~22~ Mitleid

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Lysanders Sicht

Der erste Tag der Sommerferien. ENDLICH!

Darauf hatte ich mich schon das ganze letzte Schuljahr gefreut. Besonders war ich froh, seit langer Zeit wieder ausschlafen zu können. Doch meine Pläne wurden durchkreuzt, als ich um acht Uhr morgens vom Türklingeln geweckt wurde. Meine Mom war leider arbeiten und machte Überstunden, um ein bisschen mehr Geld für unseren Urlaub zusammenzubekommen, weshalb sie nicht da war und ich leider aufstehen musste, um die Tür zu öffnen.

Müde und griesgrämig schlürfte ich die Treppe hinunter.
Wer auch immer so früh in den Ferien was von mir will, kann gleich wieder abhauen!

Im Flur warf ich mir schnell den langen Mantel meiner Mutter über, da ich nur eine kurze Short und ein T-shirt trug und öffnete die Tür.

,, Guten Morgen! ", trällerte mir ein für diese Uhrzeit viel zu gut gelaunter Kyle entgegen.
,, Was machst du hier? Wir haben Ferien", erinnerte ich mich und wollte endlich, dass er ging, damit ich zurück in mein warmes, weiches Bett konnte.
,, Hast du's schon vergessen? Wir müssen eine Party planen! "
Ich wollte die Tür schließen und wieder schlafen gehen, doch er stellte seinen Fuß in den Türrahmen und betrat ohne Einladung das Haus. Ich seufzte nur, da es zu früh war, um zu diskutieren und ging ins Bad, um mich schnell frisch zu machen.

Als ich in die Küche kam, hatte Kyle uns beiden bereits Frühstück zubereitet. Verlockend riechende Käsesandwiches und Schokojoghurt standen auf dem Esstisch für mich bereit. Ich griff schnell zu.

,, Ich geh schon mal in dein Zimmer und such dir was zum anziehen raus", beschloss er, woraufhin ich ihn verwundert anguckte.
,,Wo gehen wir hin? "
,, In die Schule natürlich."
,, Hast du sie noch alle? Ich gehe da doch nicht hin, wenn Ferien sind! "
,, Aber wir müssen uns die Turnhalle ansehen, um zumindest schon mal zu planen, wie wir dort alles für die Party aufbauen", erklärte Kyle und ich konnte nur genervt aufstöhnen.
,, Können wir das nicht am Ende der Ferien machen? Wir haben doch noch so viel Zeit."
,,Das wirst du solange sagen, bis die Ferien rum sind, wir nichts auf die Reihe bekommen haben und du von der Schule fliegst!" Ich gab nur ein Schnauben von mir und biss eingeschnappt von meinem Sandwich ab, weil ich leider genau wusste, wie recht er hatte.

,,Trotzdem, wieso unbedingt heute? Ich will den ersten Tag meiner Ferien genießen und nicht eine Schwuchtelparty planen müssen. "
,, Sag sowas fieses nicht. Und versuch es doch mal positiv zu sehen. Am Ende werden wir eine coole Party feiern können!", versuchte er mich zu motivieren und wedelte aufgeregt mit den Händen.
,, Ich kann mir nicht vorstellen, dass solch eine Feier cool  wird. Jetzt mal ehrlich, du weißt genau, wie sehr ich Schwuchteln, Lesben und was auch immer hasse. Sie sind einfach nur widerwertig, also wieso zur Hölle sollte ich Spaß auf einer Feier haben, bei der die Gesellschaft nur aus kranken, perversen Leuten besteh-" Noch bevor ich meinen Satz hätte zu Ende sprechen können, erzitterte der Esstisch vor mir und ich verstummte.
Ich hätte dem kleinen, zierlichen Kyle nicht solch eine Kraft zugetraut, denn nur durch ein heftiges Abstützen seiner Hände auf dem Tisch, hatte er den massiven Eichenholztisch zum Beben gebracht.

Er wirkte auf einmal so bedrohlich, dass ich ihn nicht mehr wiedererkannte. Sein Blick war genauso kalt und abschätzig, wie wenn ich Homos musterte. Nur war dieser angeekelte Blick mir gewidmet.
,, Wenn du noch ein einziges Mal an diesem Tag ein negativ gewertetes Wort über Menschen der LGBTQ* - Gesellschaft äußerst, dann verspreche ich dir, werde ich dich in der ganzen Schule als schwul outen, damit du selbst miterlebst, wie sich solche Menschen dann fühlen. "
Verstört sah ich ihn an und war für ein paar Minuten sprachlos. War das wirklich noch mein unschuldiger, engelsgleicher Kumpel?

Broken Heart - Syndrom→boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt