Kapitel 32

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Kann man vor lachen sterben? Oh Gott, ich hoffe nicht! „Wo ist sie denn?" Eine noch heftigere Welle des Lachens sprudelt aus mir heraus und ich kann mich kaum an meinem Platz halten. „Da, an deinem Kinn." Mein Bauch tut mir schon weh, aber das sieht so lächerlich aus. Linus klebt eine lange Nudel am Kinn, in einer Position, als würde sie seinen nichtvorhandenen Bart mimen. Mein bester Freund sieht auch heute aus wie ein Superstar, mit einer schwarzen Jeans, einem bis zur Brust geöffnetem weißen Hemd und einer schwarzen, schicken Stoffjacke darüber. Der helle Hut, der seine blonden Locken umrahmt, lässt ihn endgültig wie einen dieser Fashion-Ikone Sänger wirken. Dabei sind wir in einem stinknormalen Park, in dem Hunde und kleine Kinder herumrennen und ab und zu komische Gestalten lungern.

„Ist sie weg?" Ich nicke, ungeachtet der Tatsache, dass sich die Nudel nun auf seinem Hemd schlängelt, aber das muss er ja nicht wissen. Dass er mit einer Nudel gekleckert hat, ist absolut nicht komisch, aber wie er jetzt dasteht, alle Viere von sich gestreckt, als würde er gleich explodieren. Ich kann nicht mehr!

„Wie war dein Tag so? Was hattest du für Stunden?" Linus und ich haben uns, bewaffnet mit einer Nudelbox, nach dem Unterricht hier getroffen. „Ich habe montags relativ entspannte Stunden. In Englisch habe ich gerade so ein Projekt am Laufen, deshalb bestand die erste Stunde vor allem aus Plaudern." Mit Julius. Plaudern mit Julius. Klingt wie eine Talkshow. Und es hat sich verdammt gut angefühlt. Dieses Mal habe ich weder gestottert, noch meinen Kopf verloren, ich war einfach ich selbst. Dass die ein oder andere Dummheit meinen Mund verlassen hat, ob es nun ein schlechter Witz oder eine unnötige Bemerkung war, konnte ich nicht komplett unterbinden. Wir kamen gut voran, ergänzten uns gegenseitig und waren uns unnatürlich einig. Und hoffentlich hat niemand mein dämliches Grinsen mitbekommen, auf das mich Assia ansprach.

„Wie war deiner?" Linus verzog die Mundwinkel zu eben so einem Grinsen und ich wusste aus dem Funkeln seiner Augen, dass er mir von seiner Freundin erzählen wird. „Mein Tag war toll. Cezara hat am Wochenende bei mir geschlafen und in der Pause haben wir mit ein paar von ihren Freundinnen abgehangen, die scheinen mich zu mögen!" Grinsend verdrehe ich die Augen. „Jeder mag dich, du Hottie!" Jetzt grinst auch er übermütig. Hat er mir was vergessen zu erzählen? „Du bist so gut drauf, hattet ihr Spaß?"

Linus winkt kopfschüttelnd, aber mit roten Wangen, ab und tut empört. „Als ob es mir nur darum geht! Was hältst du von mir? Cezara und ich sind in einem guten Tempo, wir lassen es ruhig angehen." Ruhig? Mein Kumpel ist vieles, aber nicht zurückhaltend und ruhig. „Seit wann magst du es langsam?" Ich schenke ihm mein anzüglichstes Grinsen, obwohl er mich auch so versteht. „Man, hör auf." Da ist jemand verliebt... „Hat da jemand die große Liebe im Blick?" Linus' Lächeln wird matter, als denke er nicht das erste Mal darüber nach. „Wer weiß, aber ich arbeite nicht darauf hin oder so. Wir sind gerade einfach unglaublich glücklich und das genießen wir."

Der Esel meint es wirklich ernst! „Und bald werden wir bestimmt auch ganz andere Dinge genießen..." „Da ist mein alter Kumpel wieder." Ich tue ganz unschuldig und ziehe fragend eine Augenbraue hoch. Linus boxt mir nur gegen die Schulter und lacht verhalten. „Tu nicht so du Holzkopf! Für dich finden wir auch noch jemanden, dem du verfällst und dann lachst du nicht mehr über mich."

Finden wir jemanden für dich. Und wenn ich schon jemanden gefunden habe? Einen großen Blondschopf, mit tiefbraunen Augen und einem schiefen Grinsen, das mich alles vergessen lässt? Und wenn du diesen Jemand zufällig kennst und eher weniger magst? Und wenn ich mich in den Typen einer anderen verliebt habe und alles dafür tun würde, dass er seine Freundin fallen lässt? Würdest du mich dann immer noch unterstützen?

Um von mir abzulenken, frage ich ihn nach Cezara. Er ist dabei viel zu sehr vertieft, als dass ihm mein zusammengepresster Kiefer oder meine gerunzelte Stirn auffallen würde. „Sie ist ganz anders, als alles, was ich davor kannte. Sie blüht auf, wenn sie unter Menschen ist, aber wenn wir allein sind, dann fällt alles von ihr ab. Dann überlegt sie nicht, was sie als nächstes planen kann, welche Freundin gerade Hilfe braucht und wie sie mich unterstützen könnte. Da sind dann einfach wir zwei. Und sie kann küssen, als würde sie nichts anderes machen!" Ob Julius auch gut küssen kann? Ich glaube solchen Menschen ist es angeboren. Meine ersten Versuche waren damals ziemlich unbeholfen, solche Probleme hatte er bestimmt nie. Ob Julius das auffallen würde?

Das Bild von Julius, wie er mich gegen eine Wand drückt, nimmt meinen Kopf ein. Unsere Lippen lösen sich nur, um nach Luft zu schnappen. Sein Mund ist leicht angeschwollen und rot, aber das macht ihn noch verführerischer. Ich balle meine Hände zu Fäusten und drücke meine Fingernägel in die weiche Haut meiner Handinnenflächen. Die Verlockung ist so groß, aber es ist wie ein Traum. Mittendrin ist er wunderschön, aber wacht man auf, verpufft mit den letzten Bildern auch das Glück.

„Und obwohl sie so klein und unscheinbar wirkt, hat sie unglaublich Power. Sie ist einerseits unglaublich zärtlich, aber auch voller Tatendrang." „Okay, das möchte ich mir jetzt nicht vorstellen." Damit meine ich das verliebte Paar, aber auch Julius und mich. Es kann zwar niemand in meine Gedanken schauen, aber manche Dinge sollten selbst in meiner Welt verschlossen werden. Vor allem hier.

„Es freut mich, dass es so gut bei euch läuft! Was sagen deine Eltern dazu?" Klang ich ernsthaft erfreut? Ich hoffe, dass mir Linus meine gekünstelte Begeisterung abnimmt, schließlich soll er nicht denken, dass ich mich nicht für ihn freuen. Ich freue mich nur nicht für mich. Wie ein Ballon wird ein kleiner Gedanke auf einmal ganz groß. Und wenn ich das Blatt einfach umdrehe?

„Wie seid ihr zwei eigentlich zusammengekommen?" Linus legt seinen Kopf schräg und verzieht das Gesicht beleidigt. „Das haben wir dir doch schon erzählt." Hastig schiebe ich eine Erklärung hinterher: „Nein, ich meine, wie ihr euch nähergekommen seid. Ihr habt euch ja nicht einfach geküsst und dann war alles gut. Ihr müsst ja vorher schon... Verstehst du was ich meine?" Der Hutträger überlegt einen Augenblick verträumt, dreht sich dabei Nudeln um die Stäbchen. Um nicht nur untätig herumzustehen tue ich es ihm nach, ungeachtet der Tatsache, dass meine Schachtel längst leergegessen ist.

„Sie wurde ein großer Teil meines Alltags, weil wir viel Zeit in der Schülervertretung verbrachten." Linus trägt seinen Erzählerton wie ein Kostüm und es wundert mich, wieso er nicht wie so oft seine Geschichte mit „Es war einmal" anfängt. „Ich habe sie am Anfang kaum bemerkt, bis sie, als es mal weniger gut lief, ein Haufen Arbeit abgenommen hat und das mit so viel Leidenschaft. Erst da viel mir auf, dass ich nervös wurde, wenn sie bei mir war und aus anfänglicher Bewunderung wurde Zuneigung. Ich bemerkte aus einem Instinkt heraus, dass sie mich auch mochte. Ihre roten Wangen und der leicht flatternde Ton verrieten sie. Dann passierte eine Weile nichts und wir waren viel zu sehr damit beschäftigt, mit unseren Gefühlen klarzukommen. Aber sie hat sich keine Haarsträhnen um den Finger gewickelt oder hysterisch gekichert, wenn ich da war. Sowas ist leider selten geworden, aber was kann ich dafür, dass ich mich um mein Äußeres kümmere?"

„Lenk nicht ab, ja wir wissen alle, dass du ein Model bist. Los!" „Jaja, auf jeden Fall habe ich das erste Mal den Entschluss gefasst, sie zu erobern. Kleine Berührungen und Aufmerksamkeiten, hier mal ein frecher Spruch und wir kamen uns näher. Und sie hat mitgemacht. Und nach dem langerwarteten ersten Kuss, naja, du sieht uns ja jetzt."

Ja, ich sehe euch. Und du hast mir eine perfekte Vorlage gegeben. Ob Julius auch so reagieren würde, wie Cezara?

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