Kapitel 31. Es wird gleich besser

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Als ausser einem jämmerlichen Japsen nichts mehr aus meiner Kehle kommt, bleibe ich mit leergefegtem Kopf liegen. Das weisse Fenstersims scheint mir genauso weit weg zu sein, wie der Nordpol. Tausende Kilometer weg, weiss und kalt und leer.

Meine Beine zittern. Die Decke liegt nur noch mit einem winzigen Zipfel auf dem Bett. Der ausgeleierte Sweater ist hochgerutscht, die nackte Haut meines Bauches liegt frei. Weiss mit dunkelrotverkrusteten Schrammen und kleinen rosafarbenen Kratzern, die sich mit der Farbe des Stoffs beissen. Senfgelb mit einem Hauch von Grau. Immerhin, hässlicher kann er wohl auch nicht werden.

Ich schäme mich beim Anblick meines Körpers, der da schlapp und reglos liegt und am liebsten würde ich den Pulli hinunter und die Decke zu mir hoch ziehen. Aber natürlich ist meine rechte Hand immer noch ans Bettgestell gefesselt und meine linke liegt einbandagiert an meiner Brust.

Mir ist kalt. Wirklich kalt. Polarnachtkalt.

Ich betrachte die Alarmklingel über mir abwesend, starre die Decke an, schliesse wieder die Augen. Dann wieder Decke, Klingel, Fenstersims. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, alles verschmilzt in meinem Kopf. Blut, Gesichter und weisses Krankenhausinventar. Kleine weisse Punkte, wie Schneeflocken wehen durch mein Gesichtsfeld. 

"Hey, geht es dir gut?", höre ich eine Stimme fragen. Die Schneewehe holt mich ein, als ich die Augen mühsam öffne. Für einen Moment ist alles weiss.

"Andreas?" 

Die Stimme klingt besorgt. Und laut. Eine Hand greift nach meinem Arm. Ich zucke blindlings zurück, die Handschelle reisst an meinem Gelenk. Unscharf glaube ich, Nicks Gesicht nahe an meinem zu erkennen, das blonde Haar, das wie flüssiger Honig aussieht.

"Was?", frage ich, unsicher, ob das was ich wahrzunehmen glaube auch tatsächlich da ist. Vielleicht bilde ich mir Nick auch nur ein und rede ins Leere. Ein Traum wahrscheinlich. Ein wirrer, kalter Traum.

"Ist alles in Ordnung? Frierst du?", fragt die Traumgestalt aus weiter Entfernung.

"Ja", antworte ich, meine eigene Stimme dröhnt laut in meinen Ohren. "Ich friere."

Warmer Stoff wird über mich gezogen und liegt schwer auf meinem zitternden Körper. Die Decke müsste viel schwerer sein, um mich wieder zum schlafen zu bringen. Tonnenschwerer weicher warmer Stoff.

"Ich glaube, es geht ihm nicht gut."

Schritte. Eine kalte Hand berührt meine Stirn.

"Er hat Fieber."

Die Hand kehrt zurück. Etwas piepst.

Noch mehr Schritte, noch mehr Hände.

"Herr Stern, würden Sie mich bitte ansehen?"

Ein blauer Kasack schimmert vor mir auf, umgeben von weisskalter Helligkeit.

"Nicht erschrecken, es wird rasch hell."

Ein Stechen fährt durch meinen Kopf, als mich ein grelles Licht blendet und ich will die Augen schliessen. Wieder in angenehmer Dunkelheit versinken. Doch etwas hält meine Lider oben, etwas hindert mich störend daran wieder wegzudämmern. 

"Sehr gut. Schon wieder vorbei", sagt die Stimme, die ich dem blauen Kasack zuordne.

"Ich würde bei Ihnen nochmals die Temperatur messen, Herr Stern. Können Sie den Kopf ein wenig nach links drehen?"

Ich weiss weder wo links, noch wo rechts ist. Alles ist dunkel und kalt und verwirrend. Eine eisige Hand, die aufdringlich nach Latex riecht, drückt gegen meine Wange. Noch mehr Berührungen an meinem Ohr, viel zu viele. 

SchattenfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt