Kapitel 25. La haine et moi

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"Ich habe sie nicht...", beginne ich erschüttert von seinen Worten.

"Getötet..., ich höre, was du sagst. Ehrlich, es fällt mir schwer, dir das nicht zu glauben, aber ich muss an deinen Aussagen zweifeln. Ich sage es an dieser Stelle nochmals: Du musst dich nicht zu den Vorwürfen äussern und darfst einen Anwalt hinzuziehen", meint der Polizist ernst und ich erschaudere.

Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob er es tatsächlich bereits einmal gesagt hat, oder zweimal, oder noch nie. Vielleicht wäre ein Anwalt besser gewesen, vielleicht hätte ich einfach von Anfang an schweigen sollen. Dann die Verurteilung eines Mörders - wie viele Jahre für einen Mord? Es geht alles zu schnell, von harmlosen "Wie geht es dir?" zu "Anflug aus Wut erstochen". 

"Willst du einen Anwalt hinzuziehen?" 

Ich schüttle den Kopf. 

Falc lässt nicht locker, seine braunen Augen durchbohren mich förmlich.

"Ich würde es dir dringend empfehlen", wiederholt er eindringlich. 

Ich antworte ihm nicht und starre auf meinen malträtierten Arm, wo sich das Gaze-verklebte Pflaster allmählich von meiner Haut löst. Falc seufzt genervt.

"Warum bist du vom Tatort verschwunden?", nimmt er die Befragung nahtlos wieder auf.

"Ich...weiss nicht. Ich musste einfach weg, ich konnte einfach nicht bleiben", antworte ich leise und unsicher.

"Du hast Panik bekommen?"

"Ja."

"Und dann, wohin bist du gegangen?"

"Zu...meinem Vater...er wohnt in der Leopoldstrasse."

Falc wirkt einen Moment lang verwirrt, hebt überrascht den Kopf, sodass ihm die üppigen Locken in die Stirn fallen.

"Weshalb bist du zu deinem Vater gegangen?"

"Ich wollte ihn zur Rede stellen, weil...er uns zurückgelassen hat. Ich glaube, ich habe ihm gesagt, dass er an Mamas Tod schuld ist", antworte ich angestrengt.

"Ist er das?"

"Er ist abgehauen", meine ich schulterzuckend.

"Meinst du nicht, er hatte einen Grund dazu?"

Wut und Verzweiflung sammeln sich in meinem Rachen. Fieberhaft versuche ich die heissen Tränen zurückzuhalten, die sich in meinen Augenwinkeln sammeln.

"Ich kenne seine Gründe nicht", presse ich tränenerstickt hervor. Falcs Gesichtsausdruck wird weicher und er nickt behutsam. 

"Du hattest seit dem Unfall deines Bruders keinen Kontakt mehr zu ihm?"

"Nein."

"Woher hattest du seine Adresse?"

"Der Sanitäter hat sie mir gegeben."

"Ruotsalainen? Woher hatte er die Adresse?"

"Von Dr. Martinson...glaube ich", antworte ich zögerlich und mit schlechtem Gewissen. 

Falc kritzelt noch einen Moment auf seinem Block herum, bis er wieder aufschaut und nach einem kurzen Blick auf Aaron fortfährt. 

"Hast du einfach bei ihm geklingelt, oder wie?"

Ich nicke erschöpft und verzweifelt zugleich, während durch das gekippte Fenster das leise Platschen von Regentropfen zu hören ist. Vielleicht ist es auch Hagel oder Schneeregen.

"Wie hat er reagiert?"

"Er war wütend", murmle ich matt.

"War er alleine?"

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