-8- Anbahnungen

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Mit einem Rütteln an meiner Schulter wurde ich wach. Ich gab ein müdes Ächzen von mir und schlug die Augen auf. Mir blickte Filis Grinsen entgegen und ich drückte mich an den Ellbogen hoch in eine sitzende Position. Er drehte sich von mir weg und warf sich seinen Kapuzenmantel über die Schultern.
,,Guten Morgen, Bilbo", flötete er und ich fuhr mir schläfrig über das Gesicht. In meinem Kopf spielte sich das ab, was mir noch bis eben in meiner Traumwelt begegnet war. Dort hatte die ganze Schlacht stattgefunden, von der Balin gestern erzählt hatte, nur viel gewaltsamer und scheußlicher. Ich hatte den Geschmack von Blut im Mund und fuhr mit dem Zeigefinger über meine Lippen, doch da war keine Wunde. Der Traum war erschreckend und lange und es tauchte auch kein junger Zwergenprinz auf, der mich hätte retten könnte. Wie bitte? Ich merkte, ich hatte schlecht geschlafen.
,,War das eine Nacht...", murmelte ich mit meiner kratzigen Morgenstimme und rieb mir die Augen wach. Mein Rücken schmerzte mir etwas, doch es war auszuhalten. Als ich den Verschluss meines Schlafsacks öffnete, bemerkte ich Filis begutachtenden Blick auf mir.
,,Wieso? Was hast du denn gemacht?", fragte er dann und wackelte spaßend mit den Augenbrauen. Fili denkt auch schon wieder an Sachen... Ich schälte mich aus der Decke und warf sie mir vor die Füße.
,,Nichts. Nur von Orks und Zwergen geträumt", gab ich zurück und setzte mich gerade auf. Ich ließ meinen Blick über unsere Umgebung schweifen und bemerkte, dass auch die anderen Zwerge schon auf den Beinen waren. Balin unterhielt sich gerade mit Dwalin und hielt seinen eingerollten Schlafsack in den Händen. Kili konnte ich nicht sehen, vielleicht war er bei den Ponys und fütterte sie gerade.
,,Aha? Kam ich in deinem Traum vor?", fragte Fili belustigt und mit einem verspielten Hoffnungsschimmer in seiner Stimme.
,,Zum Glück nicht", erwiderte ich murrend und unsere Blicke trafen sich. Meine Lippen verzogen sich zu einem frechen Grinsen und er sah mich kopfschüttelnd an, doch auch sein Gesicht erhellte sich.
,,Wie unhöflich von dir", fand er und sprang auf die Beine. Er hielt mir zwinkernd seine Hand hin und ich nahm sie mit einem amüsierten Augenrollen an. Mühelos half er mir auf die Füße und ich klopfte mir die schmutzige Erde von der bordeauxroten Jacke. Ich sah zu den Zwergen und erblickte Bombur, der Ori eine Handvoll getrockneten Schinken in die Hand drückte. Mein Blick schweifte zu den Ponys, die an einem Büschel mit rosafarbenen Blümchen knabberten.
,,Wo ist Kili?", fragte ich und bückte mich, um meinen Schlafsack zusammenzurollen. Fili räusperte sich und als ich fragend zu ihm sah, waren seine Augen auf etwas Anderes gerichtet.
,,Er ist für kleine Jungs", meinte er nach einem kurzen Augenblick. Ich klemmte mir den zusammengerollten Schlafsack unter den Arm und stand auf.
,,Oh", gab ich betreten von mir und fuhr mir durch die staubblonden Locken, die in der hellen Morgensonne schon fast so hell wie die strohblonden Haare von Fili wirkten. Dieser stand noch immer starr neben mir und mit gerunzelter Stirn drehte ich mich um. Doch sobald ich das tat, senkte Fili seinen Blick und stapfte auf die anderen Zwerge zu. Verwirrt kniff ich die Augen zusammen und sah ihm hinterher, dann wandte ich mich ebenfalls zum Gehen.
,,Morgen, Bilbo!", brummte Bombur erfreut und klatschte mir einen sonnenroten Apfel in die eine und eine Brotschnitte in die andere Hand, als ich neben ihm zum Stehen kam.
,,Eh, guten Morgen", murmelte ich abwesend und beobachtete Fili, der auf Kili zuging und ihm angeregt etwas ins Ohr flüsterte. Kilis Augen schweiften zu mir und ich legte fragend meinen Kopf ein wenig schief. Dann drehten sich die beiden Jungen geheimnisvoll von mir weg und tuschelten eifrig, nur leider standen sie so weit von mir entfernt, dass ich es nicht mitbekam.
,,Hm", gab ich nachdenklich von mir und nahm dann den Blick von ihnen. Ich ließ den Apfel in meiner Jackentasche verschwinden, um ihn Myrtle zu geben und futterte die Brotschnitte in einem Bissen auf. Vielleicht nehme ich den Apfel doch für mich, überlegte ich, noch immer hungrig und rieb mir über den Bauch.
,,Steigt auf die Ponys, wir müssen weiter!" Bei der nahen, lauten und befehligenden Stimme zuckte ich zusammen und blickte hinter mich. Thorin stand dort und musterte meine angespannte Haltung. Ich räusperte mich und stellte mich aufrecht hin, da nahm er auch schon seinen Blick von mir.
,,LOS!", forderte er ausdrücklicher. Die Zwerge beeilten sich, ihre Taschen und Schlafsäcke zusammenzusuchen und eilten zu den Ponys, um sie ihnen über die Rücken zu legen. Ich bemerkte Bomburs forschenden Blick auf mir und nickte ihm nochmal dankend für das Frühstück zu, was er mit einem Lächeln quittierte. Dann machte ich mich zu Myrtle auf, die nahe neben dem schwarzen Breeland-Pony stand. Ich näherte mich ihr und schob den Schlafsack zwischen ihrem Rücken und meinem Wanderrucksack, den ich vergessen hatte, ihr abzunehmen.
,,Tut mir leid", sagte ich entschuldigend zu ihr, doch sie stupste nur fröhlich ihre feuchte Nase gegen meine Hüfte. Sie konnte wahrscheinlich den Apfel in meiner Tasche riechen, denn sie fing an, am Saumen meiner Jacke zu knabbern.
,,He, lass das, ist ja gut", erwiderte ich belustigt und streichelte ihr über den Kopf. Ich griff in meine Tasche, nahm den Apfel hervor und Myrtle schnappte hochgestimmt danach.
,,Wer ist ein braves Mädchen? Du bist eines!", rief ich lieblich und mit munterer Stimme. Mit ihrer Zunge leckte sie mir über die Hand und ich kicherte leise bei der Berührung. Dann strich ich ihr über die weiche Mähne.
,,Hast du Gefallen an deinem Pony gefunden?" Meine Ohren horchten bei der tiefen Stimme auf und ich fuhr herum. Der Zwergenkönig stand genau hinter mir und ich nahm sofort meine Hände von Myrtle.
,,J-ja, schätze schon", meinte ich verlegen und wischte mir die nasse Hand an meiner Hose ab. Thorin hatte einen amüsierten Ausdruck im Gesicht und folgte mit seinen leuchtenden Augen den Bewegungen meiner Hand. Ich konnte spüren, wie mir schon jetzt am frühen Morgen die Farbe in mein Gesicht floss und versuchte, sie aufzuhalten. Da bemerkte ich die zwei Sättel, die Thorin problemlos auf den Armen trug und mir im nächsten Moment den kleineren davon in die Arme drückte. Etwas perplex nahm ich ihn entgegen und starrte verwirrt darauf. Dann drehte ich mich um und sah zu Thorin, der auf seinen schwarzen Hengst zuging. Er warf den Sattel über den Rücken des Ponys, zog am Gurt, bis er stramm genug saß und schnallte ihn an der Seite fest. Ich beobachtete seine Finger dabei, wie sie die Schlaufe durch die Schnalle zogen und die Nadel durch das Loch steckten. Bei ihm sahen die Griffe geschickt und bewusst aus und mir lief ein Schauer den Rücken herunter. Was? Wieso? Ich schüttelte den Kopf, nahm gezwungen meinen Blick von ihm und legte selber den kleineren Sattel vorsichtig über Myrtles Rücken. Als ich versuchte, die Schlaufe durchzuziehen, gab sie ein lautes Wiehern von sich und ich wich zurück.
,,Was ist denn?!", rief ich aus und sah ihr in die goldbraunen Augen, was sie noch aufbrausender machte. Sie schüttelte sich energisch und der Sattel rutschte ihr dabei ein Stück vom Rücken. Ich hob beschützend meine Hände und ging einen Schritt zurück, da trat sie plötzlich nach hinten aus.
,,Whoa, whoa." Thorin tauchte neben mir auf und legte behutsam seine Hände auf den Hals von Myrtle. Er strich ihr sanft über das wollige Fell und sie gab einen beruhigten Laut von sich. Er fing an, ihre Ohren zu kraulen und sie streckte ihm freudig den Kopf entgegen. Hat die es gut... warte. Was? Nein! Ich schluckte und sah hinauf in sein Gesicht. Thorin bemerkte meinen Blick und sah zu mir.
,,Nächstes Mal sagst du vorher, dass du noch nie einen Sattel angelegt hast", fand er in abschätziger Tonlage und ich sah auf den Boden herab. Er klopfte Myrtle über den Hals und umrundete mich dann.
,,Sieh her." Ich sah zu ihm auf und beobachtete seine geschickten Finger dabei, wie sie das gleiche wie bei seinem schwarzen Hengst taten, nur etwas langsamer und vorsichtiger. Als er fertig war und der Sattel perfekt auf Myrtles Rücken saß, blickte er mir aufmerksam in die Augen. Statt ihm zu sagen, dass ich es jetzt verstanden hatte, kam mir nur ein Wort über die Lippen.
,,Danke." Auf Thorins Gesicht bildete sich ein amüsiertes Schmunzeln und er fuhr Myrtle noch einmal durch das blonde Haar, bevor er sich von ihr wegdrehte.
,,Nicht dafür. Halte uns nur nicht mehr auf", erwiderte er und schritt wieder auf sein schwarzes Pony zu. Er stellte seinen Stiefel in den Bügel und schwang sich elegant auf den Rücken des Tieres. Seine geflochtenen Haare warf er nach hinten und er nahm die Zügel in die rechte Hand.
,,Du brauchst aber keine Hilfe, um auf dein Pony zu steigen, oder?", fragte er plötzlich dunkel und warf mir einen neckisch lächelnden Blick zu. Wie vom Blitz getroffen sah ich auf und biss mir auf die Wange.
,,N-nein, niemals", gab ich schnell von mir und versuchte, meine aufkommende Freude ein wenig zu zügeln, zumal ich nicht wusste, wieso mir schon wieder der Bauch pochte. Ich legte meine Hände um den Sattel, stellte meinen Fuß in den Steigbügel, hoffte, dass ich es gleich beim ersten Mal schaffte und stieß mich vom Boden ab. Ich zog mich ruppig am Sattel hoch und landete etwas schwankend auf dem Rücken meines Ponys. Ha! Geschafft. War gar nicht so schwer. Auf meinen Lippen bildete sich ein stolzes Lächeln und ich blickte zu dem Zwergenkönig, der mir andächtig zunickte.
,,Thorin, lass uns gehen!", rief Dwalin zu uns herüber und wir beide brachen den Blick. Thorin tippte seinem Hengst in die Seite und führte ihn zu den anderen Zwergen, die schon alle auf ihren Ponys saßen. Ohne irgendetwas zu machen, folgte Myrtle ihm und ich ließ mich erleichtert in den Sattel niedersinken.
,,Bildet eine Reihe, zwei nebeneinander und passt beim Herabsteigen auf, der Boden könnte am Rand rutschig sein", sagte Thorin warnend und trabte zu der Spitze der Gemeinschaft, wo Gandalf schon mit seinem Pferd wartete.
,,Beutlin, du kommst wieder nach vorne!" Ich schreckte im Sattel hoch und war überhaupt nicht von seiner Forderung begeistert. In seiner Nähe passieren mir die absurdesten und peinlichsten Dinge, schoss mir durch den Kopf. Ich stupste Myrtle mit meinem Zeh an und sie hopste vergnügt zu dem schwarzen Breeland-Pony, als hätte sie gewusst, dass sie beide wieder nebeneinander hergingen würden. Oder war es, weil sie sich darüber freut?, überlegte ich und runzelte die Stirn. Neben Thorins Pony verlangsamte sie ihren Schritt und ich bemühte mich mit ganzer Kraft, diesmal wirklich nur nach vorne über die Landschaft zu sehen. Zu meiner Überraschung klappte es und für die nächste Zeit lagen meine Augen nur auf den kahlen Bergen und leise plätschernden Flüssen.

King Under The Moantain | bagginshieldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt