Kapitel 49

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„Dessen Trainer würde sich noch wundern, wenn der wüsste, was für Dreck die alle am Stecken hätten." Nicht mal ich möchte wissen, was für Kacke die am Dampfen haben. Und wenn meine Freunde, mein Team, wüsste, wie ich in dieser Sache verwickelt bin, würden sie mich sicher genauso teeren und federn. Der Gedanke an Julius dreht mir den Magen um, aber um ihn zu vertreiben ist es zu spät. Ich würde alles Gesagte sofort unterschreiben, wenn es da nicht diese kleine Sache gebe, die einen riesigen Haken hat. Ich habe mich in ein Mitglied dieser Schläger verliebt und verdammt, ich würde alles dafür geben ihnen zu zeigen, dass nicht alle wie Konrad sind. Aber würden sie wissen, was an dem Abend nach dem Training passiert ist, würde wohl nicht mal die Vernunft sie aufhalten. Dafür liebe ich meine Freunde und dafür könnte ich ihnen die Schädel einschlagen. Aber es nützt alles nichts, also einfach weiter die Klappe halten.

„Wir könnten denen zeigen, wie man als Team spielt. Aber ehe wir gegen sie antreten würden, sind die aus den Turnieren geflogen." Zustimmendes Gemurmel kommt von allen Seiten. Ich lasse die Schultern sinken und löse mich aus meiner verkrampften Haltung, in dem Glauben es wäre vorbei. Die Räder, die in Roys Kopf zu rattern scheinen, sprechen eine ganz andere Sprache. „Was ist mit dem Ausflug? Wir haben dort doch sicher eine Gelegenheit gegen sie zu spielen, oder?" Er lockert seine Gedanken, indem er den Kopf schüttelt, wobei seine pechschwarzen Haare dabei um ihn peitschen. Am liebsten würde ich aufstehen und mich an den Rand stellen, raus aus dem Zentrum, aber ich überwinde mich zu keiner Bewegung. Es ist doch schon zu lange her, als dass sie sich daran erinnern, oder? Ich weiß sehr genau, was Zack alles geplant hat, aber nachdem meine Eingeweide immer noch von dem Gedanken an Julius brennen, wage ich keinen Laut aus meinem Mund zu lassen. Ich würde ihn lautstark verteidigen. Was eine Scheiße.

Jasper zupft neben mir nachdenklich an seinen blassrosa Haarspitzen und richtet seine grauen Augen dann auf mich. Ich weiß nicht, ob es ein Urinstinkt des Menschen ist, zu wissen, in welcher Sekunde er in der Scheiße sitzt, aber meine Gedanken brüllen mir zu, dass ich diesen Kampf verloren habe. Mit dem Sekundenbruchteil der Erkenntnis in Jaspers Augen, ist mir klar, was als nächstes kommt.

„Paul? Zack hat dir doch die Pläne vorgestellt, oder?", seine Frage ist Antwort genug. „Ja, mh, also..." Von den vorbeifliegenden Gedanken, bekomme ich keinen schnell genug zu fassen. Mein Kopf hat sich aus Eigeninitiative in ein Paar Augen aus geschmolzener Schokolade verloren, während es mir die verschwommenen Bruchteile meiner kurzen Flucht nach meiner Tortour zeigt. Überfordert von mir selbst bringe ich nicht mehr als ein Stammeln heraus. „Komm schon, alter. Ich wüsste auch gern, inwieweit wir die Chance dazu kriegen." Hinter mir legt Jasper eine Hand auf meine Schulter. Für ihn eine freundschaftliche Geste; für mich die Klaue, die mich an Ort und Stelle behält. Nun unterstützen ihn auch die anderen. Ich weiß ganz genau, dass sie mich nicht zu irgendetwas zwingen wollen und nur aus Spaß nachhaken. Mein Körper sieht das ein wenig anders.

„Was ist los, Paul? Willst du es uns etwa nicht erzählen?" Charlie weiß mit seinem ironischen Tonfall nicht, wie recht er doch hat. Als Jasper mich dann mit ein wenig zu viel Kraft anstößt, der arme Kerl hatte schon immer Probleme mit der Dosierung, reißt mir der Kragen. Mit hochrotem Kopf stehe ich auf und schalte meinen Kopf aus. „Ihr werdet schon noch sehen, was Zack geplant hat! Ich bin doch nicht eure Mutter, die euch eure Koffer packt! Entweder ihr geht selbst zu Zack oder ihr lasst es bleiben!"

Die verdutzten Blicke meiner Freunde, machen klar, dass es die Untertreibung des Jahrhunderts wäre, würde man sagen ich hätte nur laut gesprochen. Ich habe meine Freunde angeschrien. Und so wie ich drauf bin, könnte ich es wieder machen. Die Stille und Regungslosigkeit der Gruppe spannt sich wie ein Bogen, dessen Pfeil jede Sekunde durch mich hindurch schneiden wird. Ehe die Sehne reißt, setze ich einen Fuß vor den anderen und hechte aus dem Raum. Ich vertrau mir gerade selbst zu wenig, als das ich nochmal explodieren könnte. Trotz meines lauten Kopfes, der auf mich einredet, höre ich, dass mir jemand folgt. Linus ist nur eine Armlänge hinter mir. Eigentlich nahm ich mir vor im Bad zu verschwinden, bis jemand hineinwill. Da sich das jetzt erübrigt, steuere ich gleich auf Linus' Zimmer zu.

Die Dunkelheit des Zimmers schließt mich in die Arme; ich mache mir gar nicht erst die Mühe, das Licht anzuschalten. Linus ist eh gleich – und schon geht die große Zimmerlampe an. „Hey, du. Was war das eben?" Seine Frage geht in den Eindrücken der letzten Situation unter. Ich habe meine Freunde angeschrien. Verdammt. Ich weiß nicht, wie oft ich in den letzten Wochen schon ausgerastet bin. Und dann auch noch vor denen, die immer für mich da waren. Nur jetzt können sie mir nicht helfen. Super, werde ich gerade verrückt? In den letzten Wochen habe ich so viel gemacht, was ich mir nicht mal vorstellen konnte. Sind das nicht die ersten Anzeichen? Und wieso? Weil so ein Idiot blöd zu mir ist und ich mich geprügelt habe? Verrückte sollen ja nicht selbst wissen, dass sie verrückt sind. Ich sollte mich einweisen lassen, so eine Umarm-dich-selbst-Jacke steht mir sicher.

Linus setzt sich auf sein Bett und faltet die Hände abwartend im Schoß. Dass ich einfach mitten im Raum erstarrt bin, habe ich nicht mitbekommen. „Scheinbar willst du nicht reden. Das ist okay." Mein bester Freund krabbelt in die letzte Ecke seine Betts und greift dort nach einem alten, schon fleckigen Kissen. Der Junge vor mir katapultiert mich in die Zeit zurück, in der wir uns jeden Nachmittag getroffen haben. Sobald es Probleme gab, hat man sich dieses Kissen genommen und musste versprechen, die Wahrheit zu sagen. Diese Geste lässt mich aufatmen, gibt mir etwas, woran ich mich festhalten kann. So drehe ich wenigstens nicht durch. Aber damals waren unsere Probleme anders; wir waren anders.

„Du bist mein bester Freund. Deshalb zähle ich darauf, dass du mir sagst, wenn etwas nicht stimmt. Das etwas nicht in Ordnung ist, sieht sogar ein Blinder. Ich vertraue dir, wenn du sagst, dass es nicht erwähnenswert ist. Aber mach dir keine Sorgen, die lassen sich davon nicht abschrecken. Sie haben dich schon in Unterhosen gesehen – die Jungs sind also deutlich schlimmeres gewohnt."

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