‚Ja, aber wo ist denn jetzt überhaupt mein Zuhause? In Busan? Hier in Seoul? Oder doch in Tokio bei meiner Mutter?'
Die ganze Zeit spielen sich diese Worte von Jungkook in meinem Kopf ab. So, als hätte sie jemand auf Replay gestellt oder so, als hätte eine Schallplatte einen Sprung, während Kookie nach gefühlten Ewigkeiten und einem Kakao, den ich aus der Cafeteria mit hochbrachte, neben mir einschlafen konnte.
Stimmt. Diese Tatsache hatte ich schon wieder vollkommen verdrängt, da ich mich zu sehr darauf konzentriert habe, Jungkook so gut ich kann bei seinen Therapien zu unterstützen. Ich habe es vollkommen verdrängt, weil ich zu sehr dieses Glück genossen habe und dass meine Hoffnung letztes Mal nicht kleiner wurde, sondern sie sich endlich auszahlte und mein Freund endgültig bei mir bleiben sollte.
Doch jetzt, wo ich wieder an diese ganze Jugendamt-Geschichte erinnert wurde, stellt sich mir die Frage, ob Jungkook wirklich bei mir bleiben wird.
Bei seinem Vater wird ihn das Jugendamt garantiert nicht lassen und da er noch nicht volljährig ist, wird er auch nicht alleine wohnen dürfen. Also bleibt nur die Möglichkeit, dass er entweder zu einer Pflegefamilie kommt oder dass seine Mutter das alleinige Sorgerecht bekommt.
Wenn letzteres eintritt, dann wird Jungkook nicht hier in Seoul bleiben. Seine Mutter hat sich schließlich dazu entschieden, nachdem die Scheidung von Shinwon erledigt ist und Jungkook sich wieder vollständig erholt hat, nach Tokio zu ziehen. Wenn das wirklich passieren sollte, dann trennen Jungkook und mich das ganze Japanische Meer und über eintausend Kilometer Luftlinie.
Da könnten wir unsere Beziehung auch gleich beenden.
Eine so große Entfernung wird auf Dauer garantiert nicht gut für eine Beziehung sein.
Aber ich will das nicht. Ich will nicht, dass unsere Beziehung endet. Vor allem nicht so. Nicht nochmal.
Ich kann nun nicht mehr gegen die Tränen ankämpfen, die unaufhörlich über meine Wangen laufen wollen. Auch ein leises Schluchzen kann ich mir nicht verdrücken. Ich glaub's einfach nicht, dass wir noch immer nicht genug Sachen durchstehen mussten, um endlich eine Beziehung führen zu können. Anscheinend will das Schicksal einfach mit allen Mitteln verhindern, dass ich glücklich bin. Alles, was mir wichtig ist, scheint mir dieses verdammte Schicksal nehmen zu wollen.
„Tae? Was hast du denn?" fragt Jungkook verschlafen, während er zu mir hochsieht, sich mit seiner linken Hand den Schlafsand aus seinen Augen wischt und sich auf seinem rechten Unterarm abstützt. „Dein ganzer Körper zittert." fügt er noch an seine Worte an. „Es ist nichts, Kookie. Schlaf ruhig weiter." sage ich so ruhig ich kann, während ich meine zitternde Stimme versuche unter Kontrolle zu bringen und ihm sachte durch seine Haare streiche, um zu versuchen meine Worte nochmal ein bisschen zu bestärken.
„Hey, warum weinst du denn?" fragt er plötzlich hellwach und setzt sich nun komplett auf und wischt mir die Tränen von meinen Wangen. Ich schweige und schaffe es nun echt nicht mehr, mich und meinen Gefühlsausbruch unter Kontrolle zu kriegen, weshalb ich den Tränen nun endgültig freien Lauf lasse.
Nachdem mir Jungkook einen besorgten Blick zuwirft und ich trotz der Dunkelheit sehen kann, wie etwas glänzendes nun auch seine Wange hinunterläuft, schließt er mich in eine feste Umarmung. Ich erwidere sie direkt fest und vergrabe meinen Kopf tief in seine Halsbeuge, während ich dort auch einige Küsse hinterlasse.
Ich will nicht, dass er mir erneut genommen wird.
Wieso zur Hölle?
Was habe ich getan, Gott?
War ich so ein schlechter Mensch?
Soll das meine Strafe sein?„Was hast du, Tae? Bitte rede mit mir." sagt Kookie, sodass ich seinen heißen Atem an meinem Hals spüren kann.
Ich drücke ihn nur noch fester an mich und vergrabe meinen Kopf weiter in seine Halsbeuge, ehe ich mit noch immer zitternder Stimme beginne, seine Frage zu beantworten: „Ich habe Angst." Meine Stimme ist nichts weiter als ein Wispern. Nur weil der Raum komplett in Stille getaucht ist, kann Jungkook mich hören.
„Wovor? Wovor hast du Angst, Tae?" fragt er und nun drückt er mir einige Küsse in meine Halsbeuge. „Ich habe Angst davor, dich zu verlieren." sage ich schluchzend. „Wie kommst du darauf?" fragt er und drückt mich etwas aus der Umarmung, um mir in mein verheultes Gesicht zu sehen und mir einige Tränen wegzuwischen, was selbstverständlich jedoch nicht viel bringt, da immer mehr davon an die Außenwelt treten.
„Jungkook, einmal habe ich dich bereits verloren. Ein zweites Mal fast und noch einmal kann ich einfach nicht verkraften. Was soll ich denn machen, wenn deine Mutter das Sorgerecht bekommt und du nach Tokio ziehen musst?" „Darüber denkst du also nach?" „Natürlich denke ich darüber nach. Eintausend Kilometer sind kein Katzensprung, Jungkook. Ist dir das etwa egal?" sage ich ein wenig aufgebracht, da er anscheinend nicht verstehen will, wie verdammt wichtig mir das ist.
„Nein. Selbstverständlich ist mir das nicht egal. Dass du denkst, dass das komplett an mir vorbeigehen würde, verletzt mich ehrlich gesagt, Tae. Meinst du etwa, ich hätte nicht darüber nachgedacht? Meinst du wirklich, mir wäre das vollkommen gleichgültig, was mit uns passiert, sollte meine Mutter das Sorgerecht bekommen?" entgegnet er und sofort bekomme ich ein schlechtes Gewissen.
Doch gerade, als ich wieder etwas sagen will, ergreift er erneut das Wort, nachdem er kurz seufzte: „Entschuldige, Tae. Ich wollte nicht so ausfällig werden. Auch ich habe mir schon den Kopf darüber zerbrochen. Weißt du, als du vorhin kurz unten warst, um uns Getränke zu holen, hat mir meine Mutter geschrieben, dass sie das Sorgerecht bereits bekommen hat, also müsste ich rein theoretisch, sobald ich entlassen werde, mit ihr nach Tokio."
Ich hatte gehofft, dass er wenigstens versucht mich aufzuheitern, doch stattdessen sagt er, dass eigentlich keine Hoffnung mehr besteht. Als ich noch nicht wusste, dass seine Mutter das Sorgerecht bekommt, bestand wenigstens noch eine minimale Chance, dass er in eine Pflegefamilie hier in Seoul kommt, doch mit diesen Worten hat er mir nun auch mein letztes bisschen Hoffnung genommen.
„Tae? Hast du gehört, was ich gesagt habe?" „Das heißt also, dass du wirklich nach Japan ziehen musst?" frage ich ungläubig und erneut laufen Tränen meine Wangen hinunter, die Jungkook wieder versucht wegzuwischen, während er gedankenverloren antwortet: „Ich weiß es wie gesagt nicht. Anscheinend hast du mich doch nicht gehört." Dann legt er seine Hände um meinen Nacken und sieht mir tief in die Augen.
„Wie ich bereits sagte, müsste ich rein theoretisch mit ihr nach Tokio. Theoretisch. Das heißt nicht sicher. Ich erzähle es dir gerne noch einmal, denn anscheinend hast du dein Gehör wirklich vollständig abgeschaltet, nachdem ich sagte ich müsse eventuell nach Tokio. Nachdem meine Mutter mir dann mitgeteilt hat, dass sie das Sorgerecht bekommen hat, hat sie mich gefragt, ob es für mich wirklich okay wäre, nach Tokio zu ziehen. Als ich ihr sagte, dass ich lieber hier in Seoul bleiben würde, hat sie gemeint, dass sie versucht eine Lösung zu finden. Sie selbst hält es aber nicht länger hier in Seoul aus. Das alles geht ihr viel zu nah. Die Person, die meine Mutter über alles liebte, hat ihren Sohn getötet und versuchte ihren anderen ebenfalls zu töten."
Er seufzt kurz, ehe er fortfährt:
„Sie hält es nicht mehr aus in dieser Stadt, die ihr all das ständig in Erinnerung ruft. Also sie wird Seoul auf jeden Fall verlassen. Sie weiß nur noch nicht, ob sie dann wirklich nach Tokio zieht, oder doch woanders hin. Aber ob nun so oder so muss ich mit ihr ziehen, sollte sie keine Lösung finden. Zumindest, bis ich dann in drei Monaten meinen Geburtstag habe und volljährig bin. Es tut mir leid, dass ich dir das alles jetzt erst mitteile, aber ich wollte dir keine unnötigen Hoffnungen machen. Schließlich wissen wir nicht, ob es wirklich funktioniert. Ich dachte, es wäre besser für dich, wenn du wenigstens noch die Hoffnung hast, ich könnte in eine Pflegefamilie kommen, da diese Möglichkeit wesentlich wahrscheinlicher wäre, als die, dass meine Mutter tatsächlich eine Lösung findet. Aber da du anscheinend bereits davon ausgingst, dass meine Mutter das Sorgerecht bekommt, wollte ich dir sagen, dass selbst dann nicht alle Hoffnung verloren ist. Da ich keine andere Möglichkeit habe, setze ich nun meine ganze Hoffnung in meine Mutter."
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Joa, ich habe mich spontan dazu entschieden, die Geschichte heute zu Ende zu bringen, also werden über den Tag hinweg die restlichen Kapitel veröffentlicht.😂
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You Are My Destiny {TaeKook}
FanfictionGlaubt ihr an sowas wie 'magische Verbindungen'? Kim Taehyung, ein zwanzigjähriger Student, hat noch nie an sowas geglaubt. Er war immer für sich. Er hatte sonst niemanden, außer seinen besten Freund. Doch als er eines Tages auf einen braunhaarigen...