𝟕𝟔

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𝐚𝐥𝐞𝐱𝐢𝐬
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Es fällt mir schrecklich schwer, alles glaubwürdig zu erzählen und nicht alle fünf Minuten in Tränen auszubrechen, doch bis zum späten Abend hin – bis zu den Zeitpunkt, an dem mich mich Anruf von Étienne erreicht – habe ich meine Gefühle wieder im Griff. Er will, dass ich raus komme, mich von den beiden verabschiede und zurück mit ihm nach Hause fahre. Sein Plan hat sich wohl geändert; er hat erwähnt, dass er eher kommen konnte, als geplant und nicht seine Männer sondern er es sei, der mich nach Hause bringen kann.

,,Das war mein Freund.", sage ich leise. Meine Eltern wissen, was das bedeutet. Ich hatte ihnen bereits gesagt, dass er wollen würde, dass ich wieder nach Hause gehe und mich dafür vielleicht einen anderen Tag wieder mit meinen Eltern treffen sollte. Immerhin sind wird ja selbst noch nicht lange zurück im Lande. ,,Wir– Wir sollten ihn bald kennenlernen, nicht?", haucht Mom leise mit brüchiger Stimme, was mich zwar schnell nicken aber meinen Dad seufzen lässt. ,,Liliane, jetzt weine doch nicht. Wir sehen Alex bestimmt schnell wieder und wenn er entschlossen hat, bei seinem Freund einzuziehen, statt hier zu wohnen, ist es sein gutes Recht.", murmelt er leise, drückt seine Frau fest an sich und hilft ihr dabei, sich aufzurappeln, damit ich zur Tür begleitet werden kann. ,,Ich melde mich ganz bald bei euch.", murmel ich leise und umarme beide ein letztes Mal für diesen Tag. Es fällt mir unfassbar schwer, sie loszulassen, gerade, wo ich mich wieder so wohl fühlen konnte. Die Stunden sind verflogen und obwohl das ebenfalls ein gutes Zeichen ist, fühlt es sich nun schrecklich an. Ich hätte gerne mehr Zeit mit ihnen, aber jetzt sollte ich doch erstmal wieder zu Étienne. Bedanken muss ich mich bei ihm auch noch. Er hat mich ohne Begleitung gehen lassen und dafür bin ich ich unfassbar dankbar.

Vorsichtig lasse ich mich in den Sportwagen fallen. Ich trage ein riesiges Lächeln und bin gleichzeitg trotzdem so traurig, dass mir Tränen in den Augen stehen. ,,S–Sie wollen dich gerne mal kennenlernen.", ist das erste, was ich herausbringe, doch wortlos fährt der Ältere davon. Er zuckt nicht mal mit den Wimpern, hat nicht mal das Radio angestellt und auch angucken tut er mich nicht. ,,Hab ich was falsch gemacht? Du sagtest doch, ich darf zu ihnen...", murmelt ich leise, darauf bedacht, ja nicht aufmüpfig zu wirken. Er bleibt still, greift nun aber immerhin kurz nach meiner Hand und streicht liebevoll über sie. Das reicht mir, um zu wissen, dass es zumindest nicht an mir liegt. Dennoch betrachte ich ihn ausgiebig. Sein jetziges Verhalten ist mir sehr suspekt. Wer weiß was vorgefallen ist...

Noch bevor er meine Hand loslassen kann, drücke ich meine Lippen vorsichtig gegen dessen Rücken und fahre ebenfalls mit meinen Fingern über diese. Irgendwas stimmt doch nicht mit ihm. Seine Lippen sind fest aufeinandergepresst und die wenigen Worte, die er am Telefon zu mir gesagt hat, haben auch nicht so gewirkt, als wäre alles in Ordnung. Zudem fährt er zunehmend schneller und überschreitet das Tempolimit um einiges, als wir außerhalb der Stadt sind. Ich bin sogar ein bisschen erleichtert, als das Grundstück endlich in Sicht ist und wir wenig später in der geräumigen Garage zum stehen kommen.

Trotz der harschen Umgehensweise, öffnet Étienne mir noch die Tür und führt mich händchenhaltend zurück in den Flur. ,,Ich muss mich noch um ein paar Sachen kümmern.", murmelt er leise. Seine Stimme ist wieder leicht rau, aber liebevoll drückt er mir einen Kuss auf die Stirn. ,,Brauchst du noch was?", frage ich, beinahe flüsternd und halte ihn kurz ganz bewusst an mir. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es ihm gerade ganz und gar nicht gut geht. Hat ihm vielleicht jemand ein Geschäft kaputt gemacht?

,,Geh ruhig nach oben oder mit dem Katzen spielen oder sonst was.", er löst meinen Griff und huscht ohne zu zögern weiter ins Büro. Unsicher sehe ich dabei zu, wie er die Tür schließt und mich damit alleine im Flur stehen lässt. So alleine bin ich dann aber doch nicht. Ich spüre eine sanfte Berührung um meinen Knöchel herum. ,,Lune.", flüster ich leise und muss kurz schmunzeln. Vorsichtig hebe ich sie hoch, drücke einen kleinen Kuss auf ihr Köpfchen. ,,Wo hast du denn deine Schwester gelassen, mh? Und warum bist du noch nicht müde?" Vorsichtig laufe ich mit ihr auf dem Arm Richtung Wohnzimmer, wo die beiden sich am meisten aufhalten, um Soleil zu finden. Tatsächlich hat sie es sich in eine der Höhlen von dem Kratzbaum bequem gemacht. ,,Oh wie süß du bist.", hauche ich leise und streiche ihr nur ganz kurz über den Kopf, bevor Lune sich zu ihr quetscht und sie damit einen Großteil der Höhle ausfüllen. Ich wünsche beiden noch recht schnell eine gute Nacht, bevor ich nach oben verschwinde. Dieser Tag war so nervenaufreibend mit diesen ganzen Gefühlsausbrüchen und ich sehne mich sehr nach einem Bett. Diesmal verkrieche ich mich aber in mein eigenes. Ich weiß nicht, ob Étienne mich diese Nacht bei sich haben will oder ob er überhaupt den Weg ins Schlafzimmer findet, deswegen gehe ich lieber ohne Erwartungen in mein eigenes Zimmer.

Bis unters Kinn zugedeckt und schon im Halbschlaf bekomme ich dann aber doch noch leise Geräusche mit. Ich habe meine Tür nur angelehnt, kann hören wie Étienne – bei dem ich mir immer noch nicht sicher bin, ob ich ihn offiziell wieder meinen Freund nennen kann – schwer atmend durch den Flur läuft. Erst scheint es mir so, als würde er direkt zu dem eigentlichen Schlafzimmer laufen, dann wirft er aber alles andere als unauffällig einen Blick in dieses Zimmer und verschwindet wieder. Verwirrt drehe ich meinen Koof kurz Richtung Tür, lasse ihn dann aber wieder ins Kissen fallen und drücke die Decke müde schmatzend an meine Nase. Niemand zwingt ihn hier zu schlafen oder mich in das große Bett nebenan zu tragen.

Schon wieder fast im Land der Träume angekommen, höre ich dann aber ein leises Klicken. Müde blinzel ich und versuche irgendwas anderes wahrzunehmen, da senkt sich das Bett neben mir ab und Tien Tien, dessen Körper ich deutlich identifizieren kann, schmiegt sich unter der Decke an meinen. ,,Mhh– Étienne...", murre ich leise, völlig schlaftrunken und so benommen, dass ich die warme Nässe in meinem Nacken einfach hinnehme. ,,Warum liegst du nicht in unserem Bett, Alexis?", haucht er. Seine Stimme wirkt ungewöhnlich dünn. Dann ein Schluchzen. ,,Ich wusste doch nicht, was los ist.", hauche ich.

Moment– ein Schluchzen?!

Panisch fahre ich hoch. Étiennes Kopf fällt auf eines der Kissen, gleichzeitig führe ich meine Hand zu meinen Nacken. Er ist tatsächlich leicht feucht.

,,Étienne, weinst du?", frage ich leise, von Unsicherheit getrieben. Nebenbei gehen bei mir auch die Alarmglocken an. So kenne ich ihn ja gar nicht! Um mir sicher zu sein, knipse ich eine der Lampen an – er antwortet mir nicht, scheint sogar aufgehört haben zu atmen, aber er weint tatsächlich. Seine Wangen glänzen aufgrund der Nässe, seine Augen und Nasenspitze sind leicht gerötet und irgendwie sieht er ganz fertig aus. ,,Tien Tien...", verlässt es mitleidig meinen Mund. Er sieht so hilflos aus und das ist er auch ganz deutlich. Jammernd hält er sich die Hände vor das Gesicht und schluchzt leise auf. Immerhin atmet er wieder, wenn auch ansatzweise so unregelmäßig wie ich heute morgen.

Vorsichtig drehe ich ihn auf den Rücken und zwinge ihn dann dazu sich hinzusetzen, bevor ich mich halb auf seinen Schoß setze und versuche seine Hände von seinem Kopf zu entfernen. Es braucht einen Moment und relativ viel Kraft, um einen Blick auf sein Gesicht erhaschen zu können. Seine schwache Seite ist ihm unangenehm. Ich kenne ihn mittlerweile so gut, um das ganz sicher sagen zu können. Deswegen und weil ich meinen Liebsten trösten will, lege ich meine Hände sanft um ihn und drücke seinen Kopf tätschelnd gegen meine leicht begleitete Brust. Ich schlucke unsicher. ,,Magst du mir erzählen, was los ist? Ich möchte dir helfen... für dich da sein.", hauche ich leise aber bewusst in sein Ohr, aber vorerst krallt er nur seine Hände an mich. Schluchzen und Wimmern dringt in meine Ohren, gleichzeitig steigen mir selbst Tränen in die Augen. Er zittert stark am ganzen Leib, während seine beinahe heißen Tränen mein T-Shirt durchnässen. ,,Schatz...", bringe ich unsicher, ja beinahe ängstlich hervor. Meine rechte Hand gleitet langsam wieder etwas weiter nach oben in seine Haare.

,,Alex, er ist tot."

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i love you, remember? ❦Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt