Kapitel 83

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„Ich weiß. Gott, bei der Party habe ich alles dafür gegeben, dass du dich nicht daran erinnerst, worüber wir gesprochen haben. Jetzt wünschte ich, ich müsste es nicht nochmal erzählen." Der Junge, der vor mir mit zusammengesunkenen Schultern sitzt, schließt die Augen und spätestens jetzt weiß ich, dass etwas nicht stimmt. An dieser Eskalation haben wir beide wohl zu knabbern. „Was ist an dem Abend passiert?"

Er öffnet die Augen und hat einen Ausdruck in den Augen, als habe er erwartet, ich wäre längst nicht mehr hier. „Du warst so betrunken, dass du-" „Nein, nicht auf der Party. Das woran ich mich erinnere, möchte ich auch so behalten. Was ist an dem Abend passiert, als du dazwischengegangen bist? Für mich gibt es da nicht viel zu erklären, ehrlich gesagt. Ich meine dort wurde deutlich, auf welcher Seite du stehst." Meine Worte klingen eisiger, als ich möchte, aber die Wut darüber habe ich nie ganz verdaut. Julius ist aber nicht verärgert, sondern lacht nur spöttisch. „Wenn es nur so einfach wäre. Du hast recht, was passiert ist wissen wir beide nur zu gut, aber lass mich dir erklären, wieso das so kam." Hin und her gerissen von den Schmetterlingen in meinem Bauch und dem unterdrückten Zorn, stehe ich auf und lege den Kopf in den Nacken. Nicht im Traum hätte ich gedacht das jemals mit ihm besprechen müssen, aber dieser Frieden konnte scheinbar nicht ewig halten. „Julius, ich bin nicht bescheuert. Mir ist klar, was los war und ich weiß auch, dass du sicher deine Gründe hast, die hast du ja immer, aber ist es nicht besser so wie es jetzt ist? Würde es wirklich etwas ändern? Wir sind gerade erst wieder... Freunde geworden." Das Wort kommt mir auch jetzt schwer über die Lippen, wofür ich mich verfluchen könnte. Nein, Freunde würde sich wohl niemals richtig anfühlen. Julius ist so sehr in seiner Welt vertieft, dass er meinen Einwand völlig ignoriert, als durchlebe er diesen dämmernden Abend von neuem. Seine Stimme wird zu einem leisen Hauchen, ist aber gerade so laut, dass ich ihn hören kann. „Ich wollte dich nur in einem Stück wiederhaben.

Du bist eine Kämpfernatur, du hättest sie sicher fertig gemacht. Aber die andere waren in der Überzahl und du wärst längst nicht so glimpflich davongekommen, wenn ich sie damit nicht abgelenkt hätte." Was? Reden wir von derselben Situation? „Abgelenkt? Du hast mich doch daran gehindert weg zu kommen!" Die Wut kann ich nun nicht mehr zurückhalten, bereue es aber sofort. Wie gern hätte ich ihm das alles damals an den Kopf geworfen, aber jetzt möchte ich nur noch vergessen. Ihn wieder im Laternenlicht im Arm haben. Kopflos lehne ich mich an Roys Bett und atme tief durch.

„Zu dem Zeitpunkt dachte ich, dass er mir genug zutraut, als dass ich nun meine Abreibung wollte, wobei sich das schnell als Trugschluss herausgestellt hat." Nichts daran ergibt einen Sinn, weder seine Begründung noch diese vagen Andeutungen, die er seit dem Vorfall immer wieder gemacht hat, aber das lasse ich mir nicht mehr gefallen! „Was soll das jetzt wieder bedeuten?" Julius vergräbt seine Hände in dem Stoff seines Pullovers und sieht mich kurz mit einem bittenden Ausdruck an, aber ich lasse ihn nicht gewähren. Entweder er erklärt mir jetzt, was das Ganze auf sich hat oder ich verschwinde.

„Sobald du weg warst, haben mich diese Idioten zusammengeschlagen. Meine Schwester hat tonnenweise Make-up gebraucht, um mich wieder zu einem Normalsterblichen zu machen."

Schockiert erstarre ich und blicke auf meine Hände. Julius sucht vergebens in meinem Gesicht nach einer Regung, aber die Information verändert alles. Hätte ich das gewusst, wäre es vielleicht nie so weit gekommen. Oder doch? Aber was das mit mir anstellt ist gerade völlig egal. Was habe ich mich da überhaupt so? Ich muss ihm so egoistisch vorgekommen sein, denn ich durfte damals kochen vor Wut, er musste sich ergeben. Immer noch mit offenem Mund gleite ich zu ihm, lasse mich auf der weichen Matratze nieder und lehne mich gegen einen Pfeiler. Ich traue mich nicht ihm in die Augen zu blicken, die ich scheinbar nie ganz gesehen habe. Sonst wäre mir das nicht entgangen. Ob es noch dieselben sind? „Danach hast du mich wochenlang behandelt wie ein Stück Dreck. War das deshalb? Weil das wegen mir war?"

Be My Cookie (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt