"Hey, geht's dir gut?" fragt sie mit besorgtem Blick.
"Ja klar, bin nur gestern irgendwie hier auf dem Sofa eingeschlafen" setze ich ein Lächeln auf, wobei sich mir in Wirklichkeit aber eher der halbe Magen umdreht.
"Du siehst aber schon echt blass aus."
"Ne, wirklich. Mir geht es gut."
Ich setze mich auf, was wohl doch etwas zu schnell war. Kurz wird mir schwarz vor Augen.
"Okay, stopp! Du legst dich jetzt hin und ich mache dir einen Tee. Ausserdem musst du wenigstens mal ein trockenes Toast oder Zwieback essen."
"Angela, mir geht es gut."
"Tut es nicht, Kleines, leg dich bitte hin. Das ist mein Ernst. Wincent hat schon erzählt, dass es dir in den letzten Wochen nicht so gut ging."
"Ich-"
"Nix da. Du legst dich jetzt wieder hier hin und ich mach dir einen Tee."
Ich kann mich gar nicht wehren, da werde ich hingelegt und Angela geht in die Küche.
Kurz danach kommt sie wieder zu mir und stellt einen Tasse auf den Couchtisch.
"So, jetzt reden wir mal Klartext. Dir geht es offensichtlich nicht hundertprozentig gut. Du willst aber nicht zum Arzt. Warum?"
"Es ist nur der Stress der letzten Monate."
"Durch den Stress der letzten Monate hast du keinen Appetit mehr auf Kaffee? Mira, das klingt so, als wärst du schwanger."
"Schön wär es."
"Bist du nicht?"
"Der Test, den wir gemacht hatten, war negativ."
"Okay, dann hast du einfach nur so weniger Appetit. Kann auch mal vorkommen. Dann ist aber wirklich die Frage, was du hast."
"Ich bin nur etwas erschöpft. Mehr nicht."
"Ich lass dich jetzt echt nur ungern alleine. Hast du was dagegen, wenn ich noch so lange bleibe, bis ich mir sicher bin, dass es dir gutgeht? Und wenn ich jetzt höre, dass es dir gutgeht, bleibe ich erst recht."
Ich lache kurz auf, bevor ich meine Schwiegermutter wieder anschaue. In ihren Augen liegt eindeutig die Sorge.
"Nein, ich hab nichts dagegen."
"Danke" atmet sie erleichtert aus "Hast du noch irgendwelche anderen Beschwerden?"
"Nein, nur ein seltsames Unwohlsein."
Sie legt ihre Hand an meine Stirn und runzelt dann ihre.
"Also Fieber definitiv nicht, aber definitiv etwas erhöhte Temperatur."
"Angela, mir geht es wirklich gut soweit."
"Hm... Du und Wincent seid euch einfach zu ähnlich. Warum kann man nicht einmal zugeben, wenn es einem mal nicht so gut geht? So schwer? Nein... Wie hat deine Mutter das damals bitte geschafft, wenn ihr krank wart?"
"Sie hätte uns dann immer fast ans Bett gekettet" lache ich leicht "Keine Ahnung... Wir hatten schon immer einen Sturkopf. Wie Mama."
Langsam setze ich mich wieder etwas auf.
"Wie war sie so?"
Langsam stehe ich auf und hole aus dem Regal das dünne Fotoalbum. Es ist zwar echt dünn, aber trotzdem sind ziemlich viele Fotos drinnen. Zumindest meine liebsten Erinnerungen.
"Sie war die beste Mutter, die ich mir hätte wünschen können" lächle ich leicht, als ich mich wieder neben Angela setze "Ich hab viel von ihr gelernt."
Ich schlage das Buch auf und das erste Bild ist natürlich das, wo ich als Baby im Arm meiner Mutter liege und Max auf ihrem Oberschenkel sitzt und mich einfach ansieht. Meine Mutter schaut lächelnd in die Kamera.
"Sind das du und Max?" schmunzelt sie.
"Ja, ich glaube, da war ich knapp zwei Monate alt... Viele Fotos am Anfang hat entweder meine Mutter selber gemacht oder ein paar sind durch meinen Vater entstanden. Die meisten aber durch meine Mutter. Ich denke ab der Hälfte sind die meisten Fotos von mir."
Wir sehen uns die Fotos der Reihe nach an und müssen teilweise echt lachen. Vor allem am Anfang. Die Fotos meiner Mum sind echt lustig.
"Was ist da denn passiert?"
"Ich glaube, das war an meinem 14. Geburtstag. Ich hab mit Max und ein paar wenigen anderen Freunden bei uns im Garten gefeiert. Mein Papa fand es dann ganz lustig, mich über seine Schulter zu werfen und in den Pool zu schmeissen. Danach hat er sich auch noch meine Mama geschnappt. Sie ist dann auch ziemlich schnell neben mir im Wasser gelandet. Er ist dann im hohen Bogen auch reingesprungen und hat eine Wasserschlacht angezettelt. Max hat es dann fotografiert, wie er mich auf die Schultern genommen hat und wir uns zusammen gegen Mama gestellt haben."
"Oh Gott, die arme."
"Naja, Max ist dann auch dazugekommen und war natürlich sofort bei ihr. Dann sahen wir alt aus."
Schmunzelnd blättern wir weiter.
"Okay, was ist da passiert?" platzt es lachend aus Angela raus.
Auch ich muss bei dieser Erinnerung laut losprusten.
"O man... Ich glaube, dass das war, als wir endlich mal das Obergeschoss gestrichen haben. Am Ende war natürlich Farbe übrig und Max hat mich einfach angemalt. Das war glaub knapp nach meinem Geburtstag. Ich hab ihn dann natürlich auch angemalt. Aber nicht mit der weissen Farbe für sein Zimmer, sondern mit dem Hellrosa. Davon hatte ich zwar nur wenig, aber ich war damit fertig und somit konnte Max den Rest gerne haben. Nachdem meine Eltern das einfach kurz lachend beobachtet haben, haben wir uns auf die beiden gestürzt."
Danach ist dann eben die Fotoreihe entstanden. Max und ich. Mama und ich. Max, Moritz und ich. Mama und Moritz. Max und Mama. Und natürlich auch wir vier zusammen. Alle haben wir Farbe im Gesicht und an den Klamotten.
Ein paar Seiten weiter sind wir dann auch schon bei dem letzten Bild, was vor ihrem Tod entstanden ist. Naja, den drei Bildern. 4 Tage vor dem Unfall.
In den ersten Jahren nach ihrem Tod, tat es immer unglaublich weh, an diesen Tag zu denken, wo wir so unglaublich glücklich waren. Jetzt denke ich gern zurück.
"Kein Wunder, dass du so ein herzlicher Mensch geworden bist. Deine Mutter hat euch ja auch liebevoll erzogen."
"Ich könnte mich nie beklagen. Auch wenn es schlechte Zeiten gab, hat sie immer alles getan, damit uns nichts fehlt."
"Sie ist mit Sicherheit unglaublich stolz auf euch."
"Das denke ich auch."
"Unglaublich, wie ähnlich ihr euch seht."
"Haha... Irgendwie schon."
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Hier neben dir
FanfictionEin paar Monate sind jetzt vergangen, seit Wincent nun die ganze Wahrheit über Mira erfahren hat. Die beiden sind immer noch glücklich und es könnte für sie nicht besser laufen. Klar, es gibt mal die ein oder andere Diskussion, aber dass ist doch au...