Kapitel 32. Lebensmüde

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Es ist heiss als ich aufwache. Feuchtwarmer Stoff klebt an meiner Haut und meine Gesicht fühlt sich schmierig an, unsauber, als hätte ich seit Tagen nicht geduscht. Für einen Moment bin ich verwirrt. Ich verstehe nicht, wem diese verschwitzten blauen Bettlaken gehören, was der lange Plastikvorhang neben mir soll.

In einem plötzlichen Anflug von Angst richte ich mich hastig auf. Meine Kopfschmerzen setzen im selben Moment ein, indem mein Verstand begreift, wo ich hier bin. Im Krankenhaus, immer noch.

"Guten Morgen", höre ich eine Stimme nahe an meinem Bett sagen. Aaron sitzt neben dem Bett und betrachtet mich mit mitleidiger Miene.

"Wie geht es dir?"

"Kopfschmerzen", flüstere ich erschöpft und fasse mir mit einer Hand an die Schläfe. Nichts hindert mich daran, diese Bewegung auszuführen. Keine Handschelle. Nichts. Erstaunt blicke ich  Aaron an. Seit wann ist er hier? Wo ist der andere Polizist? Wo ist Nick?

Der junge Polizist wirkt verwundert über mein Erstaunen. Er beugt sich etwas weiter zu mir nach vorne, stützt die Ellbogen auf seine Knie.

"Du glaubst doch nicht, dass man dich mit Handschelle liegen lässt, wenn du halb bewusstlos bist, oder?"

"Ich...", bringe ich überfordert hervor. Ich verstehe nicht, was passiert ist. Nur noch ein paar albtraumhafte Fetzen schwirren in meinem schlaftrunkenen Kopf rum.

"Du hast gestern Abend starkes Fieber bekommen", erklärt Aaron.

"Die Medikamente müssen dich ziemlich ausgeknockt haben."

Ich nicke abwesend. Fieber. Mir ist so warm. Eklig, klebrig warm. Mein Kopf hämmert dumpf. 

"Wo ist Nick?"

"Beim Untersuch", meint Aaron und lächelt aufmunternd.

"Seit wann bist du hier?"

"Seit zwei Uhr nachts." Er gähnt, als ob er sich seiner Müdigkeit erst jetzt bewusst würde, und fährt sich durchs Haar. 

Ich versuche einen Blick auf die minimalistische Uhr an der gegenüberliegenden Wand zu erhaschen. Es ist kurz nach acht Uhr morgens.

"Hast du Hunger?", fragt Aaron und deutet auf ein dunkelgraues Tablett, auf dem ein einsames Brötchen mit einem Messer liegt.

"Hier ist noch Marmelade und Butter", ergänzt er dann, als ob das ganze nicht schon deprimierend genug wäre.

"Kann ich etwas gegen die Kopfschmerzen haben?", frage ich tonlos und wende den Blick von dem kümmerlichen Gebäck ab.

"Ich kann fragen, aber wahrscheinlich kommt danach gleich die Pflege", sagt Aaron und wirft mir einen fragenden Blick zu.

Erschöpft lasse ich mich wieder ins Kissen sinken.

"Bitte frag."

Aaron nickt, bleibt aber unentschieden auf seinem Stuhl sitzen. Zerstreut werfe ich ihm einen fragenden Blick zu. Wieso geht er nicht? Als sein Blick auf meine Hand fällt, wird mir klar, was sein Zögern bedeutet.

Wortlos strecke ich ihm mein Handgelenk entgegen, mein Blick trifft seinen matt.

Der junge Polizist wirkt unentschlossen, seine Finger fummeln an der metallenen Handschelle an seinem Gurt herum.

"Ist schon okay", sagt er dann und drückt meinen ausgestreckten Arm sanft nach unten.

"Aber versprich mir, dass du nichts versuchst, ja? Das würde dir und mir viel Ärger einhandeln", meint er eindringlich und betrachtet mich ernst. 

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