälle fielen von den Klippen über uns herab und überall waren schimmernde Sterne zu sehen. Fasziniert starrte ich in den Himmel und wurde von dem hellen Mondschein beleuchtet. Neben mir hörte ich, wie Fili überrascht ausatmete. Ihm schien wohl die Aussicht genau wie mir den Atem zu rauben. Ich fühlte mich plötzlich beobachtet und nahm meinen Blick von dem Sternenhimmel ab. Thorin sah mich eingehend an und ich starrte wie in den Bann gezogen zurück. Das Mondlicht umstrahlte glanzvoll sein Gesicht und seine Augen leuchteten mir in dem gleichen Blau wie das des wunderschönen Himmels entgegen.
,,Nun", sagte Elrond und Thorin drehte sich ohne Zögern von mir weg. Ich schluckte und kratzte mich nervös am Hals.
,,Diese Runen wurden am Abend einer Sommersonnenwende im Lichte eines zunehmenden Mondes vor bald zweihundert Jahren geschrieben." Balin warf Thorin einen hinweisenden Blick zu, der ihn mit einem Nicken aufnahm. Auch Gandalf horchte bei der Zahl auf.
Elrond stellte sich vor ein prächtiges Podest und legte die Karte auf eine glitzernde Steinplatte vor sich.
,,Anscheinend war es euch vorherbestimmt, nach Bruchtal zu kommen", sprach er mystisch und sah zu Thorin.
,,Das Schicksal ist dir gewogen, Thorin Eichenschild, denn derselbe Mond scheint auch heute Nacht." Wir alle sahen hinauf in den Himmel und ein Halbmond schob sich durch eine Wolkendecke hindurch. Der Mond ließ seine glitzernden Strahlen mitten auf die Pergamentseite fallen und an ihrer Kante entstanden leuchtende Runen. Sie leuchteten in Thorins Augen wider, als er sich näher über das Podest beugte. Elrond las die Geheimbotschaft auf Altzwergisch laut vor:
,,Steh am grauen Stein, wenn die Drossel schlägt und die untergehende Sonne, mit dem letzten Strahl von Durinstag, auf das Schlüsselloch hinabfällt." Innerhalb weniger Sekunden hatte ich das Rätsel schon wieder vergessen, doch das Wort Durinstag prägte sich in mein Gedächtnis ein.
,,Durinstag? Was ist das denn?", fragte ich leise an Fili gerichtet, der neben mir stand. Bevor er meine Frage beantworten konnte, drehte sich Gandalf zu uns um und übergab mir eine ausführliche Antwort:
,,Der Durinstag ist der erste Tag des neuen Jahres der Zwerge, genannt nach dem altzwergischen Königsgeschlecht Durin. Es ist der Tag, an dem der letzte Herbstmond und die erste Wintersonne gemeinsam am Himmel stehen." Meine Lippen öffneten sich vor Staunen und Thorin, der nachdenklich die Arme verschränkt hatte, drehte sich ebenfalls zu uns um.
,,Das ist schlechte Kunde. Der Sommer geht zur Neige und der Durinstag liegt bald vor uns", erwiderte er finster. Balin trat einen Schritt auf ihn zu.
,,Wir haben noch immer Zeit, Thorin", meinte er ausdrücklich und ich legte verwirrt meinen Kopf schief.
,,Zeit, wofür genau?", fragte ich neugierig nach und sollte ja eigentlich meinen Mund halten. Balin drehte sich kurz zu mir um und hob beschwichtigend die Hand.
,,Um den Eingang zu finden, Bilbo. Genau wie es das Rätsel besagt. Wir müssen zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle stehen. Dann, und nur dann, kann die Tür geöffnet werden." Elrond beobachtete die beiden und sprach seine Gedanken nun laut aus:
,,Dies ist also eure Absicht. Ihr wollt den Berg betreten." Thorin nahm die Arme aus der Verschränkung und sah den Elben abschätzig an.
,,Und wenn es so wäre? Es ist unsere Angelegenheit", knurrte er bedrohlich. Elrond wirkte unbeeindruckt.
,,Manch einer würde dies nicht als sehr weise erachten, Thorin Eichenschild", sprach dieser in seiner klangvollen Stimme und warf Thorin einen leicht amüsierten Blick zu. Dieser sah ihm brodelnd in die Augen und riss ihm die Karte aus der Hand. Mit größerer Vorsicht faltete er sie zusammen.
,,Wie meint Ihr das? Sollten wir gewarnt sein?", fragte Gandalf und hatte die Augen zusammengekniffen.
,,Gewiss. Nehmt es als guten Rat an. Ihr seid nicht der Einzige, der sich anschickt, über Mittelerde zu wachen", offenbarte Herr Elrond in einem Flüsterton und sah nun ernst über jedes unserer angeleuchteten Gesichter. In einem eleganten Schwung drehte er sich von uns weg und stolzierte die lange Steintreppe hinauf. Wir sahen ihm hinterher und Thorin war der erste, der ihm folgte.
,,Fili, was hältst du von alldem?", fragte ich wispernd und stieg die Stufen hinauf. Fili zuckte mit den Schultern.
,,Weiß ich noch nicht. Muss mir erst ein Bild davon machen. Vielleicht träume ich ja davon und erfahre mehr", flüsterte er und verzog plötzlich das Gesicht, ,,wobei ich ungern Thorin in meinen Träumen begegnen möchte." Ich sah nach vorne, doch die anderen waren schon so viele Schritte von uns entfernt, dass sie unseren Worten nicht mehr lauschen konnten.
,,Wieso nicht?", fragte ich bedenkenlos nach. Erst Sekunden später merkte ich, dass sich dies anders anhörte als beabsichtigt. Fili drehte sich mit einem Grinsen auf den Lippen zu mir und hob eine Augenbraue.
,,Aha, du hättest also nichts dagegen?", fragte er stichelnd. Ich spürte das Prickeln meiner Wangen und weitete die Augen.
,,Doch, natürlich", sagte ich schnell. Fili nickte ungläubig.
,,Natürlich", machte er meine verschreckte Tonlage nach und lachte leise. Beleidigt ging ich energischer die Treppe hinauf. Was für ein fieser, nerviger Schuft, dachte ich und Fili holte mich mühelos ein.
,,Bilbo, du bist ein miserabler Lügner. Doch hab keine Angst, dein Geheimnis ist gut bei mir aufgehoben." Er grinste mich lieb an und klopfte mir mitfühlend auf die Schulter. Mir gefiel das überhaupt nicht.
,,Was auch immer du dir da gerade ausmalst, es ist nicht wahr", stellte ich mit fester Stimme klar, doch Fili schüttelte nur amüsiert den Kopf.
,,Glaub ich dir nicht, Kleiner." Entrüstet presste ich die Lippen aufeinander und ging an ihm vorbei, was er mit einem wissenden Lachen abhakte. Pf. Soll er doch denken was er will, ich weiß selber, was in mir vorgeht... hust. Nur soll er aufhören, mich 'Kleiner' zu nennen. Wir kamen bei dem idyllischen Haus an, das für uns zum Übernachten bereitgestellt wurde und traten ein. In dem Gebäude herrschte ein derartig polterndes Stimmengewirr, dass mir beim Hineingehen fast die Ohren platzten.
,,Was zum-", fluchte ich, doch Fili zog mich einfach mit sich zu unserem Raum. Zu meiner Erleichterung befand sich nur Kili dort, der in Gedanken versunken auf seinem Bett lag und die Decke anstarrte. Fili schloss die Tür hinter sich und der Lärm wurde ein wenig gedämpft. Ich steuerte auf mein Bett zu und ließ mich schläfrig darauf nieder. Mit den Händen fuhr ich mir matt über die pochende Stirn. Das war eindeutig zu viel Wein heute, legte ich fest. Für einen langen Augenblick saßen wir nur schweigend in unserem Raum, während wir den munteren Stimmen vor der Tür lauschten.
,,Wollen wir auch noch zu den anderen gehen?", fragte Fili und sah abwechselnd zu Kili und mir. Ich nahm die Hände von meinem Gesicht und spürte ein Rauschen in meinem Bauch. Wie vom Blitz getroffen sprang ich von meinem Bett auf und ging zu Fili, der noch immer an der Tür lehnte.
,,Warum nicht", gab Kili mit einem Seufzer von sich und setzte sich in seinem Bett auf. Er schlüpfte in seine Stiefel und ging auf uns zu. Fili öffnete die Tür und wir folgten ihm zu der mittleren Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Flures. Er klopfte dreimal kräftig an, doch niemand schien es zu hören. Da stieß Fili kurzerhand die Tür auf und wir blickten auf das Innere des Raumes. Wir sahen auf neun Zwerge, die alle versuchten, sich in das kleine Zimmerchen mit nur vier Betten zu zwängen. Bombur saß auf dem Tisch in der rechten Ecke des Raumes und warf sich Teigrollen in den Mund, woher auch immer er sie hatte, Bifur und Bofur saßen auf dem Bett neben ihm und unterhielten sich auf Zwergisch, Ori saß bei ihren Füßen auf dem Boden und kritzelte in einem Buch herum, Dwalin lehnte gegen einer Bettkante und beobachtete ihn, Balin saß auf dem Bett gegenüber und Oin und Gloin saßen auf dem Bett daneben. Ich blickte zu dem großen Fenster des Raumes und dort stand Thorin, der sich gegen die Fensterbank lehnte und in der rechten Hand seinen Flachmann hielt. Fili trat ein und Kili schob mich mit in den Raum. Etwas überrumpelt stand ich da und wusste nicht, wohin ich sollte. Die anderen Zwerge bemerkten uns und hielten in ihren vertieften Gesprächen inne.
,,Wo sind Dori und Nori?", fragte Kili und schob sich an mir vorbei, um in der Mitte des Raumes zu stehen. Die Tür schloss sich hinter mir und ich lehnte mich dagegen, denn ich fühlte mich unsicher in dem engen Raum mit den vielen Zwergen.
,,Die sind noch mehr Wein und Schnaps besorgen. Ah, und die Nüsse für Bombur", meinte Bofur und setzte ein ulkiges Grinsen bei den letzten Worten auf. Ich runzelte die Stirn und war mir nicht mehr ganz so sicher, ob ich hier sein wollte. Oder, ob ich hier überhaupt erwünscht war. Kili ging auf das letzte freie Bett in der linken Ecke des Raumes zu, gleich neben dem Fenster, an dem Thorin lehnte und warf sich wenig elegant darauf. Meine Finger tasteten die Tür hinter mir ab und umfassten den Knauf, bereit, ihn umzudrehen und das Weite zu suchen. Da zog Fili an meinem Ärmel und schob mich ebenfalls zu dem Bett, er selber ließ sich gleich neben seinem Bruder nieder. Nervös stand ich davor und setzte mich mit einem unwohlen Gefühl vorsichtig auf die Matratze. Ich sah auf und blickte unumgänglich zu meiner Linken, wo Thorin fast genau neben mir stand. Ich sah in sein Gesicht und bemerkte zu meinem Schock, dass er mich musterte. Unsere Augen trafen sich und er nahm langsam einen großen Schluck aus dem silbernen Flachmann. Meine Augen wanderten an seinem Gesicht herunter auf seinen Mund, seinen geflochtenen Bart, seinen Hals.
,,Juuungs, wir haben den Weinvorrat gefunden!", jodelte Dori und ich sah schnell zu ihm. Er hielt zwei volle Weinflaschen in die Höhe und klimperte sie aneinander. Auch Nori fuchtelte wild mit der Weinflasche in seiner Hand herum, während er in der anderen eine prallgefüllte Schüssel mit den kandierten Nüssen, die uns beim Abendessen angeboten wurden, hielt. Er reichte sie zu den Zwergen weiter, bis sie bei Bombur ankam und dieser sich mit Elan darauf stürzte. Dori zog die Korken aus den Flaschen und gab sie umher. Jeder Zwerg nahm einen Schluck und bei denen, die schon etwas zu viel davon an diesem Abend gekostet hatten, tropfte es an den Bärten herunter. Als die Flasche bei Kili, Fili und mir angelangte, beobachtete ich die beiden Brüder beim exzessiven Herunterschütten des Weins. Dann hielt mir Fili die Flasche vor die Nase und ich wich leicht zurück.
,,N-nein danke, ich hatte heute schon genug", meinte ich unsicher und schob die Flasche von mir, als er begann, sie gegen meine Brust zu drücken.
,,Kleiner Langweiler", gab er neckisch zurück und reichte die Flasche an Bofur, der sich vor uns gestellt und die Hände bittend ausgebreitet hatte. Empört sah ich Fili an, da streckte er mir ohne Anstand die Zunge heraus. Ich verzog das Gesicht und drehte mich von ihm weg. Verärgert und noch immer unruhig sah ich auf meine Füße herab. Kleiner. Ich glaube es auch. Langsam reichen diese Sticheleien. Fili sprang abrupt von dem Bett auf und ließ Kili und mich zurück, doch den störte das nicht, denn er hatte sich auf dem Bett eingerollt und lauschte den Worten von Balin. Ich sah Fili hinterher, wie er sich zu Oin gesellte und ihm etwas in das schwer verständliche Ohr brüllte. Ich senkte meinen Blick und pulte zagend an dem Saum meines Hemdes herum. Ich fühlte mich unwohl.
,,Meisterdieb." Mein Kopf schnellte bei der tiefen, mir allzu bekannten Stimme hoch und ich blickte zu Thorin. Er sah auf mich herab und begutachtete meine Wangen, die sich unter seinem Blick zu erwärmen begannen. Er stützte sich elegant von der Fensterbank ab und hielt mir seinen Flachmann entgegen. Mit großen Augen sah ich zwischen ihm und seiner Hand hin und her. Bietet mir der König unter dem Berge gerade wirklich sein Getränk an? Ist das ein Traum, der noch zu einem Albtraum führt? Zaghaft hob ich meine Hand und umfasste die kühle Flasche. Thorin lehnte sich wieder zurück und sah mir dabei zu, wie ich den Flachmann vorsichtig an meine Lippen legte. Zögerlich nahm ich einen kleinen Schluck, senkte die Flasche und ließ die Aromen auf meiner Zunge vergehen. Es schmeckte herrlich, nur wusste ich nicht, ob das tatsächlich an der alkoholischen Flüssigkeit oder etwas anderem lag. Thorins Lippen umspielte ein Schmunzeln, als er meine erstaunten Gesichtszüge bemerkte. Verlegen lächelte ich und legte ihm den Flachmann wieder in die Hand. Er durchbrach unseren Augenkontakt nicht, als er selber wieder einen Schluck davon nahm. Ich biss mir unwissend auf die Lippe, während ich ihn dabei beobachtete. Er senkte die Flasche und ich schluckte bei dem Blick, den er mir zuwarf.
Dann lachte er leise und sah von mir ab. Meine Augen wanderten zu Boden und ich versuchte, mein Grinsen zu verstecken.
Nach einiger Zeit beschlossen die beiden Brüder, dass sie zu müde für weitere Feierlichkeiten waren und zogen mich mit sich in unseren Raum, bevor ich protestieren konnte. Doch sobald ich mich auf mein Bett setzte, kroch auch mir die Müdigkeit in den ganzen Körper.
Hoffentlich kann ich einmal bis zur Mittagssonne ausschlafen..., hoffte ich und blickte zu der Tür, aus der noch immer das Gelächter der anderen Zwerge zu hören war.
,,Keine Angst Bilbo, in ein oder zwei Minuten haben die sich da draußen beruhigt", flüsterte Fili aufmunternd. Ich nickte und stützte mein Kinn auf den Händen ab. Mir war elend zumute, mein Kopf dröhnte und mein Bauch schob mir Signale zu, die ich nicht kannte. Ich richtete mich wieder auf und schob mir die Hosenträger von den Schultern, die an meinen Seiten herunterbaumelten. Ich griff nach meinem Rucksack und durchwühlte ihn, doch ich konnte mein Nachthemd nirgends finden. Sowieso hätte ich mich nicht vor den beiden umgezogen, das wäre mir viel zu unangenehm gewesen. Und wer weiß, was sie bei dieser reinlichen Schönheit wie mir gedacht haben könnten, überlegte ich witzelnd und schob es auf den vielen Wein. Ich schüttelte das schneeweiße Kissen auf und schlüpfte unter die Bettdecke. Es war ein heimeliges Gefühl, wieder in einem richtigen Bett und nicht auf dem kalten Erdboden schlafen zu müssen. Fili tat es mir gleich und legte sich in das Bett, das an meines angrenzte. Ich sah zu Kili, der die Decke schon bis zu seinem Kinn herangezogen und sich auf die Seite gedreht hatte. In dem Raum spendete nur noch die kleine Kerze auf dem Tisch Licht und ich schloss ausgelaugt die Augen. Ich wusste nicht, wie viel Zeit bis dahin vergangen war, als die Zwerge aus den anderen Räumen verstummten und sich wohl ebenfalls in ihre Betten gelegt haben. Halb in meiner Traumwelt versunken bemerkte ich das langsame Öffnen unserer Zimmertür und das Eintreten einer dunklen Gestalt. Sie schlich anmutig durch den Raum und zog sich dabei den Gürtel von der Hüfte. Die Kerze wurde vorsichtig erloschen und im Raum herrschte absolute Dunkelheit. Ich schloss die Augen. Natürlich wusste ich, um wen es sich da handelte und mein Herz polterte gegen meine Brust.

King Under The Moantain | bagginshieldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt