Hier neben dir

Chapter 21

-SICHT MIRA-
Ja, es war scheisse, Wincent nichts zu sagen. Ich hatte aus irgendeinem Grund einfach Angst.
Als Jonas gesehen hat, dass Wincent und ich trotz seiner echt miesen Aktion immer noch zusammen sind, hat er es denke aufgegeben. Er ist zwar ruhig, benimmt sich aber. Auf Wincent's ausdrückliche Anweisung hin, dass ich nicht mehr nur die Büroarbeit mache, sehe ich ihn zwar mehr, aber wir wechseln kaum ein Wort und wenn, nur wegen der Arbeit. Er ist wieder der professionelle Jonas, von damals, der sich nicht von seinen privaten Problemen beirren lässt.
Ich sitze gerade auf dem Sofa und prüfe die Abrechnungen. Meine Gedanken schweifen aber immer wieder ab. Morgen fahren wir nach oben. Es ist zwar immer noch ziemlich kalt, aber die Ostsee ist einfach traumhaft schön. Da ist es egal, ob wir Hochsommer oder Winter haben. Na gut, Winter kann man auch nicht mehr sagen, immerhin haben wir es Ende Februar und langsam brauch ich keine dicke Winterjacke mehr.
"Na, meine Arbeitsbiene" knallt Wincent sich plötzlich neben mich auf die Couch.
Er legt seinen Kopf auf meine Schulter und ich fange an, ihn leicht zu kraulen.
"Ich bin hier auch gleich durch. Dann können wir eigentlich fahren."
"Wir müssen zuhause noch packen" nuschelt er in meine Halsbeuge.
"Mh... Wir fahren morgen spätestens gegen zehn los, ne?"
"Ja... Es ist ja nen Sonntag, voll wird denke ich nichts sein."
"Ne... Wann hast du den Termin für die Location nochmal gemacht?"
"Am Montag um drei."
"Hey" kommt Jonas dann zu uns.
Wincent hat sich sofort aufgesetzt. Wie perfekt kann jemand eigentlich sein? Er hat nicht den geringsten Grund, irgendwie Rücksicht auf ihn zu nehmen und trotzdem tut er es.
"Ehm" beginnt er "Wir fahren demnächst."
"Ja, wir alle."
"Ja, ich wollte nur nochmal mit euch reden... Es tut mir leid. Ich hab mich echt benommen, wie der letzte Arsch. Eigentlich hab ich auch nichts anderes verdient, als dass du mich hasst, Mira."
"Jonas, ich hasse dich nicht. Klar, ziemlich viel ist schief gelaufen, aber irgendwo sind wir beide an dem kompletten Drama Schuld."
"Da hast du wahrscheinlich recht" lacht er "Na dann, ich helf den anderen mal weiter beim Einräumen."
Er verschwindet wieder und ich lehne mich noch etwas an Wincent.
"Das war irgendwie unerwartet" gebe ich zu.
"Hm..."
Wincent drückt mir einen Kuss auf den Kopf und ich konzentriere mich wieder auf die Arbeit. Das dauert auch nicht mehr allzu lange.
Nachdem wir dann alles eingepackt und uns von den anderen verabschiedet haben, da wir sie erst in zwei Wochen zum Tourstart wiedersehen, steigen wir ins Auto. Wincent fährt los und als wir dann die Landstrasse erreicht haben, legt er seine Hand auf meinen Oberschenkel. Kurz sehe ich zu ihm rüber, aber sein Blick ist fest auf die Strasse gerichtet, während er mich mit seinem Daumen leicht streichelt und zufrieden lächelt. In letzten zwei Wochen hat sich alles immer mehr entspannt.
Ich sehe wieder aus dem Fenster.

Ich stehe gerade vor meinem Schrank, als Wincent sich plötzlich dicht hinter mich stellt, die Arme um mich schlingt und sein Gesicht in meinen offenen Haaren vergräbt.
"Was ist denn heute los?" lache ich.
"Was soll sein?" nuschelt er.
"Pack lieber mal deine Sachen."
"Kannst du das nicht machen?"
"Noch was? Massage? Dreigängemenu?"
"Sag ich auch nicht nein."
"Wahrscheinlich geht es sowieso schneller, wenn ich packe."
Nachdem er mir noch einen fetten Schmatzer auf die Wange gedrückt hat, legt er sich aufs Bett.
"Du kannst wenigstens noch den Koffer runterholen. Ich komm da nämlich nicht ran."
"Das fällt dir dann ein, wenn ich mich hingelegt habe?"
"Wenn du ihn nicht holst, kann ich nicht packen."
"Die Nachteile einer kleinen Freundin" murmelt er und steht auf.
"Hey, das hab ich gehört!"
Er stellt sich dicht vor mich, so dass ich einfach hochschauen muss.
"So klein bin ich auch nicht" murmle ich.
"An die Koffer kommst du trotzdem nicht" grinst er und holt dann den Koffer.
Während Wincent sich wieder ins Bett legt, packe ich also unsere Sachen. Immer wieder sieht er vom Handy auf und mustert mich.
"Schon fertig?" fragt Wincent verwirrt, als ich den Koffer soweit fertig habe.
"Naja, wenn du mal zwischendurch nicht den grössten Quatsch im Kopf hast, geht's eben schneller."
"Ey!"
"Was denn? Stimmt doch."
"Na warte!"
Während er allerdings noch aufsteht, bin ich schon längst aus dem Zimmer gerannt. Wincent hat mich aber natürlich ziemlich schnell wieder eingeholt, so dass wir nun lachend auf dem grossen Teppich im Wohnzimmer liegen.
"Quatsch im Kopf? Ich doch nicht."
"Nein, also ich muss mich echt entschuldigen. Quatsch hast du wirklich nie im Kopf. Scheuchst mich durch die halbe Wohnung."
"Du hättest ja nicht wegrennen müssen."
"Und mich direkt geschlagen geben? Wir wissen beide, das ich dafür viel zu stur bin."
"Stimmt, du bist verdammt stur."
"Hey!" lache ich.

Wir sitzen gerade im Auto. In circa einer halben Stunde sind wir da. Ich merke, wie Wincent sich immer mehr freut. Das ist einfach süss. Er freut sich einfach, Shay wieder in seine Arme zu schliessen. Ich glaube, das kann sie gerade auch mal gebrauchen. Gestern haben wir geschrieben. Irgendwie gibt es Stress mit Leon. Ich wollte es Wincent eigentlich sagen, aber Shay hat es mir ausdrücklich verboten.
»Wann seid ihr da?« schreibt sie mir gerade.
»In ca 20 min. Alles okay?«
»Kannst du dann mal gleich hochkommen? Alleine«
»Klar«
»Kein Wort zu Wincent«
»Ich hab es dir versprochen«
"Alles okay? Mit wem schreibst du?"
"Shay hat nur gefragt, wann wir da sind."
»Er freut sich aber schon ziemlich, dich wieder in die Arme zu schliessen. Wenn du mich einfach hochziehst, wird er definitiv misstrauisch«
»Ich will aber nicht, dass er mich so sieht«
»Was meinst du?! Wie sieht?!«
Sie hat es gelesen, antwortet mir aber nicht.
»Shay, bitte antworte! Ich mache mir Sorgen! Wie meinst du das?«
»Kannst du dann nicht einfach hochkommen?«
»Ich komme hoch, aber dir muss klar sein, dass du definitiv trotzdem mit Wincent reden musst«
»Das will ich aber nicht. Er wird ausrasten! Komm einfach hoch«
"Alles okay? Du guckst so besorgt."
"Ja, alles gut" lächle ich "War nur irgendwie in Gedanken."
Ich sehe einfach aus dem Fenster, damit er nicht mehr in meinem Gesicht lesen kann.