Kapitel 75. Sonntag

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Ich liege auf dem Rücken. Das Sonnenlicht, das durchs Dachfenster fällt, blendet. Es ist warm, über mir schwatzen die Spatzen laut. Ich blinzle, als eine Hand durch meine Haare fährt.

"Hi", sagt Nick schmunzelnd.

"Bye", erwidere ich träge. 

"Warum so fies? Ich hab dir Kaffee gemacht."

Ich schlage die Augen wieder auf. Nick sitzt neben mir auf der Bettkante, seiner Bettkante, um genau zu sein. Das blonde Haar ist noch nass von der Dusche und tropft auf sein weisses T-Shirt runter und auf mich. Als ich mich aufsetze, wische ich sie ihm zur Seite. Seine Lippen sind kalt und schmecken nach Zahnpasta mit Minze.

"Mhm warte, ich muss den Kaffee abstellen", unterbricht er den Kuss verlegen und lehnt sich kurz zur Seite, ohne seine Hand von meinem Nacken zu nehmen. "Oder du gibst ihn mir", erwidere ich galant und strecke mich nach der Tasse aus, was Nick beinahe das Gleichgewicht verlieren lässt. 

"Uh, wenn du mich fallen lässt, kriegst du ihn auch nicht", bringt er belustigt hervor, seine Finger klammern sich immer noch an meinem Haaransatz fest. 

"Wenn du mir die Haare rausreisst, lass ich dich trotzdem los."

"Fies", bemerkt Nick und lässt seine Hand zwischen meine Schulterblätter wandern, um sich wieder hochzuziehen, die Tasse immer noch in der anderen Hand. "Siehst du, nichts übergelaufen. Hat sich doch gelohnt, dass ich mal gekellnert habe."

Ich zupfe an meinem T-Shirt, dass der Stoff hochfährt und seine Hand stattdessen auf meiner nackten Haut liegt. Nicks Finger fahren behutsam drüber, zeichnen die Form meiner Rippen und meiner Wirbelsäule nach. Es klirrt, als er die Tasse ungeschickt auf dem Boden abstellt, sodass sie umkippt und ihren Inhalt auf dem Holzboden verteilt.

"Ugh", seufzt er genervt und lässt seinen Kopf auf meine Schulter sinken. Die nassen Strähnen streichen kalt über meinen Hals und bleiben zwischen meinen Fingern kleben. 

"Kein Kaffee?", frage ich spöttisch. Nicks kalte Hand wandert zu meiner Seite runter, was mich erschrocken zusammenzucken lässt. Unbeirrt begegnet er meinem Blick, die braunen Augen sichtlich belustigt. "Wehe du kitzelst mich", entgegne ich beunruhigt. Seine Mundwinkel zucken. 

"Was willst du dagegen machen?"

"Dich vom Bett treten", erwidere ich und küsse ihn stattdessen hart. Nick zieht mich an sich, so nah, dass sich unser Brustbein berührt. Seine Hände liegen immer noch unter meinem T-Shirt, wandern allmählich weiter runter. Es klingelt laut. Nick reagiert erst nicht darauf, erst als ich mich unbehaglich aus seinen Armen winde, seufzt er leise. 

"Gleich wieder da", murmelt er entschuldigend und rutscht wenig elegant von der Bettkante. Beschämt zupfe ich mir die Kleider wieder zurecht und streiche mir die Locken zurück hinter die Ohren. Nick steckt den Kopf wieder zur Tür hinein.

"Ist okay, wenn meine Mutter rasch hochkommt?", fragt er beinah entschuldigend. "Ja eh", murmle ich verlegen und greife nach meinem Pulli. Nick geht wieder zur Tür, ich verschwinde in die Küche, nehme mir einen Lappen von der Spüle. Der Spiegel an der Wand starrt zurück, als ich mich dran vorbeidrücke. Ich mag keine Spiegel, Spiegel mögen mich nicht. Ganz davon abgesehen, dass ich scheisse aussehe, sehe ich auch aus wie die zwei Menschen, die mich leider mal gezeugt haben.

Ich wische die Kaffeelache weg. Über mir ist der Himmel blau und blau passt zu diesem Sonntag. Blau wie mein neuer Pulli, blau wie die Kuli-Unterschrift von Danny, die mir erlaubt, gerade hier zu sein, ohne Übernachten natürlich.

"Nick, lässt du deine Gäste immer für dich putzen?", fragt die blonde Frau belustigt, die plötzlich im Türrahmen steht. Nick schiebt sich eilends an ihr vorbei und nimmt mir das nasse Bündel Stoff aus der Hand.

SchattenfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt