74. Das Hauptquartier W.C.K.D's

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Thomas schlug mit der flachen Hand auf einen Holztisch und faltete eine zerknitterte Karte auf. Karten lesen war noch nie meins. Ich guckte also nur kurz über seine Schulter hinweg und ließ mich dann auf einem Hocker nieder.

Eben genannter tippte auf eine Stelle, welche mit einem Kreis markiert wurde. „Da." sagte er dazu. „Das ist es. Das sind'n paar hundert Meilen. Der Verlauf der Eisenbahnlinie. Alles was Aris erzählt hat, deutet auf diesen Ort hin." Ich ging wieder näher an den Tisch ran und stand zwischen Pfanne und Thomas. „Also bringen sie Minho dorthin." stellte ich mit einem Blick auf Vince gegenüber von uns fest. „Wir nehmen jeden mit der kämpfen kann." erklärte Thomas weiter. Vince sah nicht so überzeugt aus und fasste sich nachdenklich ans Kinn. „Wenn möglich benutzen wir die Straße. In einer Woche könnten wir zurück sein."

Vince stützte nun beide Fäuste auf die Tischplatte und schaute Thomas ungläubig an. „Einer Woche?! Wir haben 6 Monate gebraucht um hierher zu kommen." sagte Vince aufgebracht und deutete auf unseren Standort. Uff, war wirklich weit weg.

„Wir haben inzwischen über 100 von den Kids hier. Wir können hier nicht ewig rumhängen, nach der Nummer die wir gerade abgezogen haben." machte Vince es ihm klar. Er war ja mal gar nicht davon überzeugt. „Du-du willst auf irgendeinen Punkt auf der Landkarte marschieren? Du weißt ja nicht mal was da ist!" Vince fing ein Blickgefecht mit Thomas an, da beide sich auf den Tisch stützten und sich anschauten.

Plötzlich ertönte eine Stimme. „Ich schon." Es war Jorge, welcher von links aus dem Schatten trat.

Langsam ging er auf uns zu. „Ist zwar schon'n paar Jahre her aber,... ich war dort." Er zeigte grob auf die Karte. Abwartend guckten wir ihn an. „»Die letzte Stadt«. So hat W.C.K.D sie genannt. Das war ihr Hauptquartier." Jorge hielt kurz inne und schaute uns nacheinander an. Zum Schluss blieb er bei Thomas hängen. „Wenn diese Stadt noch steht, ist das der letzte Ort wo du hinwillst, hermano." Er lief auf die Seite von Vince.

„Das ist die Höhle der Löwen." Ich schnaubte leise auf. Da waren wir doch schon längst von geflohen. „Es wär' nicht das erste mal, dass wir sowas machen." verteidigte ich meinen Bruder.

Nun hatte ich die Aufmerksamkeit auch auf mich gezogen und Vince schaute mich eindringlich an. „Ja, aber mit 6 Monaten langer Planung. Und verlässlichen Informationen. Und einem Überraschungselement. Aber jetzt haben wir nichts mehr davon." regte Vince sich auf. „Vince. Ich hab drüber nachgedacht, würdest du-..." Er unterbrach Thomas. „Ey. Beim letzten Mal, als wir so schlecht vorbereitet war'n hab ich alles verloren." Mary... „Hast du das vergessen?" harkte Vince weiter nach. Thomas ließ seinen Kopf senken. Mit leicht hochgezogenen Augenbrauen, starrte ich Vince mit verschränkten Armen an. Es nervte mich, dass er so pampig reagierte. Anstatt er es sich mal anhörte, was Thomas' Idee war.

„Hör zu. Ich weiß es geht um Minho." machte er uns klar und guckte dabei Thomas und mich besonders an. „Ok? Aber ihr könnt doch nicht denken, dass ich das Leben von 100 Kids riskiere um nur einen Mann zu retten. Das mache ich nicht." Am liebsten wäre ich um den Tisch gelaufen und hätte ihm meine Meinung gegeigt. Mir reichte es. „Vince, meinst du nicht e-." diesmal wurde ich unterbrochen. Doch nicht von den anderen, sondern von einem der Funkgeräte. Gespannt lauschten wir.

Thomas richtete sich langsam auf. „Scheiße! Licht ausmachen!" befahl er schnell. Ich drehte mich sofort um rannte mit den anderen davon. Meine lederne Bauchtasche hatte ich zum Glück vorhin nicht abgezogen.

Ich rannte hinter Thomas und Vince nach draußen. Dort ging gerade langsam das Licht überall aus und der Hafen war in Dunkelheit getaucht. Rasch schaute ich mich um und guckte dann auch in Richtung Himmel. Dort flogen Helikopter, welche mit Scheinwerfern auf etwa nieder leuchteten, was noch in der Ferne aber dennoch nah bei uns war. „Oh man. Die kommen ja immer näher." murmelte Vince und schaute, wie ich besorgt in die Luft. In den letzten 6 Monaten hatte W.C.K.D immer wieder über die Stadt eine Patrouille an Helikopter fliegen lassen. Dieses Mal war es definitiv knapper als knapp. „Du hast recht." sagte Thomas und richtete sich an unseren Freund.

„Wir müssen hier weg." Ich schaute hinauf zu meinem Bruder, welcher mich ebenfalls kurz anschaute.

Plötzlich setzte Vince sich in Bewegung, klopfte Thomas noch kurz auf die Schulter und verschwand von dem Mini Strand auf dem wir uns befanden. „Ich hol dich ab, wenn alle schlafen. Mach dich schonmal bereit." sagte Thomas. Ich legte ihm einen Arm um die Hüfte und zog ich an mich. „Thomas. Denkst du nicht es wäre besser die anderen mit zunehmen? Sie sind doch unsere besten Freunde." Fragte ich ihn und guckte erneut zu ihm hoch.

Er gab mir einen Kuss auf den Kopf. „Wir haben alle zu oft in Gefahr gebracht. Geh jetzt zu deiner Hängematte. Bis später."

Als ich ein schütteln an meinem Arm merkte, öffnete ich abrupt meine Augen und guckte Thomas an, welcher von oben auf mich herab guckte. Das Licht des Mondes leuchtete durch ein Fenster herein und beschien sein Gesicht. Er hielt den Zeigefinger vor die Lippe und zeigte mir an, mich ruhig zu verhalten.

Leise richtete ich mich auf und schlug die dünne Decke beiseite. Meine nackten Füße stellte ich auf den Boden, wo bereits meine Schuhe standen. Die Socken zog ich mir über die Füße und schlüpfte ebenfalls in meine Schuhe. Bevor ich hinter Thomas herlief, schnappte ich mir meinen Bauchtasche und meine Weste vom Boden. Während ich mir die Weste über meinen Hoodie anzog schaute ich nochmal im Raum umher. Brenda lag dort friedlich schlafend in ihrer Hängematte. Normalerweise hatte sie einen unruhigen Schlaf und wälzte sich oft hin und her. Doch jetzt schlief sie friedlich. Von irgendwo weiter hinten erklang plötzlich ein schnarchen.

Ja, nicht gerade praktisch in einem Raum mit vielen anderen Menschen zu schlafen. Aber besser als gar kein Dach über dem Kopf zu haben.

Schließlich folgte ich auch Thomas. Er hatte seinen Rucksack in der Hand. Gemeinsam liefen wir eine Stahltreppe hinauf. Während Thomas nochmal an seinem Rucksack hantierte, schaute ich erneut zurück auf die Stille Anlage. So wie es jetzt aussah, könnte man meinen, hier würden gar keine Leute leben. Seufzten richtete ich mich an Thomas und wollte gerade etwas sagen, als eine Stimme aus dem Dunklen erklang.

„Na, wo wollt ihr denn hin?" Abrupt blieb Thomas stehen, weshalb ich ihm voll in die Fersen lief.

Es machte ein leises Knips Geräusch, als eine Stehlampe angemacht wurde. Dort stand kein anderer als Newt. Ich machte meinen Kopf schräg und schaute verwundert.

Thomas seufzte neben mir „Newt...." wollte er sage. „Jetzt stell dich nicht so an." sagte Newt und ging auf uns zu. Er nahm Thomas den Rucksack aus der Hand. „Ich bin sowieso dabei." sagte Newt nur beiläufig. Da ich eh wusste, dass wir den Kampf verloren hatten, folgte ich Newt und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Nein...." fing Thomas wieder an. „Nein. Diesmal nicht, Mann." er lief ein Stück auf uns zu. Newt hatte Thomas Rucksack in den Wagen geworfen und schaute Thomas jetzt gelangweilt an. „Hör zu. Auch wenn wir Minho retten, kann es sein, dass wir nicht zurück kommen." versuchte Thomas ihn zu überzeugen.

„Thomas. Sieh mal. Du hast mich auch gefragt, ob ich mitkommen werde. Besser gesagt hatte ich die selbe Idee mit dir. Aber du brauchst wirklich jede erdenkliche Hilfe die du kriegen kannst." redete ich auf Thomas ein. Newt neben mir nickte und öffnete dann die Vordertür des Autos. Licht ging innen an und Pfanne blickte fett grinsend hervor.

Dieser kicherte leicht, während Newt sich siegessicher an das Auto lehnte. Thomas atmete überfordert und fassungslos aus.

„Wir haben das alles angefangen. Dann beenden wir's auch zusammen." fügte Newt noch einen weisen Satz hinzu. „Ok, hol'n wir ihn zurück." sagte Thomas geschlagen aber mit einem leichten Lächeln. Er war anscheinend doch froh, dass Pfanne und Newt auch mitkamen.

Ich hatte mich nach hinten zu Newt gesetzt, den ich trotz der Dunkelheit lächeln sehen konnte.

Hoffentlich dürfte ich auch mal ans Steuer vom Auto. Das, kann nämlich nicht nur Pfanne. Vielleicht konnte ich ihn ja davon überzeugen, mich ans Steuer zu lassen.

Naja wir werden mal sehen. Ich lehnte mich, so weit es mit dem Gurt ging, an Newt und schloss meine Augen um für die nächsten Stunden bis zum Sonnenaufgang etwas dösen zu können.

𝐉𝐎𝐘 𝐢𝐧 𝐭𝐡𝐞 𝐌𝐀𝐙𝐄Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt