Die nächsten Tagen fühlten sich für mich wie die Hölle an, die ich wirklich niemandem wünschte. Es fühlte sich noch ein Stück surreal für mich an, zu wissen, dass ich Yoel nie mehr an der Haltestelle stehen sehen würde oder die Zwillinge im Doppelpack. Seit ich Denken kann, gab es immer Noel und Yoel zusammen. Nie ein Noel oder Yoel.
Und obwohl mich der Verlust sehr mitnahm, fuhr ich täglich noch zur Schule und mischte mich unter meine Freunde.An Unterricht dachte keiner dran, was die Lehrer verstanden. Sie versuchten es zwar, da die Klausurenphase immer näher kam, dennoch ließen sie uns unseren Freiraum. Es kam schon soweit, dass sie im Obergeschoss einen Trauerraum errichteten und uns gehen ließen, wenn wir gerade nicht mehr konnten. Für Viele, die Yoel nicht wirklich nah standen, war dies eine Freikarte. Sie nutzten den Raum als Ausrede, um den Unterricht zu schwänzen. Und genau so ein Verhalten machte mich so wütend, dass ich am liebsten meine beiden Fäuste geschwungen hätte.
»Cecilia.«, riss mich Sophia aus meinen Gedanken und stupste mich dabei leicht an. »Die Flasche.«, wies sie mich darauf hin und erst jetzt bemerkte ich, dass ich die grüne leere Flasche in meiner Hand zerdrückte.
»Oh.«, machte ich nur und ließ die Flasche los. »Ich sollte an die frische Luft gehen. Länger halte ich es hier sicherlich nicht aus.«, murmelte ich, nahm meinen Rucksack und verließ ohne ein weiteres Wort an meine Erdkundelehrerin den Kursraum. Statt in den Trauerraum zu laufen, entschied ich mich für eine Bank auf dem Schulhof. Dort sammelten sich sicherlich Viele, die einfach nur schwänzen wollten.
Seufzend schmiss ich meinen Rucksack darauf und ließ mich daneben fallen.
Für einen kurzen Moment starrte ich einfach gedankenlos durch die Gegend und wusste nicht, was ich tun sollte.
»Was machst du hier?«, fragte mich plötzlich ein Junge, der wie aus dem Nichts auftauchte und gegenüber von mir stellte.
»Eine Frage, die ich dir auch stellen könnte.«, entgegnete ich ihm und nahm mein Handy heraus. »Kann ich dir helfen oder willst du einfach hier so stehen und nichts tun?«, fragte ich ihn und würdigte ihm keinen einzigen Blick mehr. Meine Augen fixierten mein Bildschirm, auf dem Fotos von dem Atlético Spiel zu sehen sind.
»Darf ich mich zu dir setzten?«, fragte er mich und setzte sich neben mich, als ich meinen Rucksack von der Bank nahm und ihm somit Platz machte. »Wie geht es dir?«
»Wie soll es mir schon gehen?«, entgegenete ich ihm mit einer Gegenfrage und verdrehte meine Augen. »Es geht mir beschissen, wenn du es wirklich wissen möchtest.«, beantwortete ich dann doch seine Frage und seufzte anschließend.
»Mein Beleid. Naja wegen Yoel.«, sprach er aus und hörte sich wirklich so an, als würde er es auch Ernst meinen. In den letzten Tagen habe ich so viele halbherzige Beileide ausgesprochen bekommen, dass ich es schon gar nicht mehr hören konnte. »Er war ein echt lebensvoller Mensch. Er ist viel zu früh gegangen.«
»Ja, das war er.«, lachte ich leicht und versuchte mir die Tränen zu verkneifen. »Er hatte den frühen Tod am wenigsten verdient.«, murmelte ich und wischte mir die Augen trocken, bevor überhaupt eine Träne über meinen Wangen rollen konnte. »Es fühlt sich noch so surreal an.«
»Kann ich mir vorstellen.«, nickte er mit seinem Kopf und stellte seinen Rucksack vor seinen Füßen ab. »Ich habe im letzten Jahr meine Oma verloren. Sie war schon etwas älter und wir alle wussten irgendwann, dass ihre Zeit schon bald ablief. Trotz Vorbereitung auf ihren Tod, fühlte es sich einfach nur surreal an. Die Person nicht mehr zu sehen, die man vorher fast täglich gesehen hat. Mit der Zeit lernt man den Tod zu akzeptieren, aber ein Teil in einem fühlt sich immer noch leer an.«, erzählte er mir und räusperte sich anschließend. »Haben du und Yoel euch Nah gestanden?«, fragte er mich.
»Er, Noel und ich kennen uns schon seit wir Denken können. Sein Vater ist mit meinem Vater schon seit ihrer Grundschulzeit befreundet. Yoel und Noel sind die Patenkinder meines Vaters. Das wir uns nur Nah stehen ist vielleicht untertrieben.«, schmunzelte ich leicht darüber und fuhr mir durch meine Haare. »Du warst in der C Klasse, oder?«
»Jup.«, lachte er leicht. »Und da Yoel in der D Klasse war und diese Klassen sich kaum ausstehen konnten, habe ich immer gedacht, dass er mich nicht leiden kann.«, erzählte er. »Er hat mich mal wirklich hasserfüllt angeschaut und ab da dachte ich, ich habs wohl endgültig mit ihm versaut. Und das, obwohl wir insgesamt nur fünf Sätze miteinander ausgetauscht haben.«
»Er hat niemanden gehasst.«
»Hassen ist ein echt starkes Wort.«, erwiderte er daraufhin.
»Nicht leiden etwa nicht?«, harkte ich nach und sah ihn mit dem selben Gesichtsausdruck an wie er mich ansah. »Er hat dich nicht nicht leiden können. Du hast für ihn einfach nur keine wichtige Rolle gespielt, wenn ich das jetzt so sagen darf.«, sagte ich direkt und lachte, als sein Gesichtsausdruck sich schlagartig änderte.
»Autsch.«, kommentierte er und hielt sich eine Hand an seine Brust. »Das was jetzt echt gemein und verletzend, Cecilia.«
»Ich glaube, ich verletze dich noch mehr, wenn ich dich jetzt nach deinem Namen frage.«, brachte ich unter meinem Lachen hervor und fühlte mich tatsächlich schlecht, als ich mich Null an seinen Namen nicht erinnern konnte. Ich wusste, dass er schon seit der Fünften hier war und trotzdem kannte ich seinen Namen nicht.
»Wir besuchen schon seit fünf Jahren einen Jahrgang und du willst mir echt erzählen, dass du meinen Namen nicht kennst?«, harkte er leicht ungläubig nach und konnte darüber zum Glück Schmunzeln. »Danny aus der C Klasse.«
»Danny? Du siehst nicht aus wie ein Danny.«, entkam es über meinen Lippen, was ich eigentlich gar nicht wollte.
»Entschuldigung, aber du siehst auch nicht aus wie eine Cecilia.«, entgegnete er. »Und sowas nennt man Diskriminierung. Wenn ich wollte, könnte ich hier und jetzt eine Bombe hochgehen lassen.«, scherzte er. »Für was für ein Landsmann hältst du mich?«
»Türke.«, antwortete ich sofort.
»Echt?«, fragte er und fuhr sich mit einer Hand über seinen Bartstoppeln. »Leider falsch. Ich bin halb Iraner und halb Deutscher. Du siehst kein bisschen so aus, als würdest du aus Spanien, Portugal oder aus Frankreich kommen. Eher wie jemand aus Marokko.«, sagte er und lachte, als er meinen Blick sah. »Sechste Klasse, am Nationalitäts Tag. Da hast du behauptet, dass du aus Spanien, Portugal und Frankreich kommst.«
»Dann habe ich wohl etwas zu viel gelogen. Halb Spanierin, ein Viertel Kongolesin und ein Viertel Franzosin.«, klärte ich ihn auf und schämte mich ein bisschen darüber, dass ich in der Sechsten was anderes behauptet hatte.
»Eine sehr interessante Mischung. Denkst du nicht?«
»In der Tat.«, nickte ich mit meinem Kopf.
Und plötzlich erinnerte ich mich wieder an ihn.
»Oh mein Gott! Danny wie in, der Hund von Isaak?«, kicherte ich leicht.
»Der Hund von Isaak? Eher war er mein Hund! Alles was ich hatte, hat er nachgekauft. Die Schuhe? Hat er mit nachgekauft. Das Shirt hier? Nach zwei Stunden hatte er auch so ein Shirt.«, sagte er und wollte mir somit beweisen, dass er früher nie nach seiner Nase getanzt hat.
»Und diesen Rucksack hat er sicherlich auch nachgekauft, oder?«, fragte ich ungläubig nach und zeigte mit meinem Finger auf den schwarzen Camouflage Rucksack vor ihm.
»Den hab ich einfach vom Adler Platz mitgenommen. Der lag da so einsam neben der Mülltonne.«, antwortete er und zuckte mit meinem Schultern. »Zum Glück wurde der aus dem Sortiment genommen, sonst hätte Isaak ihn mir auch geklaut. No front an ihm, klar? Dein Cousin hat mir schon ein bisschen Angst gemacht.«
»Isaak ist nicht mein Cousin. Ihn kenne ich auch ziemlich lange. Er ist in meiner Gemeinde.«, klärte ich ihn auf. Das Schulklingeln erinnerte mich wieder daran, dass ich zum nächsten Unterricht musste. Somit stand ich auf und nahm meinen Rucksack. »Danke, Danny. Sowas habe ich echt gebraucht.«, bedankte ich mich bei ihm mit einem Lächeln auf den Lippen. »Man sieht sich sicherlich.«, versbschiedete ich mich bei ihm und lief zu meinem nächsten Unterricht.
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𝐘𝐎𝐔𝐍𝐆 & 𝐍𝐀𝐈𝐕𝐄 ⇝ 𝑚. 𝑚𝑜𝑢𝑛𝑡
Fanfiction❞𝐇𝐢𝐧𝐭𝐞𝐫 𝐞𝐢𝐧𝐞𝐦 𝐞𝐫𝐟𝐨𝐥𝐠𝐫𝐞𝐢𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐌𝐚𝐧𝐧 𝐬𝐭𝐞𝐡𝐭 𝐞𝐢𝐧𝐞 𝐬𝐭𝐚𝐫𝐤𝐞 𝐅𝐫𝐚𝐮.❝in welche die Nachwuchsdesignerin Cecilia Alves Fernández und der Profisportler Mason Mount, die sich unterschiedlicher gar nicht sein können, de...