Kapitel 28

112 9 0
                                    

Stehe ich auf Julius? Überfordert mache ich nichts und alles auf einmal. Verdammt, der Blondschopf sieht aus wie ein Gott, kann sich bewegen wie einer und ist unglaublich lieb. Wir haben dieselben Interessen und er hat sich öfter in meinen Kopf geschlichen, als gut für uns ist. Und....

„Er hat eine Freundin." „Und wenn es Liza nicht gebe?" „Dann wären da immer noch Konrad und seine Truppe, die er als seine Freunde bezeichnet." Assia rollt mit den Augen, als wäre das eine unwichtige Nebensache. „Wieso auch immer. Und wenn es diese Idioten in seinem Leben nicht gebe?" Ich stehe von dem Schreibtischstuhl auf und lasse mich neben Assia plumpsen. Sie reicht mir wortlos das Pelztier, das sie im Arm hielt. Ich brauche es gerade mehr als sie. „Und er ist hetero." Mit einem Seufzten lasse ich mich nach hinten in die Kissen fallen. So ein Mist.

„Da wär ich mir mal nicht so sicher, Großer. Aber du hast wahrscheinlich recht, dass würde mit euch nie klappen. Er spielt niemals in deiner Liga, so ein Mitläufer." Herausfordernd stiert sie mich an. Bockig verschränke ich die Arme vor der Brust. „Das stimmt gar nicht! Er ist verantwortungsbewusst, kümmert sich um seine Freunde, ist witzig und verdammt selbstbewusst. Mit ihm würde es niemals langweilig werden und wir lieben beide Fußball und August und ich verstehe uns auch super und die beiden haben mich sofort angenommen." Das anfängliche Feuer, dass Assia ausgelöst hat verpufft zum Ende hin und meine Stimme wird immer leiser. Das Leben ist so ungerecht. Ich schließe frustriert die Augen, kann mich aber nicht vor meinen Gedanken in Sicherheit bringen, die auf mich einstürzen und erdrücken.

Eine Hand tätschelt mich zaghaft am Arm. Ich halte meine Augen geschlossen und versuche das Chaos in meinem Kopf halbwegs zu sortierend. Anstatt eines Sammelsuriums verwandelt sich der Ort meiner Vorstellung in eine Lagerhalle mit meterhohen Regalen, die alle feinsäuberlich beschriftet sind, nur um im nächsten Moment in sich zusammenzufallen. Die Erinnerungen an das freche Grinsen des Blondschopfes überlappt mit dem gehässigen Grinsen von Barbie, auf die sich die Erinnerung von Konrad legt, die dann mit dem friedlichen Ausdruck in Julius' Gesicht konkurriert, als er beobachtet hat, wie ich die Labradordame kraule.

„Ich weiß es nicht." Von meiner inneren Aufruhr erschöpft, wird es mit einem Mal still im Kopf und ich setze mich auf. Ich weiß es wirklich nicht und Assia versteht ohne weitere Erklärungen, was ich meine.

„Paul!" Ihre Stimme nimmt einen Befehlston an, der keine Widerrede billigt. „Du reißt dich jetzt verdammt nochmal zusammen! Wenn du nicht weißt, wie du zu dem Jungen stehst, dann findest du es heraus und wenn er doch nicht dein Traummann ist, dann ist das halt so, andere Mütter haben auch schöne Söhne. Aber du lässt dir diese Chance nicht entgehen, nur weil du Angst hast es herauszufinden. Hast du mich verstanden?"

Meine Augen werden riesig. Als ihre Worte bei mir ankommen, bringe ich nicht mehr als ein Nicken hervor. Man, hat die Frau Power. Das Feuer in ihren Augen verglüht und macht Platz für einen liebevollen, fast mütterlichen Ausdruck. Sie grinst mich abschließend an und steht auf. „Hast du Lust auf eine Partie Mensch-ärger-dich-nicht?"

Aus einer Schublade, in der verschiedene Holz- und Pappplatten einsortiert sind wie bei Tetris, zaubert meine Freundin Spielfiguren samt Brett und Würfeln hervor. Das Klappern der Würfel ist unverkennbar, lockt sogar Emma aus ihrem Zimmer. Wir richten alles auf Assias Schreibtisch ein und beginnen eine Partie.

Wir lachen, wir ärgern uns, wir haben Spaß, während die Sonne zwischen den Häusern den Mond begrüßt. Wie die Runde ausgeht werden wir wohl nie erfahren, wird mir klar, als das Spielbrett seinen Weg auf den Boden findet. Emma war so versessen darauf die Figuren ihrer Schwester zu schmeißen, dass sie nicht mitbekam, wie ich ihre einzeln aber mit System in ihr Häuschen zurücksandte. Aus Rache kitzelt sie mich so lange durch, bis ich mit Tränen in den Augen auf dem Boden lande und winsle wie es Julius' Hündin tun würde. Ich bin mehr als froh über dieses Maß an Ablenkung.

„Bitte, bitte, ich werde dich nie wieder kicken!" Süffisant grinsend lässt Emma von mir ab und wird von Assia mit einem strengen Blick bedacht. Eingegriffen hat sie nicht, was wohl in Zusammenhang mit unserem Gespräch steht. Ich sollte mich da allein rausboxen, Lektion gelernt.

Assias Mum steckt ihren Kopf durch die Tür und fragt, ob wir ihr mit dem letzten Rest fürs Essen helfen wollen, woraufhin wir in die Küche tingeln. Wir machen Börek und falten Käse und Kartoffelbrei in dünne Teigteppiche. Ich stelle mich eher schlecht als recht an, aber die beiden Mädchen an meiner Seite scheinen nicht das Bedürfnis zu haben mir zu helfen, lachen sich lieber kaputt. Nach einer guten halben Stunde haben wir genug für die ganze Familie gerollt und Assias Mum frittiert sie gleichzeitig. Mitten im Geschehen taucht Assias Dad in der Küche auf und drückt seinen Mädchen einen Kuss auf den Scheitel, die sich windend aus seinem Griff befreien. „Papa, wir haben Besuch! Du bist so peinlich", kommentiert Emma das Geschehen.

Der große Holztisch in der Mitte des Wohnzimmers ist vollbeladen mit Dips, Soßen, Salat und Brötchen. Für mich ist das ein Festmahl, für die anderen eher Normalität. Sogar Assias kleiner Bruder folgt seinem Magen zu uns, womit er den Startschuss fürs Essen gibt.

Nach dem Essen muss ich mich zwingen nicht in dem gemütlichen Ledersessel einzuschlafen und verabschiede mich allmählich von der Truppe. Wir haben noch lange gequatscht und ich habe einen kurzen Einblick in den Alltag von Assia bekommen, der herzlicher nicht sein könnte. Mit einer Umarmung mit Assia und Emma mache ich mich auf den Heimweg und falle ins Bett. Essen ist anstrengend.

Be My Cookie (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt