Kapitel 8

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Das leise Prasseln gegen die Tubescheibe wird schnell zu einem ohrenbetäubenden Rauschen. Wenn der Regen nicht bald weniger wird, werden wir die Halle ganz sicher nicht für uns haben! Wenigstens bin ich schon so früh losgefahren, dass ich mich dann nicht unter den abwertenden Blicken des anderen Teams aufwärmen muss. Die Umkleide kann ich mir heute sparen – umgezogen habe ich mich schon zuhause. Bei den Temperaturen friert man nicht mal in den Trainingssachen und trotzdem kann ich der Hitze nichts abgewinnen.

In der Halle ertönen schon quietschende Schritte und ein immer wieder aufkommender Ball. Ich kneife die Augenbrauen zusammen. Konrads Leute kommen doch nie zu früh, oder? Auf leisen Sohlen pirsche ich mich an die offene Tür zum Spielfeld und beobachte das Geschehen. Erst fliegt ein Ball durch das viereckige Sichtfeld, das mir die Tür bietet. Ein Junge mit der Nummer acht sprintet in einem atemberaubenden Tempo hinterher. Wer ist das? Ein weiteres Mal saust der Ball vorbei, dieses Mal langsamer. Schritte. Ein Blondschopf joggt hinterher. »Julius«, stelle ich flüstern fest. Ob das besser ist als Konrad, frage ich mich gleich darauf, verjage diesen Gedanken aber direkt wieder. Er kann ja nichts für sein Team. Also starte ich mal einen Versuch…

Laut betone ich meine Schritte, damit er sich nicht erschreckt. Schließlich ergreife ich unschlüssig das Wort: »Hey, Julius! Was machst du so früh hier?«, wiederhole ich seine Worte von gestern. Er dreht sich zu mir um und der Ball kullert alleine weiter über den Boden. »Paul, hi! Ja, haha, gute Frage! Irgendwie schaffe ich es nicht zwischen dem Unterricht und Training nachhause zu fahren, deshalb saß ich hier eben eineinhalb Stunden rum, aber ich hatte keine Lust mehr die weiße Wand anzustarren.«
Den Ball wieder einsammelnd, bricht er sein Training ab und steuert zielstrebig auf eine Bank zu. Hört er etwa meinetwegen auf? »Lass dich von mir nicht stören! Das, was ich gesehen hab, war echt gut! Mach ruhig weiter… Ich habe gesehen, wie du rennst und den Ball kontrollierst, das war der Wahnsinn! Du gehörst ins Mittelfeld!« Wie erhofft hält er inne und dreht sich wieder zu mir. Unbeeindruckt zuckt er mit den Schultern, nur seine Augen verraten mir, dass er sich über mein Kompliment freut.
Unsicher knetet Julius seine Hände, wobei sein fröhlicher Gesichtsausdruck verrutscht.

»Danke. Ich spiele auch in der Position, also eigentlich. Die letzten Trainingsstunden saß ich aber eher auf der Bank, weil Konrad viel bessere Spieler hat. Da möchte ich nicht zwischenfunken«, erklärt er mit monotoner Stimme. Empört lege ich die Fäuste an meine Seiten. »Was ein Bullshit! Man setzt doch nicht seinen besten Spieler auf die Bank, nur weil man Mittelmäßige gewohnt ist!« Jetzt runzelt Julius die Stirn. Mit den Händen spielt er an seinem Trikotsaum herum. »Konrad wird sich dabei etwas gedacht haben.«

Ich rümpfe empört die Nase, überspiele es aber mit einem schrägen Lächeln. Wenigstens weist der Pseudocaptain seine Spieler in die richtige Position. Alles an mir schreit »Nein«, wenn ich an diesen Pansenfresser denke, aber ich möchte seinen Captain nicht schlecht machen, dass geht gar nicht. Also Themenwechsel bitte!
»Wollen wir uns zusammen weiter warmspielen?«, fragt er. Ihm ist wohl aufgefallen, dass ich nicht weiter darüber sprechen möchte. Er scheint seinen Gegenübern genauso aufmerksam zu sein, wie ich. »Wollen wir uns den Ball im Rennen zupassen?«, schlage ich vor und nickend geht er quer über das Spielfeld. Wir fangen locker an, werden in kürzester Zeit aber immer schneller. Es macht Spaß mit ihm mithalten zu müssen und durch den Wind etwas Luft abzukriegen. Irgendwann fliegen wir beinahe über den Boden, der Ball umspielt uns dabei wie ein hinterherjagender Hund. Wir werden beide allmählich langsamer, bis wir schließlich zum Stehen kommen. Um die Wette hechelnd stehen wir uns gegenüber. Er stützt seine Hände auf seinen Knien ab, während ich mir durch die nassen Haare fahre. Ob sie noch vom Regen nass sind oder von der Anstrengung kann ich nicht feststellen.

»Du bist- wahnsinnig- gut!«, sage ich keuchend, verstehe mich aber selbst kaum. Ich starte einen weiteren Versuch ihm meine Freude zu vermitteln, aber die Luft kommt nur schleppend in meine Lunge. »Du auch«, murmelt er mit einem freundlichen Blick. Ich drehe den Ball unter meinen Fingern, das Adrenalin ist immer noch in den Adern. Ein letztes Mal tief durchatmen und: »Ich meine das ernst. In meinem Team würde jemand so Gutes eine wichtigere Rolle haben als Bankwärmer. Ich hoffe im nächsten Spiel kannst du es Konrad zeigen!«

Meine Anerkennung scheint er jetzt endlich ernst zu nehmen; Das ist nicht nur Höflichkeit, sondern genauso gemeint. »Tut mir leid, dass wir uns noch gar nicht so richtig unterhalten konnten. Josh hat mich eigentlich vor euch und dir gewarnt, aber er muss da was verwechselt haben. Jedenfalls kannst du dich in der Pause gerne Mal zu August und mir-«

»Nummer acht! Komm her hier, sonst holst du dir noch Flöhe oder so!«, unterbricht uns ein Bellen. Augenrollend lege ich den Kopf in den Nacken. »Du eh, sorry, aber ich glaube, dass wir jetzt anfangen…«, erklärt Julius unsicher und beobachtet meine Mimik genau. »Kein Ding, viel Spaß«, wünsche ich ihm schwerfällig. Er ist neu in dem Team, da würde ich mich auch nicht mit einem Mitspieler anlegen wollen, also kann ich ihm nicht mal böse sein, oder?

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