88. Der Köder

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Der nächste Abend war angebrochen und die Sonne fast hinter den Bergen in der Ferne verschwunden. Bald würde die Ausgangssperre wieder anfangen und in dieser Zeitspanne müssten wir es irgendwie hinbekommen, dass Teresa zu uns kommt.

Der beste Köder dafür war mein Bruder. Wenn Teresa ihn sehen wird, dann folgt sie ihm definitiv. Das war der Plan.

Thomas' Sicht:

Wir hatten ausgemacht, dass ich Teresa zu einem bestimmten Ort führen würde, Gally und Joyce dort auf uns warten würden und Teresa überwältigen würden. So konnten wir sie zu uns bringen.

Ich hatte mich mit meiner Kapuze über dem Kopf und den Händen in den Taschen auf eine Straßenseite gestellt, wo sie eventuell vorbei kommen könnte. Tatsächlich. Nicht allzu lange später, machte ich sie auf der anderen Seite des Zebrastreifen aus. Während ich probierte mein Gesicht möglichst gleichgültig aussehen zulassen, schaute sie mich mit ihren großen blauen Augen an.

Kurz hielt ich mit ihr Blickkontakt, drehte mich dann aber um, als ein Auto über die Straße fuhr. Mir war bewusst, dass sie mir folgen würde. Daher zügelte ich mein Tempo auch nicht und lief einfach in die ausgemachte Richtung. Ich hoffe einfach, dass Joyce und Gally sich nicht an die Gurgel springen.

Ich bahnte mir einen Weg durch die mir entgegenkommenden Leuten. Der Weg den ich einschlagen musste, führte mich nach rechts. Dort liefen nicht mehr ganz so viele Leute rum, weshalb Teresa mich eigentlich relativ einfach finden würde.

Meine Schritte wurden schneller, als ich Schritte hinter mir hörte. Die Person, es war klar, dass es Teresa war, schien schon schneller zu laufen, da ich ihre Absätze auf dem Boden hören konnte.

„Thomas?" hörte ich sie nach mir rufen. Leicht zuckte ich bei ihrer Stimme zusammen.

Joyce' Sicht:

Gally und ich hatten uns zusammen versteckt. Thomas würde zwar jeden Moment mit Teresa kommen, dennoch war mir irre langweilig. Warum bin ich überhaupt mitgekommen?

„Du und Newt also?" fragte Gally plötzlich in die Stille hinein. Einerseits konnte ich froh darüber sein, dass wir mittlerweile redeten, da es bis eben echt unerträglich ruhig war, aber andererseits konnte ich ein wenig nachmelden. Und trotzdem war ich etwas irritiert von der Frage. „Eh ja." murmelte ich leise. „Ich hab's mir ja schon damals auf der Lichtung gedacht." fuhr Gally fort. „Wie er dich damals beschützt hat. Er sich um dich gesorgt hat." Verwundert guckte ich zu ihm hoch.

Gally schaute mich nicht an, stattdessen guckte er sich aufmerksam in der Gegend um, wegen Thomas und Teresa.

„Er hat mich bedroht, weißt du? Auf der Lichtung. Kann man sich gar nicht so richtig bei ihm vorstellen. Er wollte alles daran setzen, dass du nicht so wie Thomas bestraft werden würdest. Deshalb wurde auch nur er bestraft." erklärte Gally und schaute mich dieses Mal an.

Seufzend schaute ich zu Boden. „Warum hast du das eigentlich gemacht?" fragte ich bedrückt. „Ich meine, du hast mir und Thomas nicht vertraut. Du wolltest das wir verbannt werden und zum Schluss hattest du es auf unser beider Leben abgesehen. Gally. Was hat deine Meinung davon geändert?" Mir war nicht aufgefallen, wie verletzend ich mich angehört habe. Aber durch Gally Gesichtsausdruck, erkannte ich wie scharf ich das gesagt hatte.

Bedrückt guckte Gally mich an. „Joyce hör mal. Alles, was ich dir oder den anderen angetan habe..... was meinst du womit ich die meiste Zeit nach dem Labyrinth verbracht habe. Ich hab mir die Schuld gegeben. An allem. Es war meine Schuld, dass Alby starb, das die anderen von der Lichtung starben. Aber am meisten gebe ich mir die Schuld an Chucks Tod. Es ist mir bewusst, dass ich ihn umgebracht habe, aber Joyce, ich war infiziert." Seine Stimme wurde weinerlich, sodass er mir sogar leid tat. „Ich hatte keine Kontrolle über das, was ich tat. Es war wie durch die Augen eines anderen Menschen zu gucken, den du nicht steuern konntest." murmelte er bedrückt weiter.

„Gally?" sagte ich mit schwacher Stimme und guckte ihn ernst an. „Ja?" fragte er leise und schaute mich ebenfalls an. „Ich verzeihe dir, ok? Ich bitte dich aber darum, mir eine Sache zu versprechen." „Alles was du willst. Nur Hauptsache du kannst mir verzeihen."

Dankend nickte ich. „Halte meinen naiven dummen Bruder so weit wies nur geht von Teresa fern. Ich möchte nicht, dass er auf irgendeine erdenkliche Weise verletzt wird. Ich denke, dass er mehr für sie empfindet als bloß ne Freundschaft." „Warum traust du mir, dass ich es tun werde?" fragte er. Die Frage war mehr als berechtigt. „Weil ich sie mehr hasse, als ich dich gehasst habe. Von daher kann ich dir vertrauen. Zumal du genauso wenig von ihr angetan bist wie ich." Schnell nickte Gally. Doch ehe er noch etwas sagen konnte, hörte ich eine Stimme.

„Thomas?" rief die Stimme aus. Teresa.

„Sie kommen!" zischte ich und versteckte mich mit Gally hinter einer Säule. Wenige Sekunden später kam Thomas um die Ecke gebogen. Kurz tauschten wir einen Blick aus, ehe ich mich wieder an die Säule drückte.

Schon erklang das klackende Geräusch von Teresas Absätzen, als sie etwas verloren in der Mitte da stand und sich umschaute.

Mein Bruder trat aus dem Schatten und stellte sich hinter sie. Er hatte seine Kapuze vom Kopf runter gezogen und schaute auf Teresa. Diese drehte sich langsam um, sodass wir nur noch ihren Rücken sehen konnten. „Thomas." sagte sie erleichtert. Vor Misstrauen schüttelte ich mich. „Hey, Teresa." sagte Thomas sanft. Ich verdrehte meine Augen.

„Du solltest nicht hier sein." sagte Teresa. „Wenn Janson herausfindet, dass du hier bist-." Thomas unterbrach sie. „Ich werde nicht bleiben." Und ging einen Schritt auf sie zu. „Es ist nur... ich wollte dich sehen." Also langsam wird mir das hier zu bunt.

Die beiden standen nun wirklich dicht voreinander. „Ich muss dich etwas fragen." machte Thomas ihr klar. Ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht sehen, konnte mir aber vorstellen, dass sie ziemlich verzweifelt aussah.

„Tut es dir leid?" fragte Thomas. „Was du uns angetan hast?" „Ja. Manchmal. Aber ich dachte, ich tue das richtige." Sie machte kurz Pause.

Mit der Hand zeigte ich Gally an mir langsam zu folgen. Wir würden Teresa von hinten überraschen. „Und ich würde es wieder machen." Ganz falsche Antwort Teresa. „Gut." sagte er und schaute dann nach rechts, wo Gally und ich bereits standen. Gally trat schnell vor und machte über Teresas Kopf die Kapuze einer Jacke.

Wir hatten es tatsächlich geschafft. Und das war wirklich viel einfacher gewesen als gedacht. Aber hätten wir Thomas nicht gehabt, wäre es definitiv viel schwerer geworden.

𝐉𝐎𝐘 𝐢𝐧 𝐭𝐡𝐞 𝐌𝐀𝐙𝐄Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt