Kapitel 48

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Der Geruch von billigem Bier heißt mich herzlich willkommen. Kaum habe ich die ersten Schritte durch die Tür gemacht, drückt mir Linus einen roten Plastikbecher in die Hand und zieht mich mit sich. Seine Fingerspitzen sind mit einem Chipsgewürz-Film überzogen, die er in den Saum meines Pullis gräbt. „Ich habe auch Beine, weißt du?" Meine Beschwerde ignorierend, schleppt er mich in sein Wohnzimmer und platziert mich auf einem Sessel. Er scheint ihn mir extra reserviert zu haben, denn ansonsten ist die Einrichtung des Hauses eher kläglich. Diesen Umstand hatten wir als Kinder immer genutzt und uns unsere eigenen Höhlen gebaut. Mein bester Freund plappert sofort los, wie toll es doch sei, dass ich hier wäre und wen er in welchem Videospiel besiegt hat. „Und dann hat mir Jasper erzählt, dass Roy gehört hat, wie Charlie meinte, ich hätte es nicht verdient, weil es ja meine Spiele seien und das stimmt ja mal so gar nicht, aber ich hab Leeroy gesagt, er soll Jasper weitergeben, dass ich-" Nur mit halben Ohr lausche ich den Banalitäten des Abends und der leisen Musik im Hintergrund.

Ich habe mir auf dem Weg extra Zeit gelassen und tatsächlich sind schon fast alle da. Nur so kann ich die persönlichsten Unterhaltungen umgehen und mich unter die angeheiterten Gespräche mischen. Ich erkenne fast alle vom Training, wobei das gedämpfte Murmeln aus der Küche auf den Rest schließen lässt. Linus ist kein Freund von kleinen Runden, er lädt meist die halbe Schule ein, aber dieses Mal hat er Wort gehalten. Wobei ich von seinem Style eher auf das Event des Jahres getippt hätte, aber das ist bei Linus ja kein Einzelfall. Die silbernen Ringe an seinen Finger klackern laut bei jeder Geste, mit der er seine Worte unterstützt. „Jedenfalls sollte Charlie jetzt wissen, dass ich ihn sowas von fertig gemacht habe und Roy hat schon gewettet, dass er sich nachher aus Frust ne ganze Tüte Chips reinhauen wird." Erwartungsvoll wartet mein Kumpel auf eine Reaktion meinerseits. Aus meinem Mimik-Repertoire krame ich mein bestes falsches Lächeln und nicke untermauernd. Egal wie sehr ich mich auf diesen Abend gefreut habe, morgen ist Montag. Und montags sehe ich Julius, also wird aus mir heute ganz sicher keine Stimmungskanone mehr.

Zu Jasper und Charlie geselle ich mich auf die Couch, als Linus in die Küche flitzt, um sich noch etwas zu trinken zu holen. Ich selbst habe meinen Becher kaum angerührt, nippe aber pflichtbewusst ein paarmal daran. Ehe ich mich auf die Couch gelümmelt habe, wirft mir Leeroy von hinten einen Controller in den Schoß und fordert mich auf, meinen Titel als Captain zu verteidigen. Am liebsten würde ich dankend ablehnen, aber als ich das Funkeln in Jaspers Augen sehe, bringe ich es nicht übers Herz. Er könnte sogar das Herz eines Eisbergs schmelzen. Schade, dass er meinen ganz persönlichen Eisberg nicht kennt.

„Zeig es Charlie! Sonst macht er dir deinen Ehrenplatz noch streitig!" Mit einem Grinsen, das nicht meine Augen erreicht, starte ich das Spiel und wähle eine Mannschaft. Natürlich spielen wir Fifa. Keine fünf Minuten und hundert Tastenkombinationen später, greift Charlie in die Schüssel, die vor ihm steht und seufzt auf. Als hätte er nicht nur den Kampf gegen mich verloren, packt er sich das Behältnis gleich auf den Schoß und schaufelt die Snacks wie Kartoffelbrei. „Ja, ihr habt gewonnen. Ihr alle! Sag Jasper von mir-" „Das kannst du ihm selbst sagen." Mit einem halben Lächeln versuche ich meinen bissigen Ton zu kaschieren. So leicht ich Charlie aber abgespeist habe, lässt Leeroy nicht locker. Mit dem pinken Stirnband und weißen Trainingsanzug, der scheinbar zu seinen besten Partyoutfits gehört, wirft er sich mit einem Hechtsprung zwischen Jasper und mir. Schützend zucke ich ein Stück in die entgegengesetzte Richtung, um keinen Ellenbogen in die Rippen zu bekommen. „Freust du dich gar nicht über deinen Sieg?"

Ein wirklich rumreicher Moment meines Lebens ist dieser Sieg nun wirklich nicht, aber die Frage meines breiten Freundes zielt auf etwas anderes ab. Es scheint auf die Frage zuzulaufen, ob alles okay bei mir sei und diese möchte ich nur ungern beantworten. Denn ich müsste lügen und ich hasse es, meine Freunde anzulügen. Wie verdreht es in meinem Kopf auch zu sein scheint, aber wenn ich dieser Frage ausweichen kann, indem ich ihnen nur eine halbe Wahrheit sage, dann werde ich das tun. „Nein, ich freue mich darüber. Man kann schließlich nicht jeden Tag beobachten, wie Charlie sein Gewicht in Snacks frustfuttert." Der Rothaarige stellt bockig die Schüssel wieder auf den Tisch und bedient sich zickig an meinem Becher. Das kann mir nur recht sein. Ich belasse es dabei, aber Charlie sieht wohl noch kein Ende.

„Mit Konrad hätte ich es locker aufnehmen können! Nur weil ich gegen die Besten verliere, bin ich selbst nicht schlecht. Diese Schwachmaten würden haushoch verlieren." Bei der Erwähnung des Teams fasse ich mir wie selbstverständlich an die Prellung. Da Linus aber im richtigen Moment aus der Küche kommt und damit alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, bemerkt niemand meine ertappende Geste. Nie war ich so froh über Linus' eindrucksvolles Erscheinungsbild. „Und wie du sie hättest besiegen können! So schnell hätte Josh nicht mal eine Tüte verticken können." Linus muss die letzten Gesprächsfetzen von uns mitbekommen haben. Als sich dann noch mehrere miteinklinken, um über die Gruppe herzuziehen, würde ich mich am liebsten zwischen den Sofakissen verstecken.

Knirschend presse ich meine Kiefer aufeinander. „Du hättest sie nicht nur in einem Videospiel geschlagen, Charlie! Gegen dich kommen die nicht an." Leeroy scheint seinen Spaß daran zu haben, sie schlecht zu reden, so wie er grinst. Ich kann es ihm nicht verdenken. Ganz im Gegenteil, ich habe wahrscheinlich noch am meisten mit Konrad und seiner Truppe offen. Wenn sie wüssten, was ich mit ihnen angestellt habe, würden sie wahrscheinlich aufhören und genugtuend damit abschließen, so wie ich es gemacht habe. Aber so muss ich mir jeden Kommentar mit einem Beißen auf der Zungenspitze klemmen. „Die sind alle nicht besser, als ein Haufen Schläger! Aber auf dem Feld winseln die wie Hunde. Die wissen doch nicht mal, was sie da überhaupt über den Rasen schießen!" Die geladene Energie, die auf einmal von Roy ausgeht, dessen Anwesenheit ich bis jetzt gar nicht bemerkt habe, gefällt mir gar nicht.

Im Mittelalter mit Mistgabeln und Fackeln, hier mit Sprüchen und Herausforderungen.

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