-12- Auf der Flucht

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Ich spürte eine Hand an meinem Arm und öffnete schreckhaft die Augen.
,,Huh?", gab ich mit kratziger Stimme von mir und blinzelte grellen Sonnenstrahlen entgegen.
,,Bilbo, wir müssen weiter." Mein Kopf dröhnte und meine Sicht verschärfte sich langsam. Fili saß vor mir und rollte schweigend seinen Schlafsack zusammen. Kili lehnte neben mir an der Felswand und gähnte müde und reichlich. Unausgeruht drückte ich mich vom Boden hoch und setzte mich auf. Ich strich mir die zerknitterte Jacke glatt und richtete meinen Kragen.
,,Wie lange war ich...?", flüsterte ich nur und fuhr mir mit der Hand über die Stirn, statt meinen Satz zu beenden. Zum Glück verstand Fili, was ich fragen wollte.
,,Knapp vier Stunden. Länger können wir hier nicht bleiben, sonst schaffen wir den Marsch vor Sonnenuntergang nicht. Hast du dir etwas Ruhe genehmigen können?", fragte er und sah zu mir. Ich nickte und nahm die Hand aus meinen Locken, welche jetzt wahrscheinlich noch wuschliger aussahen.
Wir klemmten unsere Schlafsäcke an die Rucksäcke fest und saßen dann schweigend nebeneinander. Meine Gedanken kreisten sich rund um Essen und dazu knurrte auch mein Magen fröhlich. Die anderen Zwerge schulterten ihre Rucksäcke und Fili warf mir immer wieder einen mitfühlenden Blick zu, sobald mein Magen zu grummeln begann. Es vergingen Minuten, in denen wir nur dem Grummeln meines Bauches lauschten. Nach dem dreizehnten Mal sprang Fili auf die Beine.
,,Ich hol dir was von Bombur. Kili, du auch?", fragte er und bekam von seinem Bruder ein Nicken als Antwort. Fili verschwand aus unserem Blickfeld und ich lehnte meinen Kopf nach hinten gegen den Felsen. Für einen kurzen Augenblick schloss ich die Augen und atmete die wiegende Luft ein.
,,Kili, komm her!", ertönte Gloins Stimme und ich öffnete wieder die Augen. Ich sah nach links zu Kili, der sich mit den Händen über das Gesicht fuhr.
,,Komm, Bilbo...", murmelte er in seine Handbeuge und stützte sich dann vom Felsen ab auf die Beine. Ich sah zu ihm und stand dann ebenfalls auf. Wir gingen zu den anderen Zwergen, die in ein angeregtes Gespräch über die nächsten Pläne unserer Wanderungen vertieft waren. Als wir gerade zu ihnen stießen, tauchte Fili mit Bombur hinter uns auf und drückte uns zwei Birnen und ein Brotröllchen in die Hände. Während wir aßen, lauschten wir den Worten der anderen. Jeder von ihnen wirkte entkräftet und da der Hunger auch an ihnen nagte, fauchten sie sich gegenseitig an.
,,Wohin sollten wir denn deiner Meinung nach ausschweifen?", fragte Thorin knurrend und sah Gandalf verspannt an. Sein markantes Gesicht wirkte noch blasser als am frühen Morgen und seine Hände bebten ganz leicht, doch das schien den anderen nicht aufzufallen. Er wirkte erschöpft und hatte dem Anschein nach die ganze Nacht Wache gehalten. Vielleicht kann man ihn ja aufmuntern?, schoss mir irrsinnig durch den Kopf und ich fuhr mir verwirrt mit der Hand über die Schläfe. Ich bemerkte, wie Dwalin das Gesicht von Thorin musterte und sich dann mit einem Kopfschütteln von ihm wegdrehte.
,,Du weißt, wohin ich gehen will! Dies ist unsere einzige Möglichkeit!", erwiderte Gandalf und umfasste mit beiden Händen seinen Holzstab. Anscheinend hatte auch sich nicht genügend ausruhen können. Thorin ging einen bedrohlichen Schritt auf ihn zu und Gandalf sah etwas besorgt über die Köpfe der Zwerge hinweg.
Schlagartig ertönte ganz in unserer Nähe ein dumpfes Geräusch und es hörte sich wie ein schweres Schlittern von Holz über dem blättrigen Waldboden an. Thorin fuhr herum und rief warnend:
,,Gebt Acht!" Auch ich sah in die Richtung, aus der das Geräusch kam und blickte dann angespannt zu den beiden Brüdern neben mir. Gandalf umklammerte seinen Stab fest mit der rechten Hand und stapfte an uns vorbei.
,,Bleibt zusammen! Eilt euch! Bewaffnet euch! Auch du, Bilbo!", rief er dabei und Fili schob mich und seinen Bruder näher in die Reihen der anderen Zwerge. Kili nahm seinen Bogen hervor, griff nach dem Köcher an seinem Rücken und legte flink einen Pfeil ein. Die Zwerge zückten ihre Waffen, die kampflustig in der tiefstehenden Sonne aufblitzten und Fili nahm seine beiden Dolche hervor. Angespannt sah ich an mir herunter und starrte zögerlich auf die Schwertscheide, die an meinem Gürtel hing. Ich schluckte und zog dann Stück für Stück das glänzende Schwert heraus. Mit beiden Händen umklammerte ich den Griff und starrte gebannt auf die Klinge, in der Sorge, sie würde sich bläulich färben. Das Schlittern kam näher und war nun unmittelbar über uns.
,,Diebe! Feuer! MORD!", kreischte eine fremde Stimme genau über unseren Köpfen.
Das Etwas kam in einem holprigen Sprung vor uns zum Stehen und alle Zwergen hoben bedrohlich ihre Schwerter vor sich. Nur ich stand wie erstarrt da und mein Schwert rutschte mir fast aus den Händen. Vor uns befand sich ein kleiner älterer Mann auf einem hölzernen Schlitten, vor dem ein Dutzend Hasen gespannt waren. Er trug einen braunen zerschlissenen Hut, eine dunkelbraune Robe und breite Stiefel. In seiner rechten Hand hielt er einen kurzen Holzstab. Mit seinem Schlitten fuhr er beinahe Bifur um und dieser hüpfte noch im rechten Moment zur Seite.
,,Radagast! Ich bin erfreut, dich zu sehen!", rief Gandalf vergnügt und ging auf den verwirrt dreinblickenden Mann zu.
,,Das ist Radagast der Braune, der fünfte unseres Zaubererkreises. Von ihm habe ich am gestrigen Tage unserer Reise erzählt. Es ist schön, dich nach all dieser Zeit wieder anzutreffen. Doch ... was in aller Welt tust du hier?" Erleichtert wollte ich mein Schwert zurückstecken, da glitt es mir aus den Fingern und fiel polternd zu Boden. Ich konnte sehen, wie Fili und Kili sich ein Lachen verkniffen und sah die beiden verärgert an. Schnell bückte ich mich, hob das Schwert auf und ließ es in den Halter an meiner Hose hineinrutschen. Als ich meinen Blick wieder hob, starrten mich alle Zwerge mit unterschiedlicher Mimik an. Der eine belustigt, der andere genervt. Ich räusperte mich und nickte zu dem braunen Zauberer, um die Aufmerksamkeit der Zwerge auf ihn zu richten.
,,Ich ... ah! Ja, ich habe nach dir gesucht, Gandalf", meinte dieser und zu meinem Glück sahen nun alle Zwerge zu ihm.
,,Nur weiß ich nicht mehr, warum. Habe es einfach so vergessen! Puff. Weg war der Gedanke. Aber irgendwas ... hm, irgendwas stimmt hier nicht. Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht", fuhr der kleine Zauberer fort und kratzte sich bedrückt an der Stirn. Mir fiel die getrocknete Flüssigkeit an seiner Wange auf und ich zog unglücklich die Augenbrauen zusammen.
,,Ja...?", fragte Gandalf und sah stutzig zu Radagast. Dieser hob seinen Zeigefinger und wollte etwas sagen, da stockte er und sah auf den Boden herab. Im nächsten Augenblick sah er wieder zu Gandalf und dann wieder auf seine Stiefel hinab.
,,Och, lass mich nur kurz überlegen. Ach, ich hatte doch eben noch einen Gedanken und nun ist er mir entfallen! Gerade war er noch da, er lag mir genau auf der Zunge. Konnte ihn glatt schmecken!", rief er in seiner heiseren Stimme und ich bemerkte Thorin hinter ihm, der den Zauberer geringschätzig beobachtete.
,,Oh!", machte Radagast plötzlich und zog seine Lippen auseinander, ,,es war überhaupt kein Gedanke. Vielleicht auch, aber nicht ganz. Da liegt wirklich was drauf! Moment- Esh ish nur eine..." Auf einmal streckte Radagast seine Zunge aus und Gandalf legte seinen Zeigefinger darauf. Ich verzog das Gesicht und wich mit meinem Kopf zurück. Entsetzt wollte ich nachfragen, was die beiden denn jetzt vorhatten, da pulte Gandalf ein Insekt aus dem Mund des anderen Zauberers heraus.
,,Stabschrecke." Radagast hielt die Hände vor sich und Gandalf ließ das Insekt in seine Handflächen fallen. Mit einem entgeisterten Blick drehte ich mich zu Fili um, der ihn nicht weniger abgestoßen erwiderte. Ich drehte mich wieder nach vorne und da zeigte mir auch Kili sein angewidertes Gesicht. Gandalf musterte Radagast mit einem bedenklichen Ausdruck und ließ dann seinen Blick über uns schweifen. Er gab Radagast mit einem Kopfnicken zu sagen, dass dieser ihm folgen sollte. Etwas verdutzt sah ich die beiden an. Was war denn so wichtig, dass Gandalf es den Zwergen und mir vorenthalten wollte?, fragte ich mich. Mein Blick huschte zu Thorin, der das Gleiche zu denken schien. Doch er verblieb still und sah den beiden nur mit einem skeptischen Ausdruck hinterher. Die Zauberer entfernten sich von uns und ich sah zu den Zwergen, von denen keiner die Anstalt machte, sie aufzuhalten. Da ich unbedingt Radagasts Anliegen erfahren wollte, schlich ich den beiden bedacht hinterher. Verzeih mir meine Unhöflichkeit, Gandalf, dachte ich und musste grinsen. Ich hockte mich hinter einem von hohen Grass versteckten Felsen und lauschte neugierig den Worten der Zauberer.
,,Ich bin gekommen, Gandalf, um dir eine Entdeckung von größter Besorgnis mitzuteilen: Der sonst so fröhliche und farbenvolle Grünwald ist krank. Eine Dunkelheit hat ihn befallen. Es gedeiht nichts mehr. Jedenfalls nichts Gutes. Und die Luft stinkt nach Verwesung, Tod und Bedrücken. Doch das schlimmste dort, was ich entdeckt  habe, sind die Netze", sprach Radagast und setzte sich auf einen Baumstamm nieder.
,,Netze?", fragte Gandalf verwundert und ging umher, ,,was genau meinst du damit? Spinnennetze?" Radagasts Blick wurde düster und er sah dem grauen Zauberer mit harter Miene nach.
,,Ja, Spinnen, Gandalf. Riesige Spinnen. Und ich wette mit dir, wenn das da nicht die Brut Ungoliants ist, dann will ich kein Zauberer mehr sein! Grässliche Wesen mit ihren haarigen Beinchen. Sie sind nicht gerade leise oder achtsam, diese Krabbler. Ich folgte ihren Spuren. Ich hatte es befürchtet, doch wollte es nicht wahrhaben: Sie kommen aus Dol Guldur." Gandalf stoppte und horchte auf. Mit ernstem Gesichtsausdruck drehte er sich um.
,,Wirklich? Dol Guldur? Es wird doch gesagt, die alte Festung sei seit langer Zeit schon verlassen", sprach er mit gesenkter Stimme. Radagast schüttelte bestürzt den Kopf.
,,Nein, Gandalf. Das ist sie ganz und gar nicht. Ich war selber dort", flüsterte Radagast tonlos und umpackte mit beiden Händen den kurzen geschwungenen Holzstab.
,,Eine so dunkle Macht haust in dieser Festung, wie ich noch nie eine gespürt hatte. Ich wusste, es musste der Schatten eines uralten Grauens sein. Einer, der die Geister der Toten herbeirufen und sie vereinen kann. Ich habe ihn gesehen, Gandalf. Du magst mir nicht glauben, doch mit meinen eigenen Augen habe ich ihn erblickt! Der Finsternis ... ist ein Nekromant entstiegen", berichtete er mit todernster Stimme und starrte dabei wie gebannt in die Tiefen des Waldes. Plötzlich erschrak er und zuckte mit ängstlichen Gesichtszügen zusammen. Seine Augen kullerten umher und fanden die von Gandalf.
,,Entschuldigung. War eine Erinnerung", wisperte er und kratzte sich an der Stirn. Gandalf musterte ihn nachdenklich und nahm dann die Pfeife unter seinem Gürtel hervor. Mit einem kurzen Hieb seines Stabs entzündete er sie und hielt sie dem braunen Zauberer hin.
,,Nimm lieber einen Zug, mein Freund. Das hilft, die Nerven zu beruhigen. Aus eigener Kreation." Radagast nahm die Pfeife schulterzuckend entgegen. Er genehmigte sich einen tiefen Zug und wirkte völlig benebelt. Wenn ich doch nur selber einen Zug Pfeifenkrauts nehmen könnte..., schwärmte ich. Radagast atmete seufzend aus und lächelte beschwipst vor sich hin. Gandalf stupste ihn leicht schmunzelnd an, verhärtete seinen Blick jedoch wieder.
,,Nun. Du sagtest, du hättest einen Nekromanten gesehen. Bist du dir da vollkommen sicher?", fragte er und nahm selber einen Zug von der Pfeife. Radagast sah ihn wieder geheimnisvoll an und zog etwas aus seiner Manteltasche hervor. Es war ein kohlenschwarzes Schwert, umwickelt von einem beigen Tuch.
,,Ich habe keinen Zweifel daran. Dies hier habe ich gefunden. Es stammt nicht aus der Welt der Lebenden. Jenes kann nur von einem Geist geführt werden...", hauchte er und die beiden sahen sich entsetzensvoll an. Ein ohrenbetäubendes Heulen schnitt durch die Luft und ich zuckte vor Schreck zusammen. Jetzt war mir egal, dass Gandalf und Radagast mich bemerken könnten, denn ich sprang hektisch auf die Beine und rannte auf die Zwerge zu.
,,W-was war das? Etwa ein Wolf? Sind Wölfe hier draußen?!", fragte ich mit leicht hysterischer Stimme und sah mich panisch um. Bofur blickte ebenfalls resigniert nach links und rechts und umklammerte fest seine Axt.
,,Wölfe? Nein, das klang nicht nach einem Wolf...", sagte er unruhig. Hinter uns knurrte es laut und ich dachte zuerst, es handelte sich dabei um Thorin, doch sobald ich mich umdrehte, wusste ich, dass dem nicht so war. Ich sah genau in das entstellte Gesicht einer überdimensionalen, wolfsähnlichen Kreatur. Sie fletschte ihre Zähne und offenbarte mir ihre scharfen, bissigen und unzähligen Reißer. Vor Panik hätte ich laut aufgeschrien, doch da sprang das Etwas schon auf uns zu und riss den wehrlosen Dori mit sich. Thorin reagierte schnell und stieß sein Schwert ruckartig in den Hals der Bestie. Nori packte nach seinem Bruder und zog ihn aus den Klauen der Kreatur. Thorin versuchte, sein Schwert wieder herauszuziehen, doch es steckte zu tief fest. Hinter ihm erschien eine weitere Bestie und er hörte ihre bedrohlich tapsenden Schritte.
,,KILI! BOGEN!", brüllte er und Kili sprang auf seinen Onkel zu. Er spannte den Eschenbogen und ließ einen Pfeil durch die Luft zischen. Der Pfeil segelte treffgenau in die Brust des Tieres und die Kreatur fiel mit einem dumpfen Aufschlag zu Boden. Sie rutschte über den Laubboden hinweg und knallte gegen den umgefallenen Baumstamm direkt neben Thorin. Die Bestie versuchte nach ihm zu schnappen und Thorin wich den spitzen Reißzähnen aus. Da pfefferte Dwalin seine Axt in den Kopf der wolfsähnlichen Kreatur. Sie gab ein schmerzerfülltes Heulen von sich und Dwalin drehte die Axt in einem Ruck um. Ein lautes Knacken ertönte und die Bestie blieb leblos am Boden liegen. Thorin gelang es, sein Schwert aus dem Hals des zappelnden Etwas zu ziehen und blickte resigniert zu uns. Dunkelrotes Blut schimmerte an der Klinge und ein Knoten bildete sich in meinem Magen. Mir wurde lau und ich musste mir beide Hände vor den Mund drücken.
,,Wargsjunge! Die Späher des Feindes. Bedeutet, dass eine Orksmeute nicht fern sein kann! Bleibt wachsam!", rief Thorin mit verhasster Stimme und schwang energisch das Schwert in der Hand. Ich zitterte und fragte entsetzt:
,,Eine O-Orksmeute?" Thorins Augen blickten zu mir und er wollte auf mich zugehen, doch da kam schon Gandalf auf ihn zugestapft.
,,Wem hast du noch von deinem Vorhaben außer deiner Sippe erzählt?", fragte er aufgebracht. Thorin warf elegant seine geflochtenen Haarsträhnen über die Schulter und blickte düster zu Gandalf.
,,Niemandem", zischte er zornig und senkte das Schwert in seiner Hand. Gandalf brodelte und stieß seinen Holzstab fest in den Boden.
,,Wem hast du es noch erzählt?!", forderte er lauter und seine Stimme war lärmend.
,,Ich habe es sonst NIEMANDEM erzählt!", brüllte Thorin wutschnaubend. Gandalf schien ihm zu glauben und hinterfragte ihn nicht weiter. Wie kommt er überhaupt darauf, Thorins Wort zu misstrauen?, fragte ich mich und sah angespannt zwischen den beiden hin und her.
,,Was, in Durins Namen, geht hier vor sich?", fragte Thorin nachdrücklich und seine Stimme war gesenkt. Sein Ausdruck änderte sich von erbost zu sorgenvoll. Auch Fili und Kili neben mir schauten schwermütig in unsere Reihen und Dori gab einen kummervollen Laut von sich.
,,Ich bin mir unklar, wie es dazu gekommen sein mochte, doch man macht Jagd auf euch", bekundete Gandalf und mein Herz setzte für einen Moment aus. Als es wieder zu schlagen begann, tat es dies fünfmal so schnell wie davor. Die Zwerge blickten unruhig umher und Kili stieß laut die Luft aus. Dwalin meldete sich eilend zu Wort:
,,Wir müssen sofort von hier verschwinden, Thorin! Wir haben keinen Schutz!" Er umpackte mit beiden Händen seine Streitaxt und ich bemerkte auch an ihr das frische Blut. Dickflüssig tropfte es herunter auf den Boden und ich drehte mich von dem Anblick weg. Ori, der über uns Ausschau gehalten hatte, kam auf uns zugerannt.
,,Wir können nicht weg! Die Ponys sind durchgebrannt!", stieß er entsetzt hervor und ein weiteres Gebrüll eines Wargs ertönte in der Ferne. Ich atmete unregelmäßig aus und sah mich verschreckt um. Myrtle ist weg? Nein! Hoffentlich passiert ihnen nichts! Und auch hoffte ich, dass uns nichts passierte.
,,Ich werde sie von euch weglocken", schlug Radagast ganz ruhig vor. Gandalf schüttelte den Kopf und drehte sich zu ihm um.
,,Bist du noch bei klarem Verstand? Das sind Gundabad-Wargs, sie werden dich ohne Mühe einholen!", rief er ausdrücklich. Radagast lächelte zuversichtlich und ging einen Schritt auf Gandalf zu.
