Kapitel 20

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„Wuff!" „Psst! Sei still, Lottie!" „Wwruff, krrr!" „Komm mit, Mäuschen! Weck unseren Gast nicht auf. Psst."

Müde blinzle ich mir den Schlaf aus den Augen, strecke mich kräftig. Ich brauche einen Moment, bis ich verstehe wo ich mich befinde, aber es ist dasselbe Zimmer, in dem ich eingeschlafen bin. Ich erinnere mich nur vage daran, was spät abends passiert ist, aber an meinen Schlafplatz, an den kann ich mich erinnern. Als meine Zehen in dem weichen Teppich vor der Schlafcouch versinken, durchfährt ein Schauer meinen Körper. Ein schepperndes Geräusch dringt bis nach hier oben.

Auf leisen Sohlen stehle ich mich die Treppe hinunter, dem schrillen Ton entgegen. Orientierungslos taste ich mich noch ungelenk durch den breiten Flur. Ein komischer Geruch kommt aus der Küche, auf die ich zusteure. Julius steht am Herd, eine Pfanne in der Hand. Hektisch bewegt er sich an der Arbeitsplatte entlang, flucht leise vor sich hin. Lottie hat mich schon entdeckt, beäugt mich aber nur.

Mit schnellen Schritten komme ich auf Julius zu und nehme ihm die Pfanne aus der Hand. Zu meinem Glück lässt er sie nicht fallen, so doll wie er sich erschreckt. „Gott! Musst du mich immer so erschrecken?!" Tonlos schütte ich das schwarze Zeug in den Müll und- „Darf ich...?" Meine Stimme ist noch ganz rau vom Schlaf, weshalb ich stocke. „Ich bin wirklich nicht gut im Kochen. Aber bist du sicher, dass du das möchtest?" Augenrollend deute ich auf den verchromten Kühlschrank. „Darf ich?" Ergeben seufzt Julius, „Bediene dich."

Fünf Eier brutzeln fröhlich vor sich hin, während Julius den Tisch im Esszimmer mit teurem Porzellan versieht. So sollte Frühstück riechen, stelle ich fest. „Wo war ich gerade?" „Dass dein Dad zu wirklich jedem Spiel kommt." „Genau", schallt es durch das Wohnzimmer. „Auf jeden Fall ist er super besessen darauf, was ja schon irgendwie cool ist. Aber als er dann letzte Woche vorgeschlagen hat Sponsor meines neuen Teams zu werden, fand ich das schon aufdringlich." „Ich kenne das, meine Mum möchte mich auch immer in allem unterstützen." „Hat sie dir auch das Kochen beigebracht?" Mein Lachen brummt durch die Küche. „Ja, ich habe von der Meisterin gelernt, könntest du auch gebrauchen." „Hey!"

„Beschwer dich nicht! Iss lieber!" Mit den letzten Handgriffen gebe ich das Rührei auf einen Teller und streue noch etwas Schnittlauch darüber. Das Auge isst schließlich mit. Bewaffnet mit dem Heilmittel gegen knurrende Bäuche, gehe ich um die trennende Glaswand und stelle es auf dem Holztisch ab. Zwei Gläser mit Orangensaft markieren unsere Plätze, ein Napf voll Nassfutter lockt auch Lottie zu uns.

Julius und ich setzen uns, wobei er nur Augen für das Essen hat. Er stürzt sich auf den Teller, achtet aber penibel darauf, sich wirklich nur die Hälfte zu nehmen. „Kann man dich mieten?" Durch seinen vollen Mund ist es schwer ihn zu verstehen, aber ich kann es ihm nicht übelnehmen. „Tut mir leid, Sir, aber ich stehe nicht zu Ihren Diensten." „Schade."

Das weitere Essen geht deutlich stiller von statten. Es ist eine angenehme Stille, nicht so eine, die man zwanghaft vertreiben möchte. Nicht einmal das Fellknäuel erhebt sich dösend von ihrem Platz unterm Tisch. Erst als die Teller leer sind und Julius mich drei Mal gefragt hat, ob ich sicher nicht den letzten Rest haben möchte, stehen wir auf und ich freue mich auf die erfrischende Dusche.

Durch ein zweites Bad, das sich gewissermaßen wie Narnia im Schrank versteckt hat, können Julius und ich uns aufteilen. In frischen Klamotten treffen wir uns vor der Haustür, um mit Lotte rauszugehen. „Was steht auf deinem Shirt?" Julius leint gerade seine Hündin an, während ich mir die Schnürsenkel zubinde. „Dikka, bei dir läuft. Das ist eine Songzeile aus nem Lied von Kraftclub." „Ist das Deutsch?" „Ja, seit der siebten Klasse lerne ich es und als dann die Schule eine Fahrt nach Berlin angeboten hat, war ich sofort dabei. Von dort habe ich es- und auch die Band."

Der Blondschopf öffnet die Tür. „Machst du sowas oft mit? Also Projekte und sowas." „Wenn ich Interesse habe, schon, ja, aber ich bin nicht so wie August oder so." Keiner ist wohl so engagiert wie dieser Flummi.

Wir erreichen eine Art Allee, die wunderschön bepflanzt ist. Generell alles hier ist schön. Die Bäume sind allesamt beschnitten, die Briefkästen ordentlich aufgereiht und die Sonne strahlt voller Kraft. Aber das, schätze ich, ist bestimmt gerade überall so. In dem Schein leuchten Julius' Haare in dutzenden Gold- und Bronzetönen. „Wollen wir das Mal wiederholen? Also bei mir oder so." Ich bin so fröhlich, da musste ich einfach fragen. Klar ist das ein wenig aufdringlich, denn wer antwortet da schon mit einem Nein? Aber ich wette, dass es ihm auch so gefallen hat.
„Klar! Auf jeden Fall!" Er boxt mich leicht gegen die Schulter. Ich weiß nicht so wirklich, wie ich darauf reagieren soll, bin eher der Typ für Umarmungen.

Als wir langsam wieder umdrehen, fernab von den ernsten Gesprächen der letzter Nacht, blödeln wir noch ein wenig herum. Er erzählt mir lustige Geschichten von August und sich, aus ihrer Schulzeit. Im Austausch erzähle ich von den dummen Streichen, die ich früher immer gespielt habe. Wieder im Haus schnapp ich mir meine Sachen und mit einem letzten schwungvollen halben Drücken, beziehungsweise Schulter-an-Schulter, verabschieden wir uns.

Die Bahnfahrt zieht sich, aber es sind sonntags wenigstens nicht so viele Menschen in der Tube, wie beim Berufsverkehr. Alles dauert ein bisschen länger, aber so kann ich noch ein wenig Musik hören. Zuhause angekommen passiert auch nicht mehr viel. Weil es Sonntag ist schnappe ich mir gleich meine Schürze und fange ein paar Kunden ab. Meine Mum erzählt mir zwischendurch immer wieder von ihrem Mädelsabend und ich ihr von meiner Übernachtung. Es macht immer Spaß, wenn wir den Laden zu zweit schmeißen. „Oh Schatz, da kommt sicher noch einiges auf uns Glückspilze zu", sagt sie mir verschwörend voraus.

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