Kapitel 36

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Am Montag darauf hing mir die gute Laune noch in den Knochen. Die Präsentation von Julius und mir lief wie am Schnürchen, wir haben uns einiges aus den Fingern saugen müssen, aber Mister Wi war mehr als zufrieden mit unserem Ergebnis. Beim Mittagessen erzählte uns August, wie gut unsere Idee zu der Schulparty ankam und dass er uns mehr als dankbar sei. Der Tag verging wie im Flug und ich freute mich schon riesig auf das Training. Bald würde es wieder ein Spiel geben, sodass wir weniger Konditionstraining und Kraftübungen machten, sondern tatsächlich die ganze Trainingszeit im Spiel verbrachten, was bei uns eher selten vorkommt. „Was nützt euch euer Tatendrang, wenn ihr weder genug Kraft, noch genug Theoriewissen habt?", hat uns Zack stets gepredigt.

Wir waren alle in Bestform und nach Anweisungen von unserem Trainer sollte es heute weniger um die Torschüsse gehen, sondern um möglichst spektakuläre Spielzüge. So haben wir alle möglichen Kombinationen aus Beinarbeit, Schüssen und Tricksen versucht, teilweise hat es sogar funktioniert. Aus dem Zufall heraus klatschten wir sogar einmal, als Linus den Ball im Sprung, mit einer Drehung so über das Feld befördert hat, dass Charlie ihn mit einem Kopfstoß ins gegnerische Tor stoßen konnte. Solche Spielzüge merkten wir uns, haben aus dem Zufall heraus einiges entdeckt, was Zack mit uns später vertiefen möchte.

Nach dem Spiel, verwickelt in eine Diskussion mit meinem Trainer, ziehe ich mich als letzter um. Zack wollte von mir wissen, wie ich die Pläne zu dem Trainingswochenende fand, da es bald soweit sein würde und er sich gern die Meinung von einem Spieler anhört. So halte er sich auf dem Laufenden, worauf wir so Lust hätten. Da er uns aber inzwischen genug kennt, als dass er einen perfekten Plan entwickelt hat, konnte ich nichts aussetzen und ohne zu viel zu verraten, glaube ich, dass diese zwei Tage allen Spaß machen würden. Zurück in der Umkleide entschließe ich mich, da die Duschen nun unbesetzt sind, von warmem Wasser berieseln zu lassen. Da die Turnhalle sehr modern und schlicht gehalten ist, ist die normale Wassertemperatur nicht bei minus zehn Grad und durch die leuchtenden Deckenplatten auch nicht gespenstisch.

Bewaffnet mit längeren Klamotten und meiner Sporttasche trete ich aus der Turnhalle, die in Dämmerlicht gehüllt ist. Die Tage werden kürzer, schießt es mir durch den Kopf. Gerade will ich mich von der Hallentür abwenden, als ein tiefes Lachen ertönt. „Du hier? Was für ein Zufall. Paul, mein guter Freund."

Die Alarmglocken in meinem Kopf schlagen so laut Alarm, dass ich den schnurrenden Ton Konrads beinahe überhört hätte. Sie alle sind da. Die ganze Bande, nicht nur die drei Musketiere, nein, auch andere mir bekannte Störenfriede, die seinem Team angehören. Sie belagern die Sitzgelegenheiten aus Beton und drücken daran ihre Zigaretten aus. Der schmale Streifen zwischen Schulgebäude und Turnhalle ist so aufgebaut, dass ich unweigerlich an ihnen vorbeimuss. Verdammt. Nachdem Konrad den Stummel in seiner Hand auf den Boden fallen lässt, erhebt er sich und tretet auf mich zu. Meine Augen werden riesig, als er mir einen Arm um die Schulter legt, sodass ich seinen Geruch wahrnehmen kann. Alles an ihm ist so widerlich, wie er selbst.

„Möchtest du auch eine?" Als spreche er mit einem seiner vertrautesten Freunde, zieht er eine weitere Zigarette au seiner Schachtel und hält sie mir hin. Zusammen dreht er sich mit mir im Arm zu seinen Untertanen. Ich habe gehofft, dass es mit meinem Zusammenbruch vor Julius' Augen vorbei ist, dass ich neutraler an die Sache herantreten kann, aber mein Puls sagt mir etwas anderes. Nicht, dass er schneller wird oder Wut durch mich schießt, nein, alles wird ruhig. Wie die Ruhe vor dem Sturm.

Wie eine Raubkatze, die spielerisch mit ihrer Beute herumalbert, grinse ich ihn an. „Nein danke. Ich rauche nicht." Honigsüß webe ich meine Worte in seinen Kopf, laut genug, als dass es jeder hören kann. Mit meinen Worten werde ich starr, mein Körper weiß schon vor mir, dass das hier nicht gut enden kann. Nicht gut enden wird. Ich bin nicht mehr ruhig, ich werde kalt.

„Wie konnte ich vergessen, dass du unsere Stimme der Vernunft bist, nicht wahr Freunde?" Einstimmiges Zustimmen kommt zurück. Konrad, Konrad, Konrad. Mein Grinsen nimmt diabolische Züge an. Konrad führt seinen Kumpanen seine Trophäe vor, die Schlange, die er glaubt erlegt zu haben. Noch hat sie nicht zugebissen. Wie kann er nur so dumm sein und seinen größten Feind in seine Mitte holen? Langsam sickert die Nähe zu Konrad in mich und ich spüre die Punkte, an denen wir uns berühren heiß wie Sterne. Als wäre es Gift, das mich zersetzen möchte. „Wie lustig unser Paul doch ist." Noch ist die Gelegenheit nicht da. Ich könnte ihm vor seinen Freunden zeigen, wie lustig ich sein kann.

Ich gebe zu, dass ich mich gerade wie ein Kleinkind auf Weihnachten freue. Jeder Muskel spannt sich an, wartet nur auf „Los". Konrad schreitet mit mir noch einen Schritt näher zu den anderen, die in einem Halbkreis auf uns warten. Auf die Plätze. Das Raubtier scannt durch meine Augen jede Position von möglichen Gegnern ab, die Spielzüge, die mich hier herausholen würden. Fertig. Ich drehe meine Schulter, die unter Konrads Arm liegt, versuchsweise ein Stück. Für Konrad kein Grund mich fester zu umschließen. Eine Bewegungsabfolge nimmt in meinem Kopf Gestalt an. Mein Gesicht spiegelt nun alles Blutrünstige, was ich in mir trage, wider. Ich lächle noch einmal, nun gut, Zähnefletschen beschreibt es wohl besser. Niemand kann mich mehr aufhalten. Los.

Wie eine Viper schieße ich nach vorn, drehe mich aus Konrads Griff und katapultiere meine erwartungsvolle Faust gegen den Kiefer des Braunhaarigen. Überrumpelt von meinem plötzlichen Überfall taumelt er, wie vorhergesagt, mit dem rechten Fuß nach hinten, weil ich ihn mit Links getroffen habe. Durch seine gezwungene Gewichtsverlagerung und die Kraft, die der Rückstoß mir geschenkt hat, nutze ich meine Position und lege mit meinem rechten Ellenbogen gegen seine Schulter, die nun zu mir zeigt, nach. Mein Gegner taumelt einen weiteren Schritt nach hinten.

Zufrieden über den Platz, den ich mir gemacht habe, warte ich mit Hochmut auf die anderen. Zwei Jungs, die sich besorgt ansehen, wollen einen Schritt auf mich zu machen, werden aber von Elias aufgehalten, der in dem dämmrigen Licht mit seiner Umgebung verschmilzt. Er hebt seine Hand, eine einfache Geste, die den beiden Zurückhaltung signalisieren soll. „Lass ihm den Spaß", legt Josh nach, der entspannter nicht hätte wirken können. Das spärliche Licht lässt seine roten Spitzen wie Flammen züngeln. Mit einem Blick zu Konrad und dann zu mir, schätzt er die Situation scheinbar als ungefährlich ein. Die Stimme, die meine Gedanken anfeuert, ist außer sich, weil dieser Idiot mich immer noch unterschätzt. Wenn er möchte, kann ich ihm gern das Gegenteil beweisen.

In der Zwischenzeit hat sich Konrad wiederaufgerichtet und fasst sich gedankenlos an die Stelle, an der meine Faust ihn getroffen hat. Der angenehme Schmerz in meiner Hand ist ein Zeugnis davon, wie sehr sein Kiefer schmerzen muss. Ein Knacken habe ich nicht vernommen, gebrochen kann er also nicht sein. Schade aber auch. Wie ein Bär macht er sich größer, sein Gesicht ist nicht so entspannt wie das seiner Kollegen. Schließlich hat er am eigenen Körper gespürt, wozu ich fähig bin. Konrad ballt seine Hände zu Fäusten, rasend vor Wut, mit einem Ausdruck, als würde er vor nichts mehr zurückschrecken. Jetzt wäre der perfekte Moment, um mich aus dem Staub zu machen, denn das Überraschungsmoment ist schon lange nicht mehr auf meiner Seite, aber dafür hat es sich einfach zu gut angefühlt. Die Zurückhaltung, die ständigen Beleidigungen, jede Stichelei. Das alles bekommt er nun zurück.

Konrad rast auf mich zu, ich kann nicht mehr ausweichen, das Bedürfnis selbst anzugreifen ist einfach zu stark. Würde er mich jetzt, so wie er sich positioniert hat, umhauen, würde er sich selbst viel zu sehr verletzen. So dumm kann er nicht sein. Mit einer Wucht, die mich einige Zentimeter nach hinten wirft, überzeugt er mich wortlos vom Gegenteil.

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