~9~ Ablehnung

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Lysanders Sicht

Die ganze Zeit dachte ich darüber nach, was gerade passiert war. Mir wollten die Bilder einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ich musste ständig daran denken, wie sein warmer Atem auf meine Lippen traf und wie seine schokobraunen Augen mich musterten. Ich wettete, dass diese Bilder sich in meinem Kopf abspielten, weil ich einfach nicht fassen konnte, wie scheußlich sich das angefühlt hatte.

Wieso zur Hölle hatte er versucht, mich zu küssen?! Wie krank war er bitte? Und wollte er ernsthaft, dass ich ihm weiter Nachhilfe gab? Er hatte es sich schon letztes Mal verspielt, aber dieses Mal war er definitiv zu weit gegangen. Er hatte mich lächerlich gemacht!

Was sollten Maximilian und Marcel denn jetzt von mir halten? Zum Glück hatten die Zwillinge nicht gesehen, wie er mich küssen wollte,sonst würden sie noch mehr ausrasten als jetzt schon.

,,Es fällt mir echt schwer, zu glauben, dass du der Sache abgeneigt warst, du hast nämlich so ausgesehen,als würde es dir gefallen, auf ihm zu liegen!", schrie Maximilian mich vorwurfsvoll an, als wir vor dem Schultor stehen blieben.

,,Hör endlich auf, mir das vorzuhalten! Ich hab euch doch schon beteuert, dass ich einfach zu geschockt war, um mich zu bewegen. Als ihr kamt, bin ich aus meiner Starre sofort aufgewacht und von ihm heruntergekommen, weil ich es abartig fand."

,,Ach ja? Das hat eher so gewirkt, als würdest du bloß nicht wollen, dass wir dich erwischen", stellte Marcel fest.

,,Nein, das ist völliger Quatsch", behauptete ich, hatte dabei jedoch ein komisches Gefühl im Bauch, welches wahrscheinlich mit meiner Lüge einherkam.

,,Ob Quatsch oder nicht ,wird sich noch herausstellen, aber für den Fall, dass es kein Quatsch ist, brauchst du dich nie wieder bei uns blicken zu lassen", stellte Maximilian klar.

Ich wusste erst nicht so recht, wie ich darauf reagieren sollte, denn das hatte mich völlig aus der Bahn geworfen. Ich sagte eine Weile nichts, bis der Schmerz in meiner Brust ein wenig abklang.

,,Aber ich dachte, ihr wärt immer für mich da, egal was passiert", sagte ich mit leicht zitternder Stimme.

,,Natürlich sind wir das, aber wenn du eine Schwuchtel wirst, dann ist das was ganz anderes ",antwortete Maximilian.

,,In welcher Form wäre das denn bitte was anderes? Ich wäre immer noch ich!"

Kaum hatte ich das gesagt, wollte ich die Worte sofort wieder zurücknehmen. Immer noch ich? Das war wahrscheinlich die größte Lüge, die ich je erzählt hatte. Wenn man schwul wird, ist man nicht mehr man selbst und mein Vater war das perfekte Beispiel. Wäre er nicht schwul gewesen, hätte er uns nicht verlassen und nicht- Am besten dachte ich nie mehr daran.

,,Du bringst mich gerade wirklich fast zum Kotzen", sagte Marcel und versetzte mir somit einen weiteren schmerzhaften Stich in die Brust.
,,Es ist schon schlimm genug, dass du das so siehst, aber noch scheußlicher ist, dass du sogar in Betracht ziehst, schwul zu werden."

,,Das habe ich nie gesagt!"

,,Aber es sieht gerade sehr danach aus,schließlich hast du es nicht geleugnet ", entgegnete Maximilian.

Jetzt erst merkte ich, wie Recht die beiden hatten. Ich hatte nicht einmal geleugnet, dass ich nicht schwul war. Wie konnte ich das übersehen haben!? Sie würden jetzt ewig darauf herumreiten. Mir war nach Heulen zumute, denn sie würden sicherlich sonst was von mir denken. Würde ich sie verlieren, dann ...dann hätte ich niemanden mehr. Sie waren meine einzigen Freunde, abgesehen von meinem Hausaufgabenkumpel, der sowieso nicht ernsthaft dazu zählte.

Broken Heart - Syndrom→boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt