Heute ist es so weit. Der erste September und somit Jungkook's neunzehnter Geburtstag.
Ich war eben im Café, weil ich die Hoffnung hatte, Jungkook dort anzutreffen, doch die einzige Person, die ich antraf, war Luna, Jungkook's Chefin. Sie sagte mir, dass sie ihren Arbeitern an ihren Geburtstagen grundsätzlich frei gibt und sie nur dann einsetzt, wenn es nicht anders geht. Deswegen bin ich jetzt auch gerade auf den Weg zu seinem Haus. Ich will einfach nur nachschauen, ob er zuhause ist.
Gerade als das große rote Haus in mein Blickfeld gerät, öffnet sich die weiße Haustür und Jungkook tritt hinaus doch wird, noch bevor er das Grundstück verlässt, am Handgelenk zurückgezogen.
„Wo willst du hin, junger Mann?" fragt die erwachsene, männliche Person, welche Jungkook erschreckend ähnlich sieht. Aus diesem Grund schätze ich mal, dass es sich bei dieser Person um Jeon Shinwon, Jungkook's Vater, handelt. „Ich brauch frische Luft." beantwortet der Braunhaarige die Frage seines Vaters und reißt sich aus dessen Griff.
Doch sonderlich weit kommt er nicht, da ihn sein Vater wieder am Handgelenk zurück zieht. „Wir waren gerade beim Besprechen deines Debüts, da kannst du nicht einfach so vom Tisch aufstehen und aus dem Haus stürmen!" „Du siehst doch, dass ich das kann! Ich halte es in diesem Irrenhaus einfach nicht mehr aus! Jedes Jahr aufs neue tut ihr so, als wäre nie etwas vorgefallen! Jedes Jahr aufs neue tut ihr so, als hätte Junghyun nie existiert! Als wäre sein Tod und seine komplette Existenz komplett an euch vorbei gegangen! Ich kann das nicht mehr! Ich hab lange genug dabei mitgespielt!" Wieder reißt sich Jungkook aus dem Griff seines Vaters und schafft es dieses Mal auch endlich das Grundstück zu verlassen.
Er rennt die Straße in Richtung Apfelplantage lang. Ich denke nicht groß nach, sondern renne Jungkook direkt hinterher. Dabei hätte ich fast das Geschenk für ihn fallen lassen. Als ich die Apfelplantage erreiche, sehe ich ihn unter dem Baum sitzen, unter welchem ich ihn das erste Mal geküsst habe. Er hat die Beine dicht an seinen Körper gezogen, umarmt mit beiden Armen jene und hat seinen Kopf auf seinen Knien abgelegt. Schon jetzt höre ich ihn schluchzen.
Langsam gehe ich auf ihn zu, setze mich neben ihn und schließe ihn direkt in meine Arme. Da er die Umarmung auch direkt erwidert, gehe ich davon aus, dass er weiß, dass ich es bin, der ihn da umarmt. Ich streiche ihm beruhigend durch die Haare und versuche meine eigenen Tränen zurückzuhalten. Wenn ich ihn so sehe, kann ich nicht anders, als auch kurz vorm Weinen zu stehen. Ihn so zu sehen, zerbricht mir jedes Mal das Herz.
Erst nach einer ganzen Weile merke ich, wie sich Jungkook langsam beruhigt. „Danke, Tae. Du warst zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort." sagt er, während er seinen Kopf noch etwas weiter in meiner Brust vergräbt. Ich streiche ihm noch immer sachte durch seine Haare. „Was ist denn passiert? Ich habe das Gespräch von deinem Vater und dir im Vorgarten mitgehört."
Er drückt mich noch einmal fester an sich, ehe er anfängt zu erzählen: „Namjoon hat dir bestimmt schon gesagt, dass ich meinen Geburtstag nicht mag, doch den Grund hat er dir garantiert nicht genannt. Ist auch kein Wunder, denn ich habe ihn darum gebeten, es für sich zu behalten. Weißt du, es ist nämlich so, dass mein Geburtstag zeitgleich Junghyun's Geburtstag, aber auch sein Todestag ist."
Ich kann gar nicht sagen, wie überrascht ich über diese Aussage bin, doch ich versuche meine Überraschung nicht mit meiner Körpersprache Ausdruck zu verleihen, da es für Jungkook ein sehr schmerzliches und schweres Thema sein muss und jede kleinste Geste oder Aussage von mir könnte er, aufgrund dieses emotionalen Themas, falsch verstehen.
„Ich war eine Frühgeburt. Ich sollte eigentlich erst am fünften September geboren werden, doch noch während Junghyun seine Geschenke zu seinem sechsten Geburtstag ausgepackt hat, ist die Fruchtblase meiner Mutter geplatzt. Zumindest hat mir das Junghyun so erzählt. Er meinte, er wäre anfänglich sauer auf mich gewesen, weil ich seinen Geburtstag ruinierte, doch als er mich sah, wäre diese ganze Wut komplett verflogen. Er meinte, er hätte mich sofort ins Herz geschlossen. Deshalb ließ er auch nie jemanden an mich ran und passte so gut auf mich auf, wie es ein Hund bei seinem Herrchen oder Frauchen gegenüber Fremden macht. Er war ohne Zweifel die Person in meiner Familie, die mich am meisten geliebt hat."
Ich merke wie Jungkook sich mit dem Handrücken über die Wange fährt, was wohl bedeutet, dass er sich eine Träne wegwischt.
„Meine Eltern tun jedes Jahr so, als hätte Junghyun nie existiert. Der erste September ist für sie einfach nur ein stinknormaler Tag, wie alle anderen auch. Ein stinknormaler Tag, an dem sie gestresst sind und in Arbeit untergehen, so wie auch sonst jeden Tag. Sie gehen an diesem Tag nicht mal auf den Friedhof und besuchen sein Grab. Die Arbeit geht bei ihnen immer vor. Sieben Jahre habe ich mich bei ihnen in der Nähe immer so verhalten, wie sie es auch taten. Ich spielte jedes Jahr mit und hatte deshalb auch immer ein schlechtes Gewissen gegenüber Junghyun. Ich schlich mich zwar immer zu seinem Grab, doch nie erzählte ich irgendjemandem von meinem Bruder. Auch ich tat immer so, als hätte er nie existiert. Ich verabscheue mich so sehr dafür. Für viele kam er im Fernsehen überheblich und arrogant rüber, weil er auch vorrangig solche Rollen spielte, doch dabei war er immer für mich da, kümmerte sich um mich, wie keiner sonst und ich schaffe es nach seinem Tod nicht mal irgendjemandem zu erzählen, was für ein wundervoller Mensch er in Wirklichkeit war. Ich bringe es frühs nicht mal richtig zu stande, mich im Spiegel anzusehen, so sehr hasse ich mich dafür, dass ich sieben Jahre lang seine ganze Existenz verschwiegen habe. Ich hätte mir ein Vorbild an ihm nehmen sollen, doch stattdessen bin ich das absolute Gegenteil von ihm. Seit er nicht mehr bei mir ist, habe ich mich mehr und mehr verschlechtert und mich zu einem so furchtbaren Menschen entwickelt."
„Jungkook, du bist kein furchtbarer Mensch. Es stimmt, du hättest deinen Bruder nach dessen Tod nicht verschweigen dürfen, doch das macht dich keineswegs zu einem schlechten Menschen." „Woher willst du das wissen? Ich hab den einzigen Menschen, der mich je geliebt hat, einfach verschwiegen und so getan, als hätte er nie existiert."
„Doch das macht dich nicht gleich zu einen furchtbaren Menschen. Du führst dir die ganze Zeit nur deine negativen Seiten vor Augen und vergisst dabei deine ganzen positiven. Du weißt gar nicht, wie viele das sind. Du bist selbstloser, als alle anderen Personen, die ich bisher getroffen habe, zusammen. Du bist hilfsbereit und sorgst dich um deine Mitmenschen. Du vergisst all das und noch viel mehr, weil du dir ständig nur vor Augen führst, dass du die Existenz deines Bruders verschwiegen hast. Du musst mit dir ins Reine kommen und aufhören dir Vorwürfe zu machen. Meine Mutter sagt immer, dass wenn man über etwas redet, was einen beschäftigt, es einem leichter fällt, damit abzuschließen und sie hat recht damit. Also hör auf immer alles in dich hineinzufressen und teile dich mit. Rede über deinen Bruder."
„Könntest du...Könntest du mich eventuell zu seinem Grab begleiten?" fragt er mich stotternd und vergräbt sein Gesicht weiterhin in meiner Brust. „Selbstverständlich."
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You Are My Destiny {TaeKook}
FanfictionGlaubt ihr an sowas wie 'magische Verbindungen'? Kim Taehyung, ein zwanzigjähriger Student, hat noch nie an sowas geglaubt. Er war immer für sich. Er hatte sonst niemanden, außer seinen besten Freund. Doch als er eines Tages auf einen braunhaarigen...