,,Achja, werden sie das, mein alter Freund? Das hier sind Rhosgobel-Kaninchen, die schnellsten und besten ihrer Art! Die Wargs sollen ruhig mal versuchen, gegen sie anzukommen." Gandalf sah kurz zweifelnd um sich und ein neues Heulen zischte durch die Luft. Augenblicklich nickte er Radagast zusprechend zu. Dieser verbeugte sich verabschiedend vor uns und sprang auf den hölzernen Schlitten mit den Hasen auf. Er packte nach dem Holzgriff, rief den Kaninchen ein ,,Und hopp hopp!" entgegen und raste wild über das Laub von uns. Mir war unwohl zumute und ich wünschte mir mit ganzer Willenskraft, uns und dem Zauberer passierte nichts. Wir warteten einen kurzen Moment ab und folgten dann Gandalf, der dieses Mal unseren Anführer bildete. Ich konnte mir denken, dass Thorin darüber gar nicht erfreut war, wollte das aber nicht laut aussprechen, sonst wäre ich bestimmt doch noch auf tragische Weise umgekommen. Während wir an den Bäumen vorbeiliefen, hob ich einen großen Ast auf und verwertete ihn als Wanderstock. Wir entfernten uns von dem Wald und fanden uns auf einer weitverlaufenden Wiese mit gelbem Gras und zahlreichen Felsen wider.
,,Gut, hier entlang. Beeilt euch!", zischte Gandalf und führte uns durch ein Labyrinth aus scharfkantigen Steinbrocken. Plötzlich tauchte vor uns eine Schar von Wargs und anderem Gesindel, den Orks, wie ich annahm, auf und wir wechselten hektisch die Richtung. Das führte dazu, dass Dori mir in die Hacken rannte und mich wuchtig nach vorne in das Gras stieß. Mit den Händen konnte ich meinen Aufprall abstützen, gab jedoch trotzdem ein Japsen ab, als ich auf den harten Boden knallte.
,,'Tschuldige!", sagte Dori schuldbewusst und zog mich schnell auf die Beine. Fili griff mir unter die Arme und sah mich von oben bis unten suchend ab. Ich schüttelte den Kopf und hob die Hand, um ihm zu verdeutlichen, dass es mir gut ging.
,,Bleibt zusammen, ich weise euch den weg. Folgt mir schnell!", befahl Gandalf. Die Zwerge zögerten und sahen sich gegenseitig an.
,,Los jetzt!", sagte Thorin nachdrücklich und sie bewegten sich sofort. Wir rannten zu einem anderen Felsen, um Schutz zu suchen und ich stolperte ihnen erschöpft hinterher.
,,Ori, pass auf!", rief Thorin und zog ihn hinter den Felsen, als die Wargs erneut vor uns auftauchten.
,,Kommt, weiter, alle schnell weiter!", wies Gandalf an, weiterzulaufen.
,,Wo führst du uns denn hin?!", fragte Thorin unwirsch und ihm begegnete nur ein vertrackter Blick des Zauberers. Wir kamen bei einer Schutz versprechenden Nische zwischen zwei Felsen an und stoppten. Meine Beine zitterten und ich hielt mir die schmerzenden Seiten. Über uns ertönte ein bedrohliches Knurren und dann ein zähnefletschendes Geräusch. Die Zwerge hechteten hinter den Felsen und ich wurde von Dwalin, Bofur und Bombur nach hinten gedrückt. Mein Rücken stieß nicht gegen den steinigen Felsen, sondern gegen etwas Pelziges. Ich drehte mich ganz leicht um und sah zu meinem Schock genau hinter mir Thorin stehen.
Doch ihn schien es nicht zu stören, denn statt mich wegzustoßen, sah er wachsam an dem Felsen entlang. Ich konnte seine Atmung hören und sah hinauf in sein Gesicht. Mir fiel erst jetzt auf, dass er zwei geflochtene Haarkordeln hinter seinen Ohren trug, die mit einer runenbesetzten Perle bestückt waren. Fasziniert starrte ich darauf und nahm meinen Blick erst davon weg, als ein lautes Schnuppergeräusch über uns ertönte. Thorin nickte Kili zu, der einen Pfeil einlegte und hinter dem Felsen hervorsprang. Der Pfeil flog und fand wohl sein Ziel, denn der Warg heulte laut auf. Kili griff erneut in seinen Köcher und schoss einen zweiten Pfeil auf dessen Reiter ab. Der Warg stürzte mitsamt dem Ork oben drauf von dem Felsen und landete vor unseren Füßen. Ich sprang von ihnen weg und stieß gegen Thorin, der ein gereiztes Brummen von sich gab. Als ich mich umdrehte, sah er mit leuchtenden Augen zu mir herunter.

King Under The Moantain | bagginshieldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt