Lysanders Sicht
Ich schloss die Tür auf und hatte gerade noch genug Kraft, mir die Schuhe auszuziehen, bevor ich in mein Zimmer stürmte und mich aufs Bett warf. Keine einzige Träne rann mir über die Wange. Auch die Wut hatte mich verlassen. Lediglich ein Gefühl der Leere war zurückgeblieben und tief in meiner Brust vermutete ich Schmerzen zu spüren, die sich noch nicht an die Oberfläche trauten. Mit beiden Armen umklammerte ich fest mein Kissen. Es war das gleiche Kissen, in dass ich mich gekrallt hatte, als Tarek und ich miteinander geschlafen hatten. Erinnerungen, die zuvor so schön gewesen waren, fühlten sich jetzt an wie Alpträume. Langsam kämpften sich die Schmerzen einen Weg an die Oberfläche. Ich hatte ihm alles von mir gegeben. Mein gesamtes Vertrauen, mein Herz, meinen Körper... Hatte ihm das überhaupt etwas bedeutet?
,,Lysi, mein Schatz", hörte ich die Stimme meiner Mutter an der Tür gefolgt von einem leisen Klopfen. ,,Ist alles in Ordnung? Du bist früher Zuhause als sonst. Hattet ihr schon Schulschluss?"
Mein Herz klopfte wie wild und Schweiß rann mir über die Stirn. Ich hatte total vergessen, dass meine Mom mich heute Morgen mit Tarek in einem Bett erwischt hatte. Das Gespräch, welches sie mit mir führen wollte, hatte ich vollkommen verdrängt. Erneut tat mein Brustkorb weh. Ich würde heute nicht noch mehr Schmerzen ertragen können.
,,I-ich will alleine sein", murrte ich und vergrub mein Gesicht tiefer im Kissen.
,,Ist irgendetwas passiert?" Mein Erzeuger hatte mich vergewaltigt, meine Freunde hatten mich hintergangen, Ginger hatte mich für meinen Körper ausgenutzt, für meine erste Liebe war ich nur ein Spielzeug gewesen und meine Mom würde mich hassen, wenn sie erfuhr, dass ich nicht hetero war. Wo sollte ich bloß anfangen?
,,Komm schon, ich mache mir Sorgen, dass meinem Söhnchen etwas passiert sein könnte. Du weißt, dass ich nur noch dich hab und es mir wichtig ist, dass wir miteinander reden. Und wenn es wegen heute Morgen ist, können wir auch darüber in aller Ruhe reden. Bitte, Lysi. Ich könnte nicht damit leben, wenn du mir aus dem Weg gehen würdest." Es war lange her, dass ich meine Mutter so verzweifelt gehört hatte. Auch für mich war sie alles, was ich noch hatte und es machte mich krank, wenn sie litt.
Ich atmete tief durch, stand auf, fuhr mir mit beiden Händen über mein angespanntes Gesicht und öffnete zögerlich die Tür. Meine Mom kam sofort rein und schlang mich in ihre Arme. Nach all den Schmerzen, die ich heute durchmachen musste, fühlte sich ihre Umarmung wie eine weiche, friedliche Wolke an, die mich umgab und tröstete. Ich nahm sie fest in den Arm und spürte ihre Schultern beben. Sie weinte.
,,Ich bin so enttäuscht von dir!", weinte sie und ich spürte, wie der Stoff meines Oberteils von ihren Tränen durchnässt wurde. Ich drückte sie enger an mich. Ich hatte es gewusst. Sie hasste mich. Sie würde mich verlassen. Aber sie war die einzige Person, die mir noch geblieben war!
Endlich kehrten meine Gefühle zurück und ich konnte weinen. Die Tränen liefen erlösend meine Wangen entlang und gaben mir einen Kompensator für meine Verzweiflung.
,,Bitte hass m-mich nicht", schluchzte ich am Boden zerstört.
,,Ich könnte dich niemals hassen, du bist mein Sohn! Ich bin enttäuscht, weil du es mir nicht früher gesagt hast. Denkst du, ich hätte nichts von eurer Beziehung gewusst? Ich wollte dir einfach Zeit lassen, bis du es mir selbst sagst, aber dann musste ich es ausgerechnet auf diese Weise erfahren. Ich wünschte, du hättest eher mit mir darüber geredet und es nicht vor mir verschwiegen." Sie löste sich aus der Umarmung, nahm meine Hände in ihre und sah mich aus feuchten, roten Augen an. Keine Spur von Hass lag in ihrem Blick. Sie sah lediglich besorgt aus. Vollkommen überfordert starrte ich zurück. Ich war mir sicher gewesen, sie würde mich hassen, dabei hatte ich mir das die ganze Zeit nur falsch eingeredet!
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Broken Heart - Syndrom→boyxboy
Teen Fiction× Broken Heart - Syndrom × ~ Die Gewohnheit, andere Herzen zu brechen, weil eines selber Herz gebrochen ist. ~ Du bist durch und durch homophob, hast dich aber trotzdem auf einen Fuckboy eingelassen? Willkommen in meinem schwulen, homophoben und tra...