Kapitel 79

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Julius hat recht, wenn man den Kopf ein wenig schräg legt, erinnert August wirklich an ein hüpfendes Wiesel. Oder ein Otter. Jedenfalls springt und winkt er wie wild, als er mich von weitem kommen sieht. Dass ich eigentlich immer noch bockig bin, weil er mich versetzt hat, vergesse ich dabei beinahe und beginne mit ihm zu springen. „Hey! Du bist da! Schau, dahinten stehen auch schon Leeroy und Charlie und Jasper!" Lachend winke ich den Jungs zu, die sich prompt zu uns gesellen. Alle sind bepackt mit Reisetaschen und sprühen nur so vor guter Laune.

„Ich bin erstaunt dich hier so früh zu sehen", widme ich mich meinem hibbeligen Freund, ehe ich mir den Kommentar verkneifen kann. Augusts Gesicht zeigt aber keinerlei Reue, ganz im Gegenteil, seine Augen funkeln mich nun wissend an. „Ja, ja, aber beschwer dich nicht, du hattest schließlich einen würdigen Ersatz." Lachend ramme ich ihm einen Ellenbogen in die Seite, woraufhin August seine Tasche mit voller Wucht gegen meinen Oberkörper donnert. Lee und Jasper, die unser Wortgefecht verfolgt haben, wollen gleich in die männliche Kissenschlacht miteinsteigen, als Zack uns mit einem tiefen Lachen unterbricht.

„Lasst euch ganz, Jungs! Es wäre doch traurig, wenn dieser Ausflug endet, bevor er überhaupt angefangen hat." Sofort stoppen wir in der Bewegung und schließen stumm Frieden. Zack, der sich jetzt vor uns aufgebaut hat, grinst von einem Ohr zum anderen und ist mental sicher schon in der Unterkunft. Er trägt ein geblümtes Hawaiihemd und eine Sonnenbrille, als würde er zwei Wochen in Italien am Pool liegen, wobei das Hemd nicht so recht zu seiner muskulösen Statur passen möchte. „Schaut, die Busse kommen!"

Mein Trainer deutet auf die zwei Riesen, die rollend auf dem Parkplatz vor der Schule zum Stehen kommen. Damit gesellen sich auch Linus und Roy zu uns, die gerade auf den Parkplatz schlendern. Es dauert keine fünf Minuten, dann sind wir vollzählig, wobei von Konrads Team noch niemand anwesend ist.

„Was soll das denn?", fragt Roy und steht mit offenem Mund vor den Fahrzeugen. Was er meint verstehe ich auf den ersten Blick. Die beiden Busse sehen aus, als kämen sie aus verschiedenen Welten. Der Eine schwarz glänzend, hochmodern und mit dunklen Scheiben; der uns Nähere hingegen sieht eher aus wie eine übergroße Blechbüchse, dessen Ausstattung vor zwanzig Jahren sicher brandneu war. Ein kleiner alter Mann mit großer Brille, nach hinten gekämmten grauen Haaren und einem Shirt mit einem Marvelaufdruck steigt aus dem klapprigen Bus und kommt geradewegs auf Zack zu. „Oh nein", entfährt es mir, als mir klar wird was das bedeutet.

Hinter dem schicken Bus tauchen nun auch mehrere in schwarz gekleidete Gestalten auf, die nur Konrad und Co. sein können. Bei ihnen ist Mister Efron und ein anderer Mann, der sicher Julius' Vater ist, von dem er mir erzählt hat. Ich versuche einen Blick auf ihn zu erhaschen, aber so schnell, wie die in dem schwarzen Monster verschwunden sind, kann ich nichts erkennen.

Nun winkt auch Zack uns zu und mit einem schiefen Blick folgen wir ihm in das Gefährt. Ob das die Fahrt überlebt? Von innen sieht es jedenfalls nicht besser aus – mit Stoff überzogene Sitzbänke reihen sich, dessen Oberfläche in der Mitte schon ganz durchgesessen ist, während der Boden in verschiedenen Grautönen schimmert.

Sobald alle sitzen begrüßt Zack nochmals die ganze Gruppe und warnt auf Wunsch des Busfahrers, dass die hinteren Reihen ziemlich wenig gefedert sein sollen. Linus und ich lassen uns das natürlich nicht entgehen, wobei ich sofort daran denken muss, wie sehr das August gefallen hätte, aber der hat von Anfang an klargemacht, dass er mit Julius fährt. Bei so einem Haufen freut sich der Arme sicher über jede Unterstützung.

Kaum endet der Bärtige mit seiner kleinen Rede, schaltet der alte Mann das Radio an, wobei es sich scheinbar um ein Gewinnspielsender haltet und drückt aufs Gas. Mit einem Ruck geht es los und tatsächlich bricht keine Achse. Das Wackeln und harte Aufkommen bei jeder Unebenheit in der Straße bringt unsere gute Laune aber schnell wieder zurück und kaum wurde die erste Box rausgeholt, verbinden wir fünf Stück, sodass überall im Gang die Musik zu hören ist. Zack schaut uns bei der Aktion augenverdrehend an und deutet auf den Busfahrer, aber der scheint von alle dem nichts mitzubekommen, wobei der laute Bass nicht zu überhören ist. Schließlich johlt unser Trainer aber auch mit, als Pink Fluffy Unicorn aus den Boxen dröhnt, die nach einigen Liedern durch den Gang rollen.

Es werden Snacks ausgetauscht und laut gequatscht, während Wiesen und Häuser an uns vorbeirauschen. Es sind zwar nur zwei Stunden Fahrt, aber mit dem Team könnte ich den ganzen Tag durchfahren, nur um die Atmosphäre zu genießen. Linus und ich sind mitten in ein Gespräch über den neusten Kinofilm vertieft, als der Bus quietschend zu stehen kommt und Zack uns mitteilt, dass wir am Ziel angekommen sind. Daraufhin folgt die gleiche Frage, wie bei jedem Ausflug, den wir zusammen machen: „Wer von euch weckt Jasper auf?"

Mit unserem Riesenbaby und dem Gepäck verlassen wir den Bus mit dem Fahrer, der sicher noch prüft, ob alle Spiegel dran sind. „Ob er während der Fahrt wirklich etwas gewonnen hat?", frage ich Linus, der noch mit seinen Haaren beschäftigt ist. Der ältere Mann dreht sich zu mir um und beantwortet meine Frage. „Eine brandneue Comicausgabe", verrät er mir und verabschiedet sich mit einem Zwinkern. Linus sieht ihm mit offenem Mund hinterher. „Aber wie... wie konnte er das hören?"

Ohne das Mysterium zu verstehen gehen wir zu den anderen, die sich auf dem sandigen Boden die Umgebung ansehen. Auf Zack müssen wir warten, der sich gerade mit jemanden unterhält. Der Mann sieht ein wenig jünger aus als er, hat schwarze strubbelige Haare und schwarz braune Augen. Generell hat er einen sehr orientalischen Touch, sticht aber vor allem deshalb so heraus, weil er trotz der pulloverwürdigen Temperaturen ein enges Tanktop und Shorts trägt. Nicht, dass er sich das nicht erlauben könnte, aber verdammt, muss der eine Wärmeisolation haben. Zack bekommt unsere fragenden Blicke mit und wendet sich mit einem Arm über die Schulter des Fremden zu uns. „Das ist Furko, ein alter Freund von mir und ein begnadeter Kampfkunstmeister, der hier arbeitet. Dieses Mal werden wir leider nicht so viel von ihm mitbekommen, aber im Sommer, wenn das Camp ist, werden wir einiges zusammen machen." Einnehmend lächelt Furko und verbeugt sich scherzhaft in einer fließenden Bewegung. Dann sagt er noch etwas zu unserem Trainer, das ich nicht verstehen kann und wendet sich wieder seinen Aufgaben zu.

Nach der kurzen Vorstellung lässt Zack uns unsere Zimmergenossen suchen und weißt uns noch auf das Training heute Abend hin. Zwar geht die Sonne langsam unter, aber „wir wollen die Zeit ja nicht mit Gammeln verschwenden". Gerade machen alle Anstalten zu den Zimmern zu gehen, als mir noch eine letzte Sache einfällt. „Wo sind eigentlich die anderen?" Mein Trainer dreht sich wieder zu mir, lächelt mich fuchsig an und lässt verlauten: „Das Navi hat sie zu Straßen geführt, die noch nicht existieren, also kommen sie eineinhalb Stunden später. Tja, wir hatten Glück, Stan irrt sich nämlich nie."

Mit diesen Worten gehen wir in das Gebäude und folgen der Beschreibung unseres Trainers. Mit Linus und Roy im Schlepptau finden wir eines der besagten Dreierzimmer am Ende des Flurs und laden unsere Taschen ab. Die Räume sind deutlich besser eingerichtet, al es von außen den Anschein macht. Zwar ist die Einrichtung spärlich, aber die Wände sind in Pastell und türkis gestrichen, Bilder von der Umgebung hängen an ihnen und die Betten und der Tisch in der Mitte sind in einem angenehmen Weißton lackiert. Sogar dünne Vorhänge säumen die großen Fenster und vermitteln ein gewisses Wohlgefühl. Roy überlassen wir das schmale Einzelbett, während wir gestenreich ausmachen, wer oben im Hochbett schlafen darf. Natürlich gewinnt mein bester Freund, weil ich gar nicht so scharf darauf bin, in der Nacht irgendeine Treppenstufe zu übersehen und mir dann die Nase zu brechen. Sobald wir unsere Betten als unsere gekennzeichnet haben und die Fenster aufgerissen wurden, treffen wir uns wieder alle im Flur und gehen die letzten Kleinigkeiten durch, ehe wir die Gegend erkunden.

„Das Ritual startet wie abgesprochen um Mitternacht. Zacks Zimmer haben wir schon verortet, also bleibt alles bei den verabredeten Zeitabläufen. Treffpunkt verbreiten wir bei der Trainingseinheit heute Abend."

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