Kapitel 5

185 12 0
                                    

„Eine Wand aus heißer Spätsommerluft schlägt mir entgegen und ehe ich mich versehen kann, krame ich nach meinem Schlüssel. Beim Öffnen der Haustür spielen die mit einem babyblauen Stoffstreifen an die Decke gebundenen Glöckchen die Melodie von zuhause; mehr braucht es für mich nicht, um mich wieder vollkommen wohl zu fühlen. Durch die irrgartenähnlichen Ladengänge schlängle ich mich zur Treppe und stelle oben meine Schuhe beiseite. In der schmalen Küche strahlt mich meine Mom schon mit ihrem breitesten Honigkuchenpferdelächeln an. »Hi, Schatz! Wie war dein Tag?« Mit einer Hand wuschelt sie mir durch die mausbraunen Haare und gespielt genervt verdrehe ich die Augen, freue mich innerlich aber über die kleine Geste.

»Für den ersten Tag war es ganz cool! Die Kurse, die ich behalten habe, haben sich krass durchmischt und ich habe das Gefühl wieder Namen lernen zu müssen, igitt. Über die neuen kann ich noch nicht so viel sagen, hatte heute früh nur Englisch. Man merkt, dass die Lehrer jetzt erstmal entspannt anfangen und uns nicht gleich tausend Hausaufgaben aufs Auge drücken, aber das kommt sicher noch«, vermute ich kopfschüttelnd. »Und ich kann stolz berichten, dass sich wie nach den letzten Sommerferien, das Essen gebessert hat! Es gab Käse auf den Nudeln, sowas hatten wir noch nie!«

Lachend greift meine Mom nach dem Geschirrhandtuch und einem tropfenden Glas. Sie hat mir immer versichert, dass es quasi Pflicht ist, dass das Schulessen nicht schmeckt, aber ein bisschen gönnt sie mir den Käse glaub ich schon. »Sitzt du in einem deiner Kurse neben Linus?«, fragt sie mit ihrer hellen Feenstimme. Wieder muss ich an die Abende als Kind denken, an denen sie mir von verzauberten Schlössern und majestätischen Geschöpfen erzählt hat, die durch ihre Stimme zum Leben erwacht sind. Sie hat alle Hörbücher um Welten geschlagen!
Erwartungsvoll deutet sie auf die Spüle und ich stelle mich neben sie. »Wir haben montags scheinbar keinen Kurs zusammen«, murre ich, muss aber direkt an meine neue Sitznachbarin denken. »Dafür sitze ich in meinem Englischkurs neben Assia! Ich kann sie noch nicht richtig einschätzen, aber ich glaube, dass wir uns gut verstehen werden! Sie ist super schüchtern, aber wer kann meiner liebreizenden Art schon widerstehen?«, frage ich Mum und klimpere mit den Wimpern. Zur Antwort wird mir das triefende Geschirrhandtuch gegen die Brust geworfen. »Oh Gott, ich stehe neben dem Paul Wilson! Der Fußballstar und Schwarm aller atmenden Wesen! Ich glaube ich bekomme keine Luft mehr!« Damit hebt sie eine Hand an die Stirn und lässt sich theatralisch auf den Teppichboden sinken.

Nach dieser Showeinlage, die ich nur mit einem Augenrollen kommentiere, greift Mum nach einer Pfanne, die ich ihr direkt wieder aus der Hand nehme. Sie arbeitet schon den ganzen Tag und am Wochenende, da muss sie sich nicht auch noch allein um den Haushalt und das Essen kümmern. Dankbar streicht sie mir über den Rücken und holt schon mal die Zutaten aus dem Kühlschrank. Zusammen zu kochen ist ein Ritual, das irgendwie schon immer da war. Egal was davor passiert ist, ob es ein Streit war oder ein verheultes Verstecken im Bett, in der Küche haben wir immer funktioniert wie ein eingespieltes Team.

Ich beobachte sie schmunzelnd dabei, wie sie so mit ihren weiten, bunten Röcken um mich herumwirbelt und sich dabei nicht eine Strähne aus ihrem Haarknoten verirrt. Ihre dicken Wollsocken, die sie auch bei dieser Hitze trägt, lassen sie dabei wie eine Cartoon-Figur aussehen. »Wie soll ich sonst so schnell durch die Wohnung brausen, um dich vor Dummheiten zu bewahren, Dummerchen?«, hat sie dazu nur immer gesagt; auch wenn sie weiß, dass ich kein kleines Kind mehr bin und ich eher auf sie aufpassen muss als andersherum. Während sie durch unsere enge, von kitschigen Dekorationen vollgestellte Wohnung wuselt, kann es schon mal dazu kommen, dass sie an einer Winkekatze hängen bleibt und dann lachend in eines der Blümchenkissen fällt. Ihr Einrichtungsgeschmack ist wirklich eine Kunst für sich, deren System ich auch nach all den Jahren nicht durschaut habe.

»Wie war dein Tag?«, frage ich sie, als sie bei den Möhren angelangt ist. Kurz sucht sie nach einer Antwort und streicht gedankenverloren ihre Röcke glatt. »Eine Gruppe von Touristen haben den Laden förmlich geplündert und ich konnte viel verkaufen! Da fällt mir ein, ich muss unbedingt Hafermilch nachbestellen! Kann ich das kurz machen?« Nickend lege ich ihre zurechtgeschnittenen Stücke in die Auflaufform. »Natürlich, ich mach das hier noch zu Ende. Kannst du bitte danach den Tisch decken?«, rufe ich ihr hinterher. Sie zwinkert mir kurz zu und ist schon mit dem Telefon nach nebenan verschwunden. Kein Wunder, dass Stürme nach Menschen benannt sind, stelle ich grinsend fest.

Kaum ist das Essen im Ofen und der Tisch gedeckt, sitzen wir in jeweils einer Ecke des Wohnzimmers und genießen die kurze Endlosigkeit des Wartens zwischen dem Kochen und Essen. Meine Mutter blättert in einem dicken mit goldenen Ornamenten geschmückten Buch, während ich meine Hefter beschrifte. Meine Gedanken bleiben aber nicht lange bei den Buchstaben, die ich auf den schmalen Papierstreifen schreibe. Sobald ich sitze, wandern sie; dass war nie anders. Kurz schüttle ich den Kopf, um sie wieder greifen zu können. In meinem Team haben wir niemand speziellen, der unsere Spieltaktik entwickelt. Wir probieren immer mal wieder was neues und versuchen auf möglichst viele Arten undurchschaubare Spielzüge zu kombinieren. Vor meinem inneren Auge probiere ich Taktiken aus, gleite über den glatten Boden und beobachte die anderen in ihren roten Trikots. Roy passt den Ball zu Finn, dieser zu Charlie. Das Spiel nimmt langsam Form an und – Ein mir im Laufe der Jahre ins Gehirn gebrannte Pling reißt mich von den Füßen und ich lande unsanft auf dem kalten Hallenboden.

Nach dem Essen und einem Film liege ich endlich im Bett. Finn hat immer behauptet, dass ich schon längst aus meinem Bett herausgewachsen sei, aber ich liebe es genauso kuschelig und mit Stofftieren verteidigt. Mit den Gedanken bei meinem besten Freund, greife ich das letzte Mal für heute nach meinem Handy.

Me: Was macht mein bester Stürmer gerade? Hoffe es ist dir nicht zu spät… XD.

Random Hot Dude: schreibt…

Random Hot Dude: Bitte, als würde ich nicht bis halb zwei Fanfictions lesen… Mal sehen wie lange ich heute durchhalte! Aber mein Tag war irgendwie anstrengend, rate mal mit wem ich in drei Kursen bin :(

Me: Das klingt gar nicht gut… Doch nicht Konrad, oder?!

Random Hot Dude: Excuse me? Nein, so sehr hasst mich die Welt auch wieder nicht! Es ist Elian. Ich hoffe aber, dass er nicht ganz so schlimm ist, wenn er ohne Konrad und Josh unterwegs ist.

Me: Das tut mir leid. Mein Tag war auch ziemlich anstrengend, aber ich habe mehr Glück als du ;D

Random Hot Dude: Ach, wird schon. Wenigstens habe ich jemanden gesehen, dessen Gesicht mich heute noch etwas ablenke kann haha

Me: Oh mein Gott, wer ist es?! Keine 24 Stunden… Respekt!

Random Hot Dude: Wir sehen uns morgen ;)

Me: Halt!!!

Me: STOPP!!!!

Me: Ich hasse dich, Linus Reginald Dwight

Random Hot Dude: Schlaf gut, Dreamy (Und lass meinen zweiten Namen aus dem Spiel)

Me: Ich hasse dich immer noch! (Tut mir leid und dir auch eine gute Nacht)

Be My Cookie (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt