~54~ der Wolf im Schafspelz

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Lysanders Sicht

Mir wurde im ganzen Körper heiß und ich krallte mich noch stärker ins Mikrofon. Er trug eine schwarze Jeans, ein dunkelrotes Hemd mit einem etwas dunkleren Rosenmuster und darüber eine schwarze Jeansjacke. Das war ein deutlicher Kontrast, zu den sportiven Outfits, die er sonst trug.
So oder so sah er gut aus, aber heute sah er zum Dahinschmelzen hübsch aus.

Doch in diesem Moment war es nicht nur das, was mein Herz schneller als sowieso schon schlagen ließ. Obwohl er mir versprochen hatte, sich von mir fernzuhalten, war er immer noch für mich da, wenn ich Unterstützung brauchte. Obwohl ich ihn so kaltherzig von mir gestoßen hatte, ließ er mich trotzdem nicht im Stich. Und das obgleich ich ihm gesagt hatte, dass ich rein Garnichts für ihn empfand.

Ich lächelte aus ganzem Herzen. Noch einmal tief durchatmend, richtete ich mich gerade auf und führte das Mikrofon zu meinen Lippen, während mein Blick die ganze Zeit auf Tarek lag, weil er der einzige war, der es schaffte, mich solch eine Geborgenheit fühlen zu lassen.

,,I-ich will mich ehrlich bei allen von euch entschuldigen, die ich jemals aufgrund der Sexualität oder der Geschlechtsidentität schlecht behandelt habe. Ich hatte kein Recht dazu. Wenn ich etwas in den letzten Wochen gelernt habe, dann dass man nichts dafür kann, in wen man sich verliebt. Niemand kann etwas für seine Gefühle. Wenn man sich nicht wie ein Junge, sondern wie ein Mädchen fühlt, wenn man sich gar keinem Geschlecht zugehörig fühlt, wenn man Jungs liebt und selbst ein Junge ist, wenn einem egal ist, in wen man sich verliebt oder man einfach verwirrt ist..." Ich atmete tief durch und mir fiel eine gewaltige Last von den Schultern. ,, ...dann ist das vollkommen okay und kein Grund jemanden zu diskriminieren. Es tut mir leid, dass ich das jetzt erst verstanden habe." Tarek lächelte nun noch breiter und wenn ich mich nicht irrte, war das ein stolzes Lächeln.

,,Ich hoffe es lernen genauso wie ich noch andere Menschen dazu, die bis jetzt eine eingeschränkte Akzeptanz und Toleranz haben. Denn wenn man für immer eine so kleine Sichtweise hat, oder sich selbst nicht akzeptieren kann, entgeht einem möglicherweise die Chance, die perfekte Person kennenzulernen. " Meine Wangen fühlten sich ganz heiß an und ich guckte nun lieber in die Masse anstatt zu Tarek.

,,I-Ich hoffe, bei euch ist die Botschaft angekommen und noch ein großes Dankeschön an meine Freunde, die mir bei der ganzen Partyvorbereitung geholfen haben. Ohne euch hätte ich das nicht geschafft. Na, ja, bevor ich jetzt weiter kitschiges Zeug labere, verabschiede ich mich lieber. Viel Spaß euch allen bei der Feier!" Ich steckte das Mikrofon in die Halterung und im Gegensatz zum Anfang erklang jetzt ein lauter, tosender Applaus. Breit lächelnd und erleichtert verließ ich die Bühne.

Noch nie hatte ich mich so befreit gefühlt. Aus den leeren Worten, die ich am Anfang geplant hatte, zu sagen, war eine ehrliche Rede geworden, die sogar in mir selbst etwas beeinflusst hatte. Ich verstand es noch nicht ganz, aber ich hatte plötzlich das Bedürfnis, meine wahren Gefühle nicht mehr zu verstecken.

Kaum trat ich hinter die Bühne, wurde ich in eine feste Umarmung geschlossen.

,,Oh mein Gott, Lysander! Ich bin so stolz auf dich! Ich kann nicht fassen, dass du so eine tolle Rede gebracht hast. Ich bin so unglaublich stolz!", quietschte Kyle fröhlich und war kurz davor, mich mit seiner Umarmung zu zerquetschen.
,,Ich bin zwar erst zum Ende reingekommen und hab nicht die ganze Rede gehört, aber das war wundervoll!" Ich strahlte ebenfalls bis über beide Ohren und umarmte ihn zurück. Ein paar Sekunden vergingen, bis meine Aufregung endlich verflogen war und wir die Umarmung auflösten.

,,Ich hab die Worte ernstgemeint",versicherte ich ihm.

,,Ich weiß, man hat es dir angesehen. Das ist es, was mich so stolz macht." Sein Lächeln war so ehrlich und warm, dass ich die Wärme förmlich spüren konnte.

Broken Heart - Syndrom→boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt