Kapitel 51. von glücklichen Blumen

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"Hier."

Falc hält mir ein Handy hin, nagelneu, glänzend und mit eingestecktem Ladegerät. Auf dem Bildschirm klebt ein kleines, gelbes Post-it mit einem ewig langen, garantiert sicheren Code.

"Ich wollte dir eigentlich dein altes Handy zurückgeben aber unser Techniker meinte, dass das so alt ist, dass es garantiert Probleme mit der Applikation gibt. Ausserdem sei der Akku in einer halben Stunde komplett unten."

"Kommt etwa hin", murmle ich verlegen. Falc verzieht die Lippen zu einem schmalen Lächeln und drückt mir das Telefon in die Hand.

"Er hat dir stattdessen das hier besorgt. Ich habe alle wichtigen Nummern eingespeichert und bei jeder noch die Zuständigkeit hingeschrieben, falls du bei den ganzen Namen mal den Überblick verlierst."

Dreizehn Kontakte, alle säuberlich beschriftet mit vollem Namen und Klammern in denen sich mir nur allzu bekannte, gemütliche Begriffe tummeln. Jugendamt, Polizei, Psychiatrischer Dienst. Der Rest der Liste verschwimmt als ich erschöpft die Augen schliesse.

"Alles okay?"

"Toll, danke", murmle ich, immer noch mit geschlossenen Augen. Lasse mich rückwärts in die zerwühlten Bettlaken fallen, wie ein Märtyrer in seine Lorbeeren.

Falc seufzt leise. Es raschelt, als er etwas neben mir ablegt. Ein Stapel Papier von vielen weiteren.

"Hier sind nochmal die Punkte zur Handy-Überwachung zusammengefasst."

Ich muss die Augen nicht aufmachen, um zu wissen, was da steht. Handy nicht ausschalten, sonst gibt's Alarm. Grüne Zone nicht verlassen, sonst gibt's Alarm. Und dann noch den grundsätzlichen Nicht-zur falschen-Zeit-am-falschen-Ort-sein-Alarm, wenn ich mich nicht an meinen fixen Plan halte. Spontaneität ist nicht.

Als ich schliesslich doch aufschaue, begegne ich Falcs resigniertem Blick.

"Ich habe gehofft, dass du dich wenigstens ein bisschen freust", sagt er beinahe sanft und sieht mich für einen Moment schweigend an, die dunklen Augen nachdenklich. Im grauen Morgenlicht, das durch die halboffenen Rollläden fällt, wirken sie beinahe schwarz. Dann schüttelt er den Kopf, sodass die dunklen Haare hin und herwippen.

"Komm, lass uns gehen. Vielleicht kann Nick dich ja aufmuntern."

Er reicht mir eine Hand, die ich geflissentlich ignoriere, um ihm nicht näher zu kommen als ich unbedingt muss. Falc seufzt bloss und greift stattdessen nach dem gelben Supermarkt-Plastiksack, in dem mein Besitz verstaut ist. Ein paar Fundkleider, die das Krankenhaus entbehren konnte, Hygieneartikel und Anti-Rutsch-Socken aus den hohen, weissen Schränken in meinem Zimmer. Und die Jacke, die ich von Aaron gekriegt habe und die jetzt lose von meinen Schultern baumelt. Sie riecht nach stechender H&M-Filialen-Luft und Enttäuschungen.

"Wie geht es Aaron?", frage ich Falc, als wir zum letzten Mal dieses elende Zimmer verlassen und in den Korridor hinaustreten. Der Kommissar wirft mir einen verdutzten Blick zu, verlangsamt sein rasantes Schritttempo aber kein bisschen.

"Gut. Aber wir werden jetzt nicht über Aaron reden, Andreas."

Damit behält er nur Recht, weil er mich Sekunden später mit sanfter Gewalt nach vorne schubst, hin zu Nick, der mich mit seinem verschmitzten Lächeln sofort aus dem Konzept bringt.

"Gratuliere zum Tag der Entlassung!", grinst er mich mit der Ausstrahlung von sieben Sonnen an und lockt dabei das kleine Grübchen auf der linken Seite seiner Lippen aus seinem Versteck. Die Deckenlicht spiegelt sich in seinen braunen Augen, als er den Kopf zur Seite dreht, um mir einen Moment später einen Blumenstrauss in die Hand zu drücken.

SchattenfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt