-25- Es nähert sich

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,,Thorin!", rief ich panisch und versuchte ihn mit meinen Händen zu stützen, doch ich reagierte zu spät. Sein Körper glitt leblos zu Boden. Dwalin und Bofur eilten mir zu und lehnten Thorins Rücken vorsichtig an einen großen Stein bei einer Nische an. Ich starrte auf seine geschlossenen Augen und mein Magen zog sich krampfartig zusammen.
,,Er ist verletzt! Er blutet!", sagte ich hetzend und meine Lippen bebten. Gandalf kam schnellen Schrittes auf uns zu, während Dwalin schon dabei war, Thorin den schweren Mantel von den Schultern zu nehmen.
,,Wir benötigen Wasser und Binden, um die Wunden zu versorgen!", rief Gandalf und befahl Fili und Kili, nach einer Wasserquelle in der Nähe zu suchen. Gloin näherte sich uns und ließ sich neben dem regungslosen Thorin nieder. Er nahm seinen Rucksack ab und kramte aus einem kleinen Beutel mehrere Rollen Mullbinden hervor. Dwalin entfernte den durchlöcherten Schuppenpanzer von Thorins Körper und ich starrte auf das mit Blut vollgesogene Hemd. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, während ein schwerer Knoten in meiner Brust anschwoll. Dwalin sah erstarrt auf das tiefrote Blut und zerriss kurzerhand das dünne Hemd entzwei. Schnell drehte ich mich um. Ich spürte die pochende Hitze in meinen Wangen und schloss die Augen. Ein fremder Impuls in mir befahl mir mich umzudrehen, doch ich schüttelte nur den Kopf und öffnete die Augen wieder. Da stießen Fili und Kili zu uns, beide mit prallgefüllten Wasserschalen in den Händen.
,,Wo habt ihr die denn her?", fragte Gandalf und reichte sie an Bofur weiter. Kili zuckte mit den Achseln und meinte:
,,Standen neben einem Holzstuhl genau vor dem kleinen Teich, den wir gefunden haben." Gandalf blickte nachdenklich drein und gesellte sich dann zu Gloin, den Holzstab fest umklammert. Kili folgte ihm, doch Fili blieb vor mir stehen und musterte mich.
,,Warum stehst du so... mit dem Rücken zu ihnen?", fragte er freiheraus. Ich sah ihm genau in die Augen und unterdrückte einen entnervten Aufschrei.
,,Du weißt, wieso. Zumal ich nicht glaube, dass ein Zwergenkönig es gutheißen würde, wenn ich ihn so sehe", sagte ich ernst und mit tonloser Stimme. Filis Mundwinkel zuckten in die Höhe.
,,Oh, ich glaube, er würde es sehr wohl gutheißen, vor allem im wachen Zustand", meinte er und grinste mir zu. Ich zog die Augenbrauen zusammen. Was will er damit andeuten? Dann starrte er an mir vorbei und sein belustigter Gesichtsausdruck fiel.
,,Wobei ich wirklich verstehen kann, warum man das nicht sehen möchte", murmelte er. Mit starrem Blick ging er an mir vorbei und in meinem Kopf entstanden Bilder von grässlichen Reißwunden. Ich fasste mir an den Kopf und versuchte sie wieder zu vergessen, während ich wartete.
Nach einigen Minuten durchbrach Gandalf die Stille:
,,Das sollte für die nächsten Stunden genügen, dann muss er wieder gewechselt werden. Klug wäre es, hier zunächst ein Lager zu errichten, damit Thorins Wunden heilen können und wir alle wieder Kraft schöpfen. Es dämmert schon, daher genehmigt euch etwas Schlaf und wir brechen auf, sobald die Sonne den frühen Morgen ankündigt", entschied der Zauberer. Zaghaft drehte ich mich um. Die Zwerge erhoben sich und begannen, die Umgebung zu sichern und etwas zu Essen vorzubereiten. Ich sah auf Thorin. Er hatte den Mantel um seinen Schultern und war wieder bei Bewusstsein. Seine Augen waren leicht geöffnet und er flüsterte Dwalin langsam etwas zu, der daraufhin nickend aufstand und den anderen Zwergen mit einigem Zögern folgte. Fili und Kili saßen neben Thorin, doch als sie mich erblickten, erhoben sie sich gleichzeitig und gesellten sich zu Bofur. Mir entging dabei das kurze Zwinkern von Fili nicht und ich sah ihm stirnrunzelnd hinterher. Mein Blick wanderte wieder zu Thorin und ich starrte auf den großzügigen Verband um seiner Hüfte. Zu meinem Entsetzen hatte ich eine verlockende Sicht auf seine nackte durchtrainierte Brust und seine stark ausgeprägten Bauchmuskeln, die unter dem Verband deutlich zu sehen waren. Er ist fast gestorben und das ist das einzige, was mir dazu einfällt?, dachte ich und zwang mich, meine Hemmung herunterzuschlucken. Meine Wangen erwärmten sich und ich senkte den Blick. Ich setzte mich zu ihm, wollte ihm dabei aber nicht auf die Pelle rücken und ließ einen Abstand von zwei Zwergen zwischen uns. Sein Gesicht war bleich, doch hatte wieder etwas an Farbe angenommen und ich bemerkte, dass seine Augen auf mir lagen. Mir wurde noch wärmer um die Wangen und ich sah auf meine Hände herab.
,,Du scheinst sehr gut mit Fili und Kili auszukommen." Seine Stimme war mild, doch wie immer markerschütternd tief und ich schluckte.
,,J-ja, denke schon", sagte ich und wich seinem einnehmenden Blick aus. Aus meinem Augenwinkel sah ich, wie er kurz nickte. Eine Stille entstand.
,,Dir missfällt der Anblick von Blut, habe ich Recht? Darum schaust du mich nicht an", schlussfolgerte er plötzlich. Ich erstarrte. Heißt das, er hat meine Blicke bemerkt? Nun, die entscheidende Frage ist wohl eher, wer nicht. Und jetzt denkt er, ich würde mich nicht trauen ihn anzusehen, weil er mit Blut bekleckert ist? Das ist nur die halbe Wahrheit. Wenn er wüsste, dass ich viel eher vor seiner entblößten Präsenz Halt mache... Und den seltsamen Gefühlen, die dabei aufkommen... Unruhig blieb ich stumm.
,,Dein Schweigen verrät mir, dass da noch etwas anderes bei mitspielt." Seine Stimme klang ein Hauch herrisch. Ich schluckte und sah noch immer überall hin, nur nicht zu ihm. Ich überlegte nach einer Antwort, mit der ich mich irgendwie aus dieser Situation hätte winden können, doch mir wollte nichts einfallen. Ich starrte angestrengt auf das kleine Feuer, das Gloin gerade gezündet hat.
,,Weshalb beichtest du es mir nicht?", fragte Thorin mit einem fordernden Unterton. Nervös kratzte ich mich am Nacken.
,,D-du weißt doch, was in Bruchtal vorgefallen ist...", murmelte ich leise. Ich sah Bombur dabei zu, wie er etwas auf einen Stock spießte und es über das lodernde Lagerfeuer hielt.
,,Dir sagt es demnach nicht zu, dass ich hier so wenig bekleidet sitze?" Oh und wie es mir zusagt, dachte ich unpassend. Ich zuckte nichtssagend mit den Achseln. Mein Blick glitt nun doch zu ihm und meine Augen fuhren sofort über seinen Körper, bevor ich mich wieder losreißen und woanders hinsehen konnte. In dem Moment zischte ein kalter Windstoß an mir vorbei und jeder winzige Muskel in meinem Körper erfror. Erst jetzt fiel mir auf, dass alles, bis auf meine pochenden Wangen eiskalt war. Ich fing an zu zittern und drückte die Zähne aufeinander.
,,Hier, du kannst ihn haben", brummte Thorin und zog sich wie selbstverständlich seinen Mantel von den Schultern. Mir klappte der Mund auf und ich stammelte eifrig:
,,Nein, d-das ist nicht nötig, sonst wird dir doch, uh... kalt." Thorins Blick verhärtete sich und ich wusste, ich hatte etwas Falsches gesagt.
,,Ich bin ein Zwerg, mir macht die Kälte nichts aus. Sie gehört zu meinem Blut. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass du dich erkältest", sprach er einschneidend. Meine Augen wanderten erneut zu ihm. Ich starrte auf seine nackten muskulösen Arme und schluckte schwer. Das ist heute wirklich zu viel des Guten. Meine Wangen werden sich wahrscheinlich nie wieder abkühlen. Jedenfalls nicht in seiner Nähe, gab ich zu. Auf seinem Schoß ausgebreitet lag der Mantel.
,,Komm her", befahl Thorin rau. Mein Herz polterte und ich starrte ihn zögernd an. Was? Ich? Einfach so? Warum bin ich so nervös? Ein weiterer Windstoß fuhr an mir vorbei und ich fröstelte sofort. Zögerlich setzte ich mich neben ihn, behielt aber weiterhin einen kleinen Abstand zwischen uns. Es war seltsam, ihm so nahe zu sein. Seltsam und aufregend, irgendwie. Mein Gott, ich sollte damit aufhören. Ich verstehe mich selbst nicht mehr. Thorin legte vorsichtig den Mantel über meinen Bauch, meine Beine, meine Brust. Eine wohlige Wärme durchfuhr meinen Körper, doch es lag nicht wirklich am Mantel. Mir klopfte das Herz bis gegen den Hals und ich starrte auf meine Füße. Die Sonne stand tief am Himmel und strahlte rotviolett über unsere Gesichter. Langsam merkte ich die Müdigkeit in mir aufkommen. Ich hatte seit einem ganzen Tag nicht mehr geschlafen, meine Ohnmacht ausgeschlossen. Ich lehnte meinen Kopf an den Felsen und atmete entspannt aus. So schön warm... Ich schloss die Augen.
,,Du solltest etwas schlafen", flüsterte Thorin, doch seine Stimme war mir fern. In der Traumwelt gefangen, kuschelte ich mich näher in den Mantel und hörte meinem explodierenden Herzschlag zu.

King Under The Moantain | bagginshieldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt