Kapitel 25

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Mit einem Stöhnen auf den Lippen reibe ich mir den Schlaf aus den Augen. Meine Nacht verlief traumlos und ohne Zwischenfälle. Mein Arm streckt sich nach dem Kissen, das normalerweise friedlich neben mir ruht, greift aber ins Leere. Mehr schlecht als recht öffne ich suchend die Augen, wobei das Tageslicht da keine Hilfe ist. Erst jetzt fällt mir das nervtötende Piepen auf, das klingt als würde ein Herzschlagmesser an einem Tour-de-France-Fahrer angeschlossen sein. Alle Klarheiten sind beseitigt, als ein tiefes Schnarchen auf die Geräuschkulisse reagiert. Die Erkenntnis, dass ich eindeutig nicht in meinem Bett liege, erschlägt mich buchstäblich.

Danach geht alles ziemlich schnell – ich bin wach, stehe beinahe auf der Couch und checke, ob ich noch alle meine Kleidungsstücke bei mir habe. Als wäre ich nicht durch den Wind genug, reiße ich dabei eine Glasflasche um, die auf einem Beistelltisch steht. Der Schwarzhaarige schreckt hoch und eröffnet mir damit eine Flut an Erinnerungen. Zufrieden atme ich tief durch und gehe zu dem immer noch klingelnden Wecker, um ihn auszuschalten.

Eine Stunde und Erklärungsnachricht an meine Mutter später, betrete ich mit frischen Klamotten und lückenhaften Schulsachen die Schule. Die zweite Stunde fängt plangemäß in fünfzehn Minuten an, weshalb sich auf dem Flur immer mehr Menschen sammeln. Ich danke Gott, dass ich keinen Kater habe, sonst hätten mir die vielen Geräusche sicher dem Verstand geraubt.

Angekommen bei meinem Spind fülle ich die Lücken meiner Heftersammlung und nehme mir etwas Geld, um mir Mittagessen zu kaufen. Die Schlange vor der Cafeteria ist mittags immer so voll, dass ich mir angewöhnt habe, sowas früher zu erledigen, um nicht meine Pause mit Schlangestehen zu vergeuden. Dort erwartet mich überraschenderweise ein strahlendes Gesicht, umrahmt von blonden Haaren. Es war schon zu spät um mir das Grinsen zu verkneifen, als ich den Fußballer erkenne. „Herzlichen Glückwunsch, alter! Ihr habt sie platt gemacht! Aber viel wichtiger: Wie lief die Afterparty?"

Scherzhaft verziehe ich das Gesicht, als mich die Erinnerungen an gestern einholen. Gott, war mein Abgang gemein, ich hoffe August ist mir nicht- Wie heraufbeschwört kommt uns der Beanie-Träger, mit einem überquellenden Wrap in den schon mit Remoulade getränkten Händen, entgegen. Er muss die Frage von Julius gehört haben, nur das erklärt sein fuchsiges Grinsen. Julius blickt mich verwirrt an, aber ich zucke nur unschuldig mit den Schultern. Stumm flehe ich August an nach dem Motto Was-in-Vegas-passiert-bleibt-auch-in-Vegas zu handeln, aber der scheint von meinen Versuchen nicht die Spur mitzubekommen.

Damit August gar nicht die Chance hat etwas Peinliches zu sagen, beginne ich zu erzählen, wie toll es doch war und wie viel Spaß alle gehabt hätten. Stimmt ja auch. Als sich August dazuschaltet und alles übertrieben ausschmückt, wird mir klar, dass meine Versuche vergebens sind. Julius folgt August und unterbricht ihn höchstens mit einem „Geil", „Wow" oder „Oha", bleibt sonst aber still. August kommt gerade zum Ende seines Vortrages, als ich vorschnell die Anspannung fallen lassen; August muss genau darauf gewartet haben. Er endet mit dem Satz: „Oh und Paul hat einen heißen Kolumbianer aufgerissen."

Wo ist dieser verdammte Erdboden, von dem immer alle sprechen? Julius' Grinsen friert kurz ein, als würde er August nicht glauben, dreht sich dann aber zu mir und klopft mir auf die Schulter. „Klingt nach einem perfekten Abend." Peinlich berührt lächle ich ihm zu, senke aber schnell wieder den Kopf. Ich werde dich umbringen, August! Seine erwartungsvollen Blicke machen das auch nicht besser. Erlöst nutze ich den kurzen Augenblick der Ablenkung, um meinen Gesichtsmuskeln die Befehle zu erteilen, sie sollen doch bitte etwas netter wirken.

Lange genießen kann ich es nicht, dass August und Julius auf etwas hinter mich schauen, als ich das Klicken von Absetzen auf dem Boden höre. Die hübsche Blondine stoppt vor uns und drückt ihrem „Schnuckelhasi" einen Kuss auf die Lippen. Ihre Worte, nicht meine. August umarmt sie kurz, als sich Liza von Julius gelöst hat, mich lächelt sie kurz an. Wie nett. „Hey, Schmusebärchen, du hast doch heute Training, oder?" Zustimmend nickt Julius, obwohl Liza ihm dazu keine Sekunde lässt, weil sie gar keine Bestätigung braucht. „Ich habe heute Morgen Kekse gebacken und dachte ich könnte zu deinem Training kommen, um die Jungs zu stärken." Wenig überzeugt zieht er eine Augenbraue hoch, mehr braucht seine Freundin nicht, um noch eins drauf zu setzen.

„Außerdem läufst du so sexy!" Bilder laufen vor meinem inneren Auge ab, wie ich ihn beim Aufwärmen beobachte, während er rennt. Ich schiebe diese Gedanken schnell beiseite, weil sie hier nun wirklich gar nichts zu suchen haben. Aber Liza hat recht. Julius schaut mich kurz an und antwortet dann: „Ja okay. Kein Ding, ich freue mich, wenn du mitkommst." Sofort fallen mir meine Worte von der Übernachtung ein: „Ich würde ihr noch ein wenig Zeit geben, noch ist sie auf Wolken, aber ihr werdet euch einpendeln und du kannst ja auch einfach mit ihr reden." Deshalb auch der Blick von Julius. Er scheint sich meinen Rat zu Herzen genommen zu haben, wobei ich nicht weiß, wie ich das finden soll.

„Kann ich auch mitkommen?" Scheiße. Scheiße, Scheiße. Mein Mund war schneller als mein Kopf. Was soll das den jetzt?! Alle Blicke wenden sich zu mir. „Wieso das denn?" Julius' Frage klingt nicht beleidigend, eher neugierig. „Ich... mag... Kekse." Naja, wenigstens ist mir überhaupt etwas eingefallen. „Klar, wieso nicht." Immer noch überwiegt die Neugierde in Julius' Worten.

August, der den Wortwechsel von uns nur beobachtet hat, mischt sich jetzt auch mit ein. „Na dann! Lasst uns das zu dritt machen!" Julius zuckt nur mit den Schultern und nickt übertrieben. Damit ist das Thema noch nicht gegessen, wie Augusts Augen verraten. Gott, ist der Kerl misstrauisch. Mit einem Seitenblick zu Liza erkenne ich einen Gesichtsausdruck, der „Wer hat euch denn ins Hirn geschissen?" schreit. Ändern kann man es jetzt auch nicht mehr. „Dann haben wir heute Nachmittag ein Date", wirft Julius in die Runde.

Mit diesen Worten hakt sich seine Freundin bei ihm ein und die beiden gehen davon.

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