Kapitel 38. All die unerklärlichen Dinge

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Stunden später wache ich wieder in einem Bett auf. Nicht im selben Raum, die Wände sind dunkler und der Fensterrahmen braun. Nicht hölzern-braun, sondern in der tiefbraunen Farbe von Fäkalien. Angeekelt drehe ich den Kopf weg und lasse meinen Blick durch das leere Zimmer schweifen. Die Uhr steht auf kurz vor fünf nach sieben.

Der Raum ist leicht abgedunkelt, doch ich wünsche mir die mattgrauen Storen wären vollständig zugeklappt und ich wäre in die tiefe schwarze Masse eingelullt. Weit weg von diesem ausgedienten Krankenzimmer und seinem schalen Geruch nach Desinfektionsmittel. 

Der Zeiger steht immer noch auf fünf ab.

Wie lange werden sie mich noch hier drin liegen lassen? Vielleicht Stunden, vielleicht nur Minuten. Ich weiss nicht, was mir lieber ist.

Genervt blicke ich zum Klingelknopf auf, der wenige Zentimeter über meinem Kopf baumelt. Hin, her, hin, her. Quatsch, er bewegt sich keinen Millimeter, aber ich fürchte, dass mein Gehirn in meinem Schädel gerade einen Salto versucht. Mir ist schlecht, aber da ist kein Schmerz. Nur wabbelige taube Körpermasse. Wie Gelee.

Die Uhr steht still. Sie zeigt auf fünf nach sieben.

Die Türe knarrt und das Klirren von Geschirr und Stimmengewirr schwappt von aussen hinein. Jemand betritt das Zimmer, ich höre die schweren Schritte auf dem Linoleumboden, aber ich öffne die Augen nicht.

Eine warme Hand berührt meine Stirn leicht.

"Ich weiss, dass du nicht schläfst", sagt Lucas Falc mit leiser Stimme und zieht seine Hand wieder zurück. Müde öffne ich die Augen und sehe zu ihm auf.

"Du siehst sehr viel entspannter aus, wenn du schläfst", bemerkt er und lässt sich auf den Stuhl neben mir sinken.

"Du meinst, wenn ich bewusstlos bin?", lache ich leise und mit rauer Stimme. Habe ich ihn vorher schon geduzt? Plötzlich kommen mir meine eigenen Worte merkwürdig falsch vor.

Falc wirkt nicht sonderlich beeindruckt davon, dass ich jegliche Formalitäten vergessen und vernachlässigt habe, stattdessen schlägt er die langen Beine übereinander und legt seinen omnipräsenten Notizblock auf sein Knie.

"Willst du nachher mit Nick reden?", fragt er mit einem kurzen Blick zu mir.

"Wenn er das auch will..."

"Andreas, ich werde ihn jetzt kaum durchs halbe Krankenhaus geschleppt haben, damit er mit dir reden muss", gibt der Kommissar leicht genervt zurück und ich senke beschämt den Kopf. Für einen Moment wird es still und ich spüre seinen eindringlichen Blick auf meiner Haut brennen.

"Dann gibt es da leider noch ein paar Gespräche, die du wohl eher ungern führen wirst", fährt er schliesslich mit ernster Stimme fort.

"Das beinhaltet deinen Anwalt, ein psychiatrisches Gutachten, Mitarbeiter des Jugendamts und schlussendlich noch meine Kollegin in diesem Ermittlungsverfahren."

Ich atme schwer aus. Das ist ungemein viel menschlicher Kontakt. Ungemein viel mir nicht wirklich gutgesinnter menschlicher Kontakt. Erstaunlicherweise kriege ich dieses Mal keine Panikattacke, obwohl das mittlerweile eine Standardreaktion meines Körpers zu sein scheint.

Angst. Zack, Luftzufuhr weg. Bewusstlos. Problem gelöst.

Bei den Opossums funktioniert das mit dem sich totstellen ja auch ganz gut.

Aber jetzt gerade bin ich ruhig, seltsam ruhig. Ich höre meine eigenen regelmässigen Atemzüge und mein Herz im Takt klopfen. Beinahe glaube ich, das Blut in meinen Adern fliessen zu spüren. Das muss das Narkotikum sein.

"Bist du noch bei mir?"

"Ja."

"Das passiert aber nicht mehr heute. Du kannst mit Nick reden, danach hast du deine Ruhe vor mir."

SchattenfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt