Als ich wieder zu mir komme, werden mir sofort zwei Dinge bewusst. Ein Vampir will mich mit sich schleifen und ich kann fliegen. Es dauert ein paar Augenblicke, bis mein Verstand wahrnimmt, dass ich nicht einfach nur schwebe, sondern von etwas Großem über die Schulter geworfen wurde. Von einem Vampir. „Du bist ein ziemlich schlechter Blutsauger." Der Berg bleibt kurz stehen, achtet aber nicht weiter auf die Worte, die ich in seinen Umhang murmle und geht eine Treppe hinauf.
„Nein ernsthaft, ein richtiger Vampir hätte sich einfach verwandelt zu so einem Flattervieh und müsste keine Treppen laufen. Ah ich habs! Ein richtig krasser Typ hätte mich wahrscheinlich gleich im Garten ausgesaugt", ich muss ungehalten über die Zweideutigkeit meiner Worte kichern, „und mich dann im Garten verscherbelt."
Wieder geht mein Entführer nicht auf mich ein und so langsam wird mir das zu bunt. Das Gefühl kommt wieder in meine Gliedmaßen, wobei die sich tausendmal schwerer anfühlen. Trotzdem strample ich wie ein kleines Kind, treffe mich aber irgendwie nur selbst. Durch eine letzte Tür werde ich getragen, die falsch herum und rückwärts irgendwie komisch aussieht und mit einem Ruck werde ich wieder von dem Vampir geworfen.
Unter mir ist es weich. Und dann ist alles weiß. „Ihh, mach das Licht aus, sonst stirbst du! Bäh, ich haaaasse Licht!" Wieder strample ich wild, verheddere mich dabei aber nur in einer Bettdecke. Das Licht geht wieder aus, doch dank des offenen Fensters erkenne ich mein Gegenüber.
Verzückt gluckse ich voller Freude, bis sich meine Augenbrauen zusammenziehen und der Schatten einer Erkenntnis vorbeihuscht. Da war doch irgendetwas... Aber soweit komme ich nicht, weil die Gestalt sich schon vor mich hinhockt und an meinem Schuhen zieht. „Ey, das sind meine!" „Wenn du schon bei mir pennst, dann bitte ohne Schuhe, Paul." Ich möchte wütend mit den Füßen nach seinen Händen treten, aber die Stimme reißt mich zu sehr in ihren Bann. Das ist mein Shroeder.
„Nein, meine Schuhe kriegst du nicht! Und wehe du gehst gleich wieder! Ich glaube da war noch irgendwas worüber wir sprechen mussten oder so. Außerdem ist es kalt und du bist der mit dem Umhang." Ich greife mit den Händen, die ihre eigene Sache machen, nach dem Blondschopf und ziehe ihn zu mir, aber es braucht einiges an Kraft, bis ich ihn auf das Bett gezogen habe. Mit meinem ganzen Körpergewicht werfe ich mich auf die Gestalt und tackere ihn an den weichen Untergrund.
Es wird still und nur das flache Atmen meines Gefangenen ist zu hören. „Ich biete dir einen Deal an. Du ziehst dir die Schuhe aus und ich bleibe hier und darf mich wieder bewegen, okay?" Wie auf Knopfdruck rolle ich mich zur Seite und tüdele an den Schnürsenkeln, die mich immer weiter einschnüren. Der Vampir mit den Schokoaugen verharrt einige Sekunden in seiner Position, ehe er mir hilft. „So wird das doch nichts. Halt still!"
Ganze fünf Minuten kämpfen wir an meinen Schuhen, ehe Julius sie mir abstreift. Dann widmet er sich seinen Sachen und packt Jacke und Schuhe über eine Kommode. Während er sich weggedreht hat, ziehe ich auch gleich Shirt und Hose aus. „Was wird das jetzt?" Ich habe gar nicht mitbekommen, dass er wieder neben mir ist. „Ich soll doch hier schlafen, oder nicht? Und jetzt ist mir kalt, also komm endlich." Unterstützend möchte ich die Decke hochheben, greife aber ins Leere. „Dann hättest du dich einfach nicht... Ach egal."
Ohne weitere Proteste legt er sich neben mich. Da er ungefähr hundert Meter Abstand hält, robbe ich in seine Richtung und halte erst still, als ich ihn an meiner Seite merke. Ein Stromschlag durchzuckt die eingeschlafenen Nerven in meinem Körper und mir fällt wieder ein, wieso wir Abstand gehalten haben. Der letzte Funken Verstand meldet sich in der hintersten Ecke meines Schädels und ich kann mir gerade noch auf die Lippen beiße, um keinen Mucks aus meinem Mund zu lassen.
Shroeders Augen leuchten in dem Halbdunklen und ich kann ihn nur anstarren. „Du bist doch schwul, oder?" Das wars mit der Selbstbeherrschung und ein Schwall Lachen bricht aus mir heraus. „No shit, Sherlock." Meinem Vampir steht der Ernst ins Gesicht geschrieben und mein Lachen geht über in einen traurigen Ausdruck. Geht es ihm nicht gut? Ich stupse ihn mit einer Fingerspitze an, aber er bewegt sich noch. Mh.
„Fändest du mich eigentlich attraktiv?" Wieder beginne ich zu kichern. Wenn der wüsste. Trotzdem kneife ich die Augen zusammen und versuche ihn von einer anderen Perspektive zu sehen. Dabei lehne ich mich so weit nach vorn, dass ich das Gleichgewicht verliere und dumpf falle ich gegen seinen Oberkörper. „Oh, du bist warm." Mit dieser Entscheidung drehe ich mich ein Stück und bleibe in der Position. „Ja, also du bist schon ziemlich niedlich. Ich weiß ja nicht, worauf die Frauen so stehen, aber für jeden homosexuellen Mann stellst du eine Gefahr für dessen Selbstbeherrschung dar." Stolz auf meine gebildete Wortwahl drücke ich meinen Kopf gegen den Oberkörper und ein tiefes Lachen bringt ihn zum Erbeben. Das erweckt auch bei mir ein Grinsen.
„Und du? Was findest du attraktiv?", frage ich mein menschliches Kissen. Er bleibt still, gibt aber nach, denn scheinbar kann man mir nichts abschlagen. „Keine Ahnung, halt nette Menschen. Äußerlich habe ich glaube ich gar keine Vorzüge." Ob das jetzt wirklich eine Antwort war, kann mein Gehirn nicht einordnen, aber das klingt gut. „Und warst du jemals verliebt?" Die Stimme des Vampirs ist deutlich sanfter und wärmer, als es am Anfang der Fall war, sodass ich die Augen schließe, um sie nicht mehr zu vergessen. „Ja, natürlich. Zwei, drei Beziehungen schon, aber es kam noch nicht der Richtige. Aber jetzt gerade möchte ich auch nicht tauschen." Mit diesen Worten schmuse ich mich weiter in den weichen Stoff seines Shirts. Irgendein zweifelndes Zwicken nervt mich, aber ich ignoriere es einfach; wenn es wichtig wäre, würde ich es sicher mehr merken.
„Du bist gerade so lieb, wieso bist du sonst so gemein? Gerade bist du ja auch kein gefühlsloser Untoter... Oder das bist du gerade? Hä? Aber du bist nicht wirklich ein Vampir oder? Also das wäre logischer, als alles andere, aber irgendwie ist das dumm, aber..." Der Vampir legt seine Finger über meinen Mund und lässt mich damit verstummen. „Alkohol macht dich gesprächig, das muss ich mir merken." Sein genervter Tonfall überdeckt seinen amüsanten Ausdruck nicht und ich starre hoch in sein Gesicht. Dracula hat es nicht anders gewollt! Ich lasse meine Zunge über seine Finger fahren und sofort zieht er seine Hand zurück und starrt mich schockiert an. „Tja, leg dich nicht mit mir an! Und ich habe dich was gefragt."
Seine Atmung wird wieder schwerer und dieses Mal liegt es nicht an meinem Gewicht. Wie ein Kater spreize ich meine Finger und zupfe an einem Zipfel Bettdecke herum. Sobald es still wird, höre ich das Rauschen wieder. Durch die Stimme gab es etwas, worauf ich mich konzentrieren konnte, aber die Raumecken verzerren sich schon wieder verdächtig.
„Du sahst furchtbar aus, an dem Abend, als du vom Training kamst. Aber Konrad traue ich alles zu, was ich dann selbst gespürt habe. Als du weg warst und er sich über die Ablenkung durch mich bedroht fühlte, schlug er mich zusammen." Verwirrt runzle ich die Stirn. Die Infos kommen nicht da an wo sie sollen und verirren sich auf den Weg zu meinem Gehirn. „Wieso habe ich das nicht gesehen, Shroeder?" Gleichzeitig rutsche ich ein Stück beiseite, aber der Vampir hält mich mit einem Arm auf und rückt mich wieder in meine vorherige Position.
„Ist schon okay. Und ich wohne mit zwei Schwestern zusammen, deshalb hat mir Lola mit Make-Up geholfen. Glaub mir, ich habe mich gewehrt, aber anders hätte ich niemanden erklären können, wieso ich so aussah." Seine Stimme kommt nur vorsichtig an mein Ohr. Ob ihm noch etwas weh tut, weiß ich nicht, aber vorsichtshalber drehe ich mich von seinem Gesicht weg, schlinge meine Arme um seinen Rippenbereich und drücke ihn kurz an mich, nur um mich dann wieder gegen ihn zu lehnen.
Sein tonloses Lachen bekomme ich nur durch seine Atmung mit. „So, du Schmusekater. Jetzt reicht es aber. Es ist bestimmt schon morgen, also genehmigen wir uns wenigstens ein paar Stunden Schlaf. Ich gehe jetzt raus, aber ich bin wirklich nur ein paar Räume weg."
„Versprochen?"
„Indianerehrenwort."
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Be My Cookie (boyxboy)
Roman d'amourPaul ist Captain einer Fußballmannschaft und versucht die zwölfte Klasse zu überleben. Trotz neuer Freunde, die ihn gegen alte Feinde unterstützen, macht ihm das gegnerische Team das Leben schwer. Obwohl sein Schwulsein nie ein Geheimnis war, bringt